Joachim Budde: "Sieht nach einem ganz normalen Wohnhaus aus, wo die Krefelder Entomologen ihr Domizil haben. Entomologische Sammlung, Entomologischer Verein Krefeld. Da tut sich was. Hallo, Guten Tag! Guten Morgen. Was ist das für ein Gebäude?"
Martin Sorg: "Das ist ein Schulgebäude."
Joachim Budde: "Betreten auf eigene Gefahr unter fachkundiger Anleitung. Sie sind ja dabei. Wahrscheinlich darf man auch nicht rauchen. Und man darf nichts anfassen! Okay, werde mich zurückhalten."
Martin Sorg: "Das ist das Lager der Archivboxen."
Martin Sorg: "Das ist ein Schulgebäude."
Joachim Budde: "Betreten auf eigene Gefahr unter fachkundiger Anleitung. Sie sind ja dabei. Wahrscheinlich darf man auch nicht rauchen. Und man darf nichts anfassen! Okay, werde mich zurückhalten."
Martin Sorg: "Das ist das Lager der Archivboxen."
Flaschen voller Insekten
Mitten in Krefeld stapeln sich hinter einer schweren stählernen Brandschutztür und abgedunkelten Fenstern braune Pappkartons schulterhoch. Sie füllen ein komplettes Stockwerk, entlang der Wände und in parallelen Reihen.
"Sieht ein bisschen aus wie bei einem Umzug. Mit den Archivboxen."
Martin Sorg öffnet einen Karton.
"Wenn wir hier so eine Archivbox - in dem Fall die Nummer zwei-zwei-fünf-sechs - öffnen, dann sehen wir den Bestand - in dem Fall hier sind es die Proben aus einer Untersuchung mit Malaisefallen aus dem Jahr 2016 . Wir archivieren letzten Endes die Originalproben aller Untersuchungen, an denen der Entomologische Verein beteiligt ist."
In den letzten 30 Jahren sind hunderte Kartons zusammengekommen. Kartons mit Flaschen voller Insekten. Es sind Schlussfolgerungen aus diesen Fängen, die in den letzten Monaten für große Aufregung gesorgt haben unter Umweltforschern, Naturschützern, Landwirten und ihren Lobbyisten, Politikern und letztlich auch natürlich in der Öffentlichkeit.
Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz Anfang Juni:
"Im Sommer des letzten Jahres mit der Veröffentlichung der Studie der Krefelder Entomologen ist ja das Insektensterben - oder wie wir im BfN sagen: der Insektenrückgang - ein bestimmendes Thema und ist es auch geblieben, es hat seitdem Eingang in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung gefunden."
Martin Sorg öffnet einen Karton.
"Wenn wir hier so eine Archivbox - in dem Fall die Nummer zwei-zwei-fünf-sechs - öffnen, dann sehen wir den Bestand - in dem Fall hier sind es die Proben aus einer Untersuchung mit Malaisefallen aus dem Jahr 2016 . Wir archivieren letzten Endes die Originalproben aller Untersuchungen, an denen der Entomologische Verein beteiligt ist."
In den letzten 30 Jahren sind hunderte Kartons zusammengekommen. Kartons mit Flaschen voller Insekten. Es sind Schlussfolgerungen aus diesen Fängen, die in den letzten Monaten für große Aufregung gesorgt haben unter Umweltforschern, Naturschützern, Landwirten und ihren Lobbyisten, Politikern und letztlich auch natürlich in der Öffentlichkeit.
Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz Anfang Juni:
"Im Sommer des letzten Jahres mit der Veröffentlichung der Studie der Krefelder Entomologen ist ja das Insektensterben - oder wie wir im BfN sagen: der Insektenrückgang - ein bestimmendes Thema und ist es auch geblieben, es hat seitdem Eingang in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung gefunden."
Allein in Deutschland 33.000 Arten bekannt
Insekten spielen eine kaum zu überschätzende Rolle in den Land-Ökosystemen - zum Beispiel als Nahrung für andere Tiere, als Bestäuber, als Aas- und Dungfresser, als Bodenverbesserer.
