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Ins Netz gegangen

Die Schwarze Witwe ist eine hochgiftige Spinne, die für die Klebstoffindustrie interessant werden könnte. Denn das Tier produziert einen Kleber, der immer zu funktionieren scheint, egal, ob es feucht ist oder trocken, wie ein indischer Materialwissenschaftler herausgefunden hat.

Von Marieke Degen |
    Das Labor von Vasav Sahni an der Universität von Akron in Ohio ist nichts für Arachnophobiker. Es steht voll mit Plastikboxen, darin Schilfrad- und Gewächshausspinnen, Schwarze Witwen und sogar Taranteln. Vasav Sahni ist kein Biologe. Er ist Materialwissenschaftler, und an den Spinnen interessiert ihn vor allem eines: ihre Netze. Genauer gesagt: der Spinnenkleber auf den Netzen.

    "Die Spinnen produzieren Klebstoff. Den verteilen sie auf ihren Fäden, damit die Beutetiere hängen bleiben und aufgefressen werden. Wir wollen herausfinden, wie der Klebstoff funktioniert. Dann könnte man in Zukunft versuchen, den Kleber künstlich nachzubauen."

    Für seine Studien hat sich der Forscher zwei verschiedene Webspinnen vorgenommen. Einmal eine echte Radnetzspinne, die Schilfradspinne. Und dazu eine Kugelspinne, die Schwarze Witwe. Radnetz- und Kugelspinnen sind eng miteinander verwandt, beide bauen Netze und beide benutzen Klebstoff.

    "Die Netze sind aber vollkommen unterschiedlich. Das Netz der Radnetzspinne ist zweidimensional. Es sieht tatsächlich aus wie ein Rad, mit Speichen und Querverstrebungen. Das Netz der Kugelspinne ist etwas komplexer, ein dreidimensionales dichtes Gewebe, von dem aus klebrige Fangfäden bis zum Boden reichen. Die Insekten bleiben darin hängen und die Kugelspinne kann dann herunterkommen und sie auffressen."

    Aber nicht nur die Netze sind verschieden, sondern auch die Klebstoffe der beiden Spinnen. Die Kleber reagieren ganz unterschiedlich auf Nässe. Das hat Vasav Sahni unter dem Mikroskop getestet.

    "Wir sammeln die Fäden der beiden Arten direkt aus den Käfigen in unserem Labor. Erst unterm Mikroskop kann man die winzigen Klebetröpfchen an den Fäden sehen. Ich habe dann gemessen, wie gut die Tröpfchen haften. Dafür habe ich ein Tröpfchen mit zwei Glaspipetten auseinandergezogen, solange, bis es sich von einer Glaspipette gelöst hat. Das Ganze habe ich bei einer Luftfeuchtigkeit von 0 Prozent, 15 Prozent, 40 Prozent, 90 Prozent und 100 Prozent gemacht."

    Das Ergebnis: Der Kleber der Radnetzspinne braucht ein bisschen Nässe, damit er überhaupt haften kann. Am besten klebt er bei einer mittleren Luftfeuchtigkeit. Wenn die Luftfeuchtigkeit aber zu hoch ist, verliert er an Kraft.

    "Ganz anders der Kleber von der Kugelspinne: Er lässt sich überhaupt nicht durch Feuchtigkeit beeinflussen. Der klebt bei absoluter Trockenheit genauso gut wie bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 oder 100 Prozent. Und das macht auch Sinn: Kugelspinnen leben vor allem in heißen Gebieten, in Wüsten, wo kaum Wasser vorkommt. Ihr Kleber muss also auch ohne Feuchtigkeit funktionieren. Radnetzspinnen dagegen leben oft an Seen, weil sie Feuchtigkeit brauchen. In der Wüste würde ihr Klebestoff nicht halten."

    Doch warum reagieren die Klebstoffe so unterschiedlich auf Feuchtigkeit? Vasav Sahni geht davon aus, dass das an den unterschiedlichen Inhaltsstoffen im Klebstoff liegt. Der Kleber der Radnetzspinne enthält unter anderem Salze, die das Wasser aufsaugen. Im Klebstoff der Kugelspinne gibt es kurze Eiweißmoleküle, die überhaupt nicht mit Wasser reagieren. Die chemische Struktur der Spinnenkleber könnte auch für die Klebstoffindustrie interessant sein.

    "Wir haben hier also einen Kleber, der mit Feuchtigkeit arbeitet, auf ein gewisses Maß an Feuchtigkeit angewiesen ist, und einen, der völlig unabhängig von Feuchtigkeit funktioniert. Wenn wir die chemische Struktur der beiden Spinnenkleber nachbauen können, dann könnten wir Klebstoffe herstellen, die in jeder Umgebung funktionieren."

    Vielleicht, sagt Vasab Sahni, könnte man in Zukunft dann auch endlich einen Kleber entwickeln, der absolut wasserfest ist. Der Schwarzen Witwe sei dank.