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Innovative Technik für neue Klangwelten

Als erste deutsche Softwareschmiede haben Melodyne-Erfinder Peter Neubäcker und sein Team im Februar 2012 einen "Technical Grammy” erhalten. Die höchste Ehrung der Musikbranche würdigt damit "Verdienste von außergewöhnlicher technischer Bedeutung im Recording-Bereich".

Von Andi Hörmann |
    "Hallo, ich bin Stefan Lindlahr von Celemony. Hier habe ich in einen einfachen Popsong ein paar Samples gezogen. Die passen ganz gut, na ja, nicht an allen Stellen."

    Töne, Klänge, Melodien anpassen - in kleinen Videos im Internet eröffnet sich dem Laien die Trickkiste der Musiksoftware Melodyne. Mit diesem Programm ist es seit gut zehn Jahren möglich, in die Töne einer Komposition einzugreifen. Das Modellieren von Melodien: Erfunden hat Melodyne Peter Neubäcker.

    "Wenn dieses Programm eingesetzt worden ist, in der Musik, dann hört man das nachher nicht mehr. Oder jemand setzt es bewusst als Effekt ein, dass wirklich dann komische Verzerrung eingebaut wird, die ein Sänger gar nicht singen kann."

    Oder: Ein Sprecher gar nicht sprechen. Wie mit vielen Musikprogrammen lassen sich auch mit Melodyne Klänge bis zum Extrem ausreizen und Töne comichaft überhöhen - von Mickey Mouse bis Belzebub. Doch es kann noch weit mehr. Dickie Chappell, der Tontechniker von Peter Gabriel setzt es in orchestralem Weltmusikbombast ein.

    Martin "Console", Gretschmann von The Notwist, tüftelt mit der Software an seinen elektronischen Kompositionen.

    Melodyne ist in millionenschweren Studioproduktionen genauso wie bei kleinen Hinterzimmeraufnahmen zuhause. Im Februar 2012 durfte sich Peter Neubäcker in Los Angeles den "Technical Grammy" für Melodyne abholen - den "Oscar der Musikbranche". Eine ehrwürdige Anerkennung für eine Software, mit der Neubäcker die digitale Musikbearbeitung ständig weiterdenkt, analytisch durchdringt und mehr noch: in sie eindringt. Der Klang: Philosophie. Der Ton: Psychologie. Die Melodie: Mathematik. Das Aha-Erlebnis des Erfinders: Die Frage "Wie klingt ein Stein?"

    "Diese Frage "Wie klingt ein Stein?" führte dann dazu, dass ich so etwas wie den lokalen Klang entwickelt habe. Das heißt, dass man in der Musik an jeder Stelle auch denken kann: Jetzt bleibe ich hier stehen und jetzt klingt es so ewig weiter, wenn man will."

    In seinem Arbeitszimmer - zwischen selbst gebauten Saiteninstrumenten an den Wänden und Klangschalen in den Regalen - demonstriert Peter Neubäcker am Computermonitor das Wesen seiner Software: Visualisierte Töne eines beliebigen Popsongs auf der Benutzeroberfläche versinnbildlichen den Namen: Melodyne - eine Wortverschmelzung aus Melodie und DNA.

    "Man sieht hier, dass die einzelnen Noten analysiert worden sind. Man kann sich das wie so eine Art Spindel vorstellen. Die Dicke dieser Spindel repräsentiert die Lautstärke an dem jeweiligen Zeitpunkt. Und diese feine Linie, diese Kurve ist die Tonhöhe, die da drinsteckt."

    "Ich nehme jetzt mal so ein Stückchen hier raus."

    "Und wenn ich jetzt ein paar Noten anfasse und woanders hinschiebe. Da hört man dann schon, dass es praktisch immer so bleibt wie wenn es auch so gesungen hätte sein können, aber die Melodie verändert sich so, wo man die Noten einfach hinschiebt, um andere Melodien daraus zu machen. Oder man könnte eine zweite Stimme daraus machen, dann kann ich das hier runter schieben."

    Samplen, pitchen, stretchen - mit Melodyne lassen sich musikalische Patzer passend machen.

    "Wenn ich mich versinge, merke ich das vielleicht, dass ich mich versungen habe und erschrecke. Und dadurch wird die Aufnahme schlecht. Oder jemand, der schlecht singt, der kann auch nie zu einem guten Sänger gemacht werden durch die Software, weil er einfach den Ausdruck nicht hat."

    Doch Melodyne ist weniger Korrekturwerkzeug als vielmehr ein Instrument für das Instrument. Musikalische Gestaltung wird damit nicht mehr zur Frage nach Technik und Effekten, sondern zur Psychologie zwischen Interpret und Produzent.