Beate Jessel: "Bei uns in Deutschland sind alleine 33.000 verschiedene Insektenarten bekannt, und sie machen damit bei uns 70 Prozent der Artenvielfalt aller tierischen Organismen aus."
Buchstäblich alle Welt spricht inzwischen über den großen Schwund. Vor 30 Jahren gab es noch vier Mal so viele Käfer, Fliegen, Wespen und Falter wie heute.
Beate Jessel: "Bei uns in Deutschland sind alleine 33.000 verschiedene Insektenarten bekannt, und sie machen damit bei uns 70 Prozent der Artenvielfalt aller tierischen Organismen aus."
Buchstäblich alle Welt spricht inzwischen über den großen Schwund. Vor 30 Jahren gab es noch vier Mal so viele Käfer, Fliegen, Wespen und Falter wie heute.
Was ist daraus zu lernen? Und kommen die Erkenntnisse wirklich so überraschend?
Keine Auflagen für Landwirte - auch nicht im Naturschutzgebiet
Zum Ausgangspunkt. In ein Naturschutzgebiet nordwestlich von Krefeld. Ich fahre mit Paul Nothers dorthin. Er ist im Ruhestand und verpachtet die Felder. Hier haben die Krefelder Entomologen 1989 eine der ersten Fallen aufgestellt. Und hier haben sie die erste Vergleichsmessung gemacht, die sie aufgeschreckt hat. Sie machten weitere Wiederholungsfänge.
"Dahinter sind alles Wiesen. Vor der Ecke hier, wo diese Hecke und oben diese Bäume zusammenstoßen in der Ecke war die Falle zwei, und auf der anderen Seite hinter dieser Hecke da oben, war Falle eins. Wir stehen jetzt hier mitten im Orbroicher Bruch als Naturschutzgebiet, und die Struktur des Waldes, der Hecken ist geblieben wie vor 200 Jahren. Das meiste war Allmende, das heißt: Es wurde eigentlich nur von der Gemeinschaft bewirtschaftet, aber hier ist alles geblieben wie damals."
Joachim Budde: "Also auch die Landwirtschaft, obwohl wir mitten im Naturschutzgebiet sind."
"Ja. Die Landwirtschaft ist aber hier sehr stark reduziert auf Grünland, wir haben hier einige Ausnahmen, das ist hier ist so ein Sonderkopf, wo man auch Mais machen kann, aber alles andere war schon sehr schwierig."
"Warum?"
"Weil es zu feucht ist."
"Aber wenn Sie jetzt sagen: Es gibt hier auch Landwirtschaft. Wie sieht es denn mit dem Pestizideinsatz aus?"
"Dahinter sind alles Wiesen. Vor der Ecke hier, wo diese Hecke und oben diese Bäume zusammenstoßen in der Ecke war die Falle zwei, und auf der anderen Seite hinter dieser Hecke da oben, war Falle eins. Wir stehen jetzt hier mitten im Orbroicher Bruch als Naturschutzgebiet, und die Struktur des Waldes, der Hecken ist geblieben wie vor 200 Jahren. Das meiste war Allmende, das heißt: Es wurde eigentlich nur von der Gemeinschaft bewirtschaftet, aber hier ist alles geblieben wie damals."
Joachim Budde: "Also auch die Landwirtschaft, obwohl wir mitten im Naturschutzgebiet sind."
"Ja. Die Landwirtschaft ist aber hier sehr stark reduziert auf Grünland, wir haben hier einige Ausnahmen, das ist hier ist so ein Sonderkopf, wo man auch Mais machen kann, aber alles andere war schon sehr schwierig."
"Warum?"
"Weil es zu feucht ist."
"Aber wenn Sie jetzt sagen: Es gibt hier auch Landwirtschaft. Wie sieht es denn mit dem Pestizideinsatz aus?"
