"Der Maschinist soll wissen: Wo fahren wir? Wenn ich dreimal klingle, das bedeutet: Wir fahren runter."
Sagt der Ingenieur der Airlift-Anlage Oleksandr Shevshenko - ein gebürtiger Ukrainer um die 30, in grüner Bergbaujacke. Mit ihm fahre ich in einem Fahrstuhl so groß wie eine Besenkammer in die Dunkelheit. Nur Shevchenkos Helmlampe leuchtet:
"Wir fahren zum Ort Umbruch, da ist die Airlift-Anlage installiert. Das ist ungefähr 101 Meter unter der Erde."
Dort empfängt uns hohe Luftfeuchtigkeit. So hoch, dass feine Wasserpartikel im gelblichen Deckenlicht glitzern. Das Gestein der Kaverne ist braunschwarz. In ihrer Mitte steht der Airlift.
"Das ist nur eine Pilotanlage. Wir möchten testen: Wie viel Kohle können wir transportieren? Wie groß kann die Kohle sein. Diese Versuchsanlage beträgt jetzt ungefähr 6 Meter."
Luftwassermischung hebt die Kohle nach oben
Eine sechs Meter hohe Installation aus zwei mit Wasser gefüllten Rohren. Seite an Seite. Eins aus Stahl. Eins aus durchsichtigem Plastik, das die Kohle transportieren soll. Mithilfe der Luft, die ein Kompressor in das Wasser pumpt.
"Diese Luftwassermischung hat kleinere Dichte als die Wassersäule. Und diese Wassersäule wird einfach diese Luftwassermischung nach oben raus drücken."
Dafür dreht Oleksandr Shevshenko an einem handgroßen Lufthahn: "Wenn ich etwas Luft einblase, werden die kleinen Blasen gebildet. Wenn ich mehr Luft einblase, dann werden auch große Blasen gebildet."
Prinzip Mineralwasserflasche
Das Wasser sprudelt durch das Transportrohr nach oben wie in einer geschüttelten Mineralwasserflasche. In diesem aufsteigenden Luftwasserstrom möchte Oleksandr Shevshenko Kohle transportieren. Die soll die fertige Anlage künftig mit Wasserstrahlen aus dem Gestein schneiden. Dann soll sie der Airlift aus einem Sammelbecken einsaugen. Die Technik zur Kohlegewinnung entwickeln polnische Projektpartner. Für den Transport an die Oberfläche ist Shevchenko zuständig. Um das Prinzip zu demonstrieren füllt er einen Eimer bis zum Rand mit Kohlebröckchen.
"Es wäre natürlich besser, wenn wir das wiegen, aber ich habe jetzt keine Waage mit."
Über zehn Kilo dürfte der volle Kohleeimer aber wiegen. Mit ihm klettert Shevshenko auf eine hüfthohe Stahlbrüstung vor der Anlage. Und kippt die Kohle in das Stahlrohr. Die Kohle sinkt auf den Boden der Anlage. Von dort soll sie im Plastikrohr wieder nach oben kommen, mit dem aufsteigenden Luftwasserstrom. Den überwacht Shevshenko an einem PC neben der Anlage.
"Ich kann alle Daten speichern auf diesem PC. Kanal 1 speichert Druckluft. Kanal 2 Druck vom Wasser. Kanal 3 Durchfluss von Luft. Kanal 4 Temperatur von Luft und dann Wasserdurchfluss, das ist wichtig."
Auch für Phosphor und Uran geeignet
Diese Parameter muss der Ingenieur optimal aufeinander abstimmen, damit die Anlage möglichst viele und möglichst große Kohlestückchen nach oben transportiert. Ziel seien 100 Tonnen pro Stunde, sagt er. Frühere Airlift-Anlagen konnten maximal zehn Tonnen pro Stunde transportieren. Die Technik werde zwar schon seit den 1950ern erprobt. Damals hätten aber die nötigen Technologien gefehlt:
"Man hatte keine Sensoren. Man hatte viel Theorie. Nur mit Theorie kann man nicht arbeiten. Man muss noch experimentelle Untersuchungen haben, und dann kann man alles zusammenbinden."
Für die Experimente heute verändert der Bergbauingenieur den Wasserluftstrom in der Plastikröhre. Der transportiert anfangs nur zwei Zentimeter große Kohlepartikel. Doch nach einigen Einstellungen sagt Shevshenko plötzlich: "Kommt Kohle, richtig große Stücke, ja. Die Partikel die wir sehen, sind ungefähr 40 Millimeter groß."
Doch die Technik könne nicht nur Kohlepartikel transportieren. Auch Phosphor oder radioaktives Uran könne der Airlift künftig fördern. Derzeit arbeiten die Ingenieure der TU Freiberg aber für die Forschungspartner in Polen. In dem Land liegen noch schätzungsweise 70 Millionen Tonnen Kohle unter Tage. Eine fünfmal größere Version des Airlift, die in zwei Jahren bei Kattowitz in Betrieb gehen soll, muss zeigen, wie praxistauglich das Verfahren ist. Dafür müsse noch viel geforscht werden, weiß Oleksandr Shevshenko. Für heute hat er erstmal genug. Er steigt in den Fahrstuhl und fährt wieder ans Tageslicht.