"Im Grunde genommen werden Pestizide eingesetzt. Wenn hier zum Beispiel Läuse auf dem Weizen größere Populationen bilden, muss hier gespritzt werden. Aber der Anteil ist hier gering, und hierfür wird eigentlich hauptsächlich Herbizide eingesetzt, um das Unkraut wegzumachen. Dieses Naturschutzgebiet hat wie viele auch keine direkten Auflagen. Die gibt es in Deutschland relativ wenig. Und ist ja auch im Grunde genommen eine Art Enteignung, oder man muss es freiwillig machen können, wir müssen die Landwirte dazu bringen, dass sie die gewünschten Methoden machen, aber man muss sie dafür entlohnen."
Im Domizil der Krefelder Entomologen schraubt Heinz Schwan eine Plastikflasche auf. Seine Kollegen haben sie Anfang Mai aus einer Falle geholt, die nach dem schwedischen Insektenforscher Malaise] benannt ist. Die Krefelder Entomologen haben sie weiterentwickelt. Ein Netz aus schwarzer Gaze fängt die Insekten im Flug ab, um zu entkommen, steigen sie daran hoch und durch einen riesigen weißen Stoff-Trichter in eine Flasche mit Alkohol.
Martin Sorg: "Wenn man die Insekten-Artenzahl von Deutschland betrachtet, dann sind wir bei mehr als 33.000 Arten, davon sind deutlich über 90 Prozent flugaktiv, das heißt, man erfasst mit dieser Technik potenziell einen sehr, sehr großen Ausschnitt der Artenvielfalt für Insekten, und das können für einen Standort innerhalb eines Jahres durchaus deutlich mehr als 3.000 Arten sein."
Im Domizil der Krefelder Entomologen schraubt Heinz Schwan eine Plastikflasche auf. Seine Kollegen haben sie Anfang Mai aus einer Falle geholt, die nach dem schwedischen Insektenforscher Malaise] benannt ist. Die Krefelder Entomologen haben sie weiterentwickelt. Ein Netz aus schwarzer Gaze fängt die Insekten im Flug ab, um zu entkommen, steigen sie daran hoch und durch einen riesigen weißen Stoff-Trichter in eine Flasche mit Alkohol.
Martin Sorg: "Wenn man die Insekten-Artenzahl von Deutschland betrachtet, dann sind wir bei mehr als 33.000 Arten, davon sind deutlich über 90 Prozent flugaktiv, das heißt, man erfasst mit dieser Technik potenziell einen sehr, sehr großen Ausschnitt der Artenvielfalt für Insekten, und das können für einen Standort innerhalb eines Jahres durchaus deutlich mehr als 3.000 Arten sein."
Die Methode: Biomasse-Messung
Zuerst bestimmt Heinz Schwan die Biomasse aller Insekten in der Flasche.
"Ich schüttle die Probe ein bisschen, vorsichtig, öffne jetzt den Deckel, nehmen das Etikett heraus, da hat der Probennehmer die Daten drauf geschrieben, die Waage wird angeschaltet."
Joachim Budde: "Jetzt haben Sie da einfach ein Sieb auf den Trichter getan."
Heinz Schwan: "Das ist ein Sieb mit einer Maschenweite von 0,5 Millimeter, hat einen Durchmesser von circa zehn, elf Zentimeter… Ich jetzt möglichst mit einem Schwung [Plätschern] die gesamte Insektenmenge auf dieses Filter."
"Ist das ein Erlenmeyerkolben?"
"Das ist ein Zwei-Liter-Erlenmeyerkolben."
"Es riecht auch schon nach Alkohol."
"Das muss auch sein."
"Sonst wäre es ein Alarmzeichen für Sie."
"Ja, die Vorgeschichte der Probe ist ja, dass praktisch der erste Alkohol schon ausgetauscht wurde nach Probenabnahme, und das dann mit Alkohol von 83 Prozent aufgefüllt wurde."
Denn die Insekten enthalten immer etwas Wasser. Das musste Heinz Schwan zuvor herauslösen.
"Das heißt, bei allen Wiegungen, die wir gemacht haben, ist der Alkohol, der in und an den Insekten anhaftet, immer 83 Prozent."
10 bis 14 Tage dauert das. Die Entomologen haben Standards wie diesen festgelegt, damit die Messungen vergleichbar sind. In Heinz Schwans Siebchen liegen die toten Insekten kreuz und quer durcheinander.
Joachim Budde: "Das ist jetzt einfach nur ein schwarzer Haufen."
Heinz Schwan: "Ja."
"Sieht ein bisschen aus wie grob gemahlener Kaffeesatz."
"Ja, sehr grob gemahlen, ne? Ja."
Wenn Heinz Schwan zwischen zwei Tropfen Alkohol zehn Sekunden stoppt, ist das Insektenknäuel genau richtig abgetropft. Noch so ein Standard.
"Jetzt sehe ich nur 120,2 Gramm, nehme jetzt den Pulvertrichter wegen der größeren Öffnung, kippe das Sieb einfach um, jetzt knallt es ein bisschen, jetzt sind die Insekten alle raus, jetzt habe ich das Taragewicht vom feuchten Sieb, 98,3, die ziehe ich von 120,2 ab, dann habe ich das Nettogewicht dieser Probe."
21,9 Gramm Insekten - dabei sind es tausende Tiere von hunderten Arten. Und hunderte solcher Biomasse-Messungen sind in die inzwischen weltweit bekannte Studie eingeflossen. Dr. Martin Sorg, stellvertretender Vorsitzender des Entomologischen Vereins Krefeld, fasst die Ergebnisse zusammen.
"Bei den Biomassen ist es halt so, dass wir über die Analyse dieses Datensatzes über 96 Standortuntersuchungen eine Reduktion um ungefähr 76 Prozent festgestellt haben, Letzten Endes ist das dann schon eine gravierende Reduktion der Gesamtmenge der Insekten, die halt sich bezieht auf diesen langen Vergleichszeitraum."
"Ich schüttle die Probe ein bisschen, vorsichtig, öffne jetzt den Deckel, nehmen das Etikett heraus, da hat der Probennehmer die Daten drauf geschrieben, die Waage wird angeschaltet."
Joachim Budde: "Jetzt haben Sie da einfach ein Sieb auf den Trichter getan."
Heinz Schwan: "Das ist ein Sieb mit einer Maschenweite von 0,5 Millimeter, hat einen Durchmesser von circa zehn, elf Zentimeter… Ich jetzt möglichst mit einem Schwung [Plätschern] die gesamte Insektenmenge auf dieses Filter."
"Ist das ein Erlenmeyerkolben?"
"Das ist ein Zwei-Liter-Erlenmeyerkolben."
"Es riecht auch schon nach Alkohol."
"Das muss auch sein."
"Sonst wäre es ein Alarmzeichen für Sie."
"Ja, die Vorgeschichte der Probe ist ja, dass praktisch der erste Alkohol schon ausgetauscht wurde nach Probenabnahme, und das dann mit Alkohol von 83 Prozent aufgefüllt wurde."
Denn die Insekten enthalten immer etwas Wasser. Das musste Heinz Schwan zuvor herauslösen.
"Das heißt, bei allen Wiegungen, die wir gemacht haben, ist der Alkohol, der in und an den Insekten anhaftet, immer 83 Prozent."
10 bis 14 Tage dauert das. Die Entomologen haben Standards wie diesen festgelegt, damit die Messungen vergleichbar sind. In Heinz Schwans Siebchen liegen die toten Insekten kreuz und quer durcheinander.
Joachim Budde: "Das ist jetzt einfach nur ein schwarzer Haufen."
Heinz Schwan: "Ja."
"Sieht ein bisschen aus wie grob gemahlener Kaffeesatz."
"Ja, sehr grob gemahlen, ne? Ja."
Wenn Heinz Schwan zwischen zwei Tropfen Alkohol zehn Sekunden stoppt, ist das Insektenknäuel genau richtig abgetropft. Noch so ein Standard.
"Jetzt sehe ich nur 120,2 Gramm, nehme jetzt den Pulvertrichter wegen der größeren Öffnung, kippe das Sieb einfach um, jetzt knallt es ein bisschen, jetzt sind die Insekten alle raus, jetzt habe ich das Taragewicht vom feuchten Sieb, 98,3, die ziehe ich von 120,2 ab, dann habe ich das Nettogewicht dieser Probe."
21,9 Gramm Insekten - dabei sind es tausende Tiere von hunderten Arten. Und hunderte solcher Biomasse-Messungen sind in die inzwischen weltweit bekannte Studie eingeflossen. Dr. Martin Sorg, stellvertretender Vorsitzender des Entomologischen Vereins Krefeld, fasst die Ergebnisse zusammen.
"Bei den Biomassen ist es halt so, dass wir über die Analyse dieses Datensatzes über 96 Standortuntersuchungen eine Reduktion um ungefähr 76 Prozent festgestellt haben, Letzten Endes ist das dann schon eine gravierende Reduktion der Gesamtmenge der Insekten, die halt sich bezieht auf diesen langen Vergleichszeitraum."
Forscher fordern Biodiversitätsmonitoring
Die Ausdauer bei der Erhebung war der Schlüssel zum Erfolg.
"Das ist aus unserer Sicht eine schleichende Entwicklung, wir sehen keine deutlichen Trends, wenn wir nur wenige Jahre vergleichen, wir erkennen im Grunde dieses Phänomen in unseren Probensätzen erst, wenn wir in diese über Jahrzehnte gehenden Vergleiche der Untersuchungsergebnisse gehen."
Ich treffe Professor Wolfgang Wägele, den Leiter des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn.
Das Museum, das die meisten Menschen nur von der Ausstellung ausgestopfter Tiere kennen, ist ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Ich möchte mit Wägele über den Insektenschwund sprechen.
Joachim Budde: "Das hält sich ja jetzt schon ein halbes Jahr."
Wolfgang Wägele: "Ich merke auch, dass das Interesse groß ist. Ich werde immer wieder gebeten, Vorträge zu halten, und das zieht sich jetzt bis Ende des Jahres schon. Das ist gut."
"Das ist aus unserer Sicht eine schleichende Entwicklung, wir sehen keine deutlichen Trends, wenn wir nur wenige Jahre vergleichen, wir erkennen im Grunde dieses Phänomen in unseren Probensätzen erst, wenn wir in diese über Jahrzehnte gehenden Vergleiche der Untersuchungsergebnisse gehen."
Ich treffe Professor Wolfgang Wägele, den Leiter des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn.
Das Museum, das die meisten Menschen nur von der Ausstellung ausgestopfter Tiere kennen, ist ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Ich möchte mit Wägele über den Insektenschwund sprechen.
Joachim Budde: "Das hält sich ja jetzt schon ein halbes Jahr."
Wolfgang Wägele: "Ich merke auch, dass das Interesse groß ist. Ich werde immer wieder gebeten, Vorträge zu halten, und das zieht sich jetzt bis Ende des Jahres schon. Das ist gut."
Wolfgang Wägele fordert schon lange ein Biodiversitätsmonitoring. Auf den Konferenzen kann er dafür werben.
"Wir haben das Problem, dass wir nicht wirklich wissen, was in unserer biologischen Umwelt geschieht. Die Daten die regelmäßig veröffentlicht werden sind die Roten Listen, die vom Bundesamt für Naturschutz erarbeitet werden, und die zeigen: Inzwischen mehr als die Hälfte der Arten in Deutschland sind bedroht, aber wir wissen nicht genau, in welchen Lebensräumen die Arten abnehmen, wir können nicht analysieren, welches die Ursachen sind, wir brauchen viel präzisere Informationen. Die Daten, die im Herbst bekannt wurden, stammen nicht aus der akademischen Forschung, also von Forschungsinstituten, sie stammen nicht vom Bundesamt für Naturschutz, sondern von ehrenamtlich tätigen Insektenforschern, die in ihrer Freizeit jahrzehntelang Proben genommen haben. Ganz standardisiert und alles, was ihre Fanggeräte fingen, ausgewertet haben, und das ist etwas, was bisher noch niemand gemacht hat. Die Langzeitstudie beweist, dass wir dramatische Verluste erlitten haben, und zwar in Naturschutzgebieten, was völlig unerwartet war. Welche Folgen das hat für die ganze Nahrungskette, fürs ganze Ökosystem, wissen wir nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass die Pflanzen, die wild in der Natur blühen, darunter leiden, viele Tiere wie Vögel, Igel, Fledermäuse darunter leiden, aber wir können es nicht beweisen. Und noch weniger können wir beweisen, welche Umweltfaktoren oder Faktoren aus der Landwirtschaft diese Rückgänge verursacht haben."
Joachim Budde: "Warum nicht?"
"Nehmen wir das Beispiel Glyphosat: Diskutiert wurde bisher nur der Einfluss des Glyphosats auf die menschliche Gesundheit, also ist es krebserregend oder nicht. Was nicht diskutiert wurde, ist, ob dieses Mittel, das ja Pflanzenwachstum hemmt, auch in der Natur die Pflanzen am Ackerrand und vielleicht auch noch in größerer Entfernung zurückdrängt. Das bedeutet, dass die Blüten, von denen Schmetterlinge und Schwebfliegen und andere Tiere leben, möglicherweise auch seltener geworden sind. Und damit hat das Glyphosat einen Einfluss erstens auf das Überleben von Wildpflanzen und zweitens auf die Tiere, die von diesen Pflanzen abhängig sind. Und das sind nicht nur Insekten, sondern das sind auch Vögel, man denke an den Stieglitz, der an den Disteln Samen pickt, diese Organismen brauchen eine Vielfalt von Pflanzen. Und da hat das Glyphosat sehr wahrscheinlich einen Effekt, aber der ist nicht nachgewiesen. Ist nicht untersucht."
"Wir haben das Problem, dass wir nicht wirklich wissen, was in unserer biologischen Umwelt geschieht. Die Daten die regelmäßig veröffentlicht werden sind die Roten Listen, die vom Bundesamt für Naturschutz erarbeitet werden, und die zeigen: Inzwischen mehr als die Hälfte der Arten in Deutschland sind bedroht, aber wir wissen nicht genau, in welchen Lebensräumen die Arten abnehmen, wir können nicht analysieren, welches die Ursachen sind, wir brauchen viel präzisere Informationen. Die Daten, die im Herbst bekannt wurden, stammen nicht aus der akademischen Forschung, also von Forschungsinstituten, sie stammen nicht vom Bundesamt für Naturschutz, sondern von ehrenamtlich tätigen Insektenforschern, die in ihrer Freizeit jahrzehntelang Proben genommen haben. Ganz standardisiert und alles, was ihre Fanggeräte fingen, ausgewertet haben, und das ist etwas, was bisher noch niemand gemacht hat. Die Langzeitstudie beweist, dass wir dramatische Verluste erlitten haben, und zwar in Naturschutzgebieten, was völlig unerwartet war. Welche Folgen das hat für die ganze Nahrungskette, fürs ganze Ökosystem, wissen wir nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass die Pflanzen, die wild in der Natur blühen, darunter leiden, viele Tiere wie Vögel, Igel, Fledermäuse darunter leiden, aber wir können es nicht beweisen. Und noch weniger können wir beweisen, welche Umweltfaktoren oder Faktoren aus der Landwirtschaft diese Rückgänge verursacht haben."
Joachim Budde: "Warum nicht?"
"Nehmen wir das Beispiel Glyphosat: Diskutiert wurde bisher nur der Einfluss des Glyphosats auf die menschliche Gesundheit, also ist es krebserregend oder nicht. Was nicht diskutiert wurde, ist, ob dieses Mittel, das ja Pflanzenwachstum hemmt, auch in der Natur die Pflanzen am Ackerrand und vielleicht auch noch in größerer Entfernung zurückdrängt. Das bedeutet, dass die Blüten, von denen Schmetterlinge und Schwebfliegen und andere Tiere leben, möglicherweise auch seltener geworden sind. Und damit hat das Glyphosat einen Einfluss erstens auf das Überleben von Wildpflanzen und zweitens auf die Tiere, die von diesen Pflanzen abhängig sind. Und das sind nicht nur Insekten, sondern das sind auch Vögel, man denke an den Stieglitz, der an den Disteln Samen pickt, diese Organismen brauchen eine Vielfalt von Pflanzen. Und da hat das Glyphosat sehr wahrscheinlich einen Effekt, aber der ist nicht nachgewiesen. Ist nicht untersucht."
Forschungsgelder fehlen
"Inwiefern hat die akademische Forschung versagt?"
"Ich bin auch der Meinung, dass die akademische Forschung an der Stelle versagt hat, und das hat mehrere Ursachen. Zum einen sind die Universitäten darauf angewiesen, in einer begrenzten Zeit - das sind typischerweise drei Jahre - Ergebnisse zu produzieren, die sich in international anerkannten hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlichen lassen. Die Langzeitbeobachtung von Natur gehört nicht zu diesen Forschungsfeldern, die in kurzer Zeit spannende Ergebnisse liefern. Die Institute können sich das schlichtweg nicht leisten, zehn, 15 Jahre zu warten. Bis man Ergebnisse hat, und das, was man beobachtet, also beispielsweise, dass bestimmte Schmetterlingsarten verschwunden sind, ist nicht so spannend, dass eine Zeitschrift wie Nature oder Science das veröffentlichen würde. Deshalb sind diese Forschungsgebiete nicht attraktiv. Und Organisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft würden dafür auch kein Geld geben, das heißt, die Forschungsgelder fehlen."
"Ich bin auch der Meinung, dass die akademische Forschung an der Stelle versagt hat, und das hat mehrere Ursachen. Zum einen sind die Universitäten darauf angewiesen, in einer begrenzten Zeit - das sind typischerweise drei Jahre - Ergebnisse zu produzieren, die sich in international anerkannten hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlichen lassen. Die Langzeitbeobachtung von Natur gehört nicht zu diesen Forschungsfeldern, die in kurzer Zeit spannende Ergebnisse liefern. Die Institute können sich das schlichtweg nicht leisten, zehn, 15 Jahre zu warten. Bis man Ergebnisse hat, und das, was man beobachtet, also beispielsweise, dass bestimmte Schmetterlingsarten verschwunden sind, ist nicht so spannend, dass eine Zeitschrift wie Nature oder Science das veröffentlichen würde. Deshalb sind diese Forschungsgebiete nicht attraktiv. Und Organisationen wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft würden dafür auch kein Geld geben, das heißt, die Forschungsgelder fehlen."
Krefelder Entomologischer Verein - eine Institution
"Jetzt käme das Etikett wieder rein, der Deckel wieder drauf. Wir wollten die aber in die Schale mal schütten."
Heinz Schwan ist fertig mit Wiegen. Doch das ist lediglich ein erster Schritt. Es steckt noch viel mehr in den Insekten-Proben.
Joachim Budde: "Es ist ja in vielen Artikeln die ich gelesen habe von Hobby-Entomologen die Rede. Wenn ich mich jetzt hier so umgucke, scheint mir Hobby nicht so das genau passende Wort zu sein. Was halten Sie von dieser Bezeichnung?"
Martin Sorg: "Letzten Endes kann man nicht beeinflussen, wie man von Dritten bezeichnet wird. Der Entomologische Verein Krefeld existiert seit 1905 und ist eine Institution, die naturwissenschaftliche entomologische Tätigkeit in der Satzung festgeschrieben hat, das heißt, von der Struktur oder der Ausbildung der Mitglieder sind wir etwa zu einem Drittel Personen, die gleichzeitig eine naturwissenschaftliche Ausbildung an Universitäten durchlaufen haben. Und ein weiteres Drittel, kann man sagen, sind Personen, die in gleichem Maße qualifiziert sind, aber keine Ausbildung an einer Universität hatten, was aber bei vielen Entomologen es eigentlich so ist, dass die Hauptmenge an Kenntnissen und Fähigkeiten erworben wird in der Tätigkeit mit Insekten über lange Zeiträume. Das heißt, dass viele dieser Entomologen teilweise mehr publizieren in Fachzeitschriften als diejenigen, die zusätzlich eine universitäre Ausbildung hatten. Daneben haben wir halt auch noch ein letztes Drittel an Mitgliedern, die eigentlich dabei sind, sich einzuarbeiten."
Heinz Schwan ist fertig mit Wiegen. Doch das ist lediglich ein erster Schritt. Es steckt noch viel mehr in den Insekten-Proben.
Joachim Budde: "Es ist ja in vielen Artikeln die ich gelesen habe von Hobby-Entomologen die Rede. Wenn ich mich jetzt hier so umgucke, scheint mir Hobby nicht so das genau passende Wort zu sein. Was halten Sie von dieser Bezeichnung?"
Martin Sorg: "Letzten Endes kann man nicht beeinflussen, wie man von Dritten bezeichnet wird. Der Entomologische Verein Krefeld existiert seit 1905 und ist eine Institution, die naturwissenschaftliche entomologische Tätigkeit in der Satzung festgeschrieben hat, das heißt, von der Struktur oder der Ausbildung der Mitglieder sind wir etwa zu einem Drittel Personen, die gleichzeitig eine naturwissenschaftliche Ausbildung an Universitäten durchlaufen haben. Und ein weiteres Drittel, kann man sagen, sind Personen, die in gleichem Maße qualifiziert sind, aber keine Ausbildung an einer Universität hatten, was aber bei vielen Entomologen es eigentlich so ist, dass die Hauptmenge an Kenntnissen und Fähigkeiten erworben wird in der Tätigkeit mit Insekten über lange Zeiträume. Das heißt, dass viele dieser Entomologen teilweise mehr publizieren in Fachzeitschriften als diejenigen, die zusätzlich eine universitäre Ausbildung hatten. Daneben haben wir halt auch noch ein letztes Drittel an Mitgliedern, die eigentlich dabei sind, sich einzuarbeiten."
Einige Mitglieder haben zig neue Insektenarten in ihrem Spezialgebiet beschrieben. [...] Viele Mitglieder arbeiten an der Erstellung der Roten Listen für ihre Insektengruppe mit. Martin Sorg und seine Kollegen kooperieren schon lange mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen - auch dem Museum Koenig.
Martin Sorg: "Was neu ist, ist der Einstieg in diese Methodik der DNA-basierten Artenidentifikation, das ist halt noch keine 20 Jahre alt, aber auch da gibt es eigentlich schon seit vielen Jahren Mitglieder von uns, die halt auch im Beginn schon an dieser Aufklärung der Bezüge zwischen lateinischen Namen mit konventioneller Art-Bestimmungen und der Art-Bestimmung über Barcodes beteiligt waren. Vereinfacht: alles nicht neu."
Bei Barcoding-Projekten sequenzieren Forscher einzelne Gene und speichern sie in einer Datenbank. Doch um den genetischen Strichcode sicher einer bestimmten Art zuordnen zu können, muss jemand diese Art erst einmal zuverlässig bestimmen.
"Tagfalter. Heuschrecken. Libellen. Da gibt es eine sehr hohe Zahl von Entomologen, die halt diese artenärmeren Insektengruppen bearbeiten, während wir gerade bei den Zweiflüglern, bei den Diptera, und bei den Hautflüglern, den Hymenopthera halt eine sehr hohe Artenzahl haben, jeweils mehr als 9000 Arten für beide Insektenordnungen in Deutschland, und dem Gegenüber dort eigentlich die geringe Zahl der Entomologen."
Martin Sorg: "Was neu ist, ist der Einstieg in diese Methodik der DNA-basierten Artenidentifikation, das ist halt noch keine 20 Jahre alt, aber auch da gibt es eigentlich schon seit vielen Jahren Mitglieder von uns, die halt auch im Beginn schon an dieser Aufklärung der Bezüge zwischen lateinischen Namen mit konventioneller Art-Bestimmungen und der Art-Bestimmung über Barcodes beteiligt waren. Vereinfacht: alles nicht neu."
Bei Barcoding-Projekten sequenzieren Forscher einzelne Gene und speichern sie in einer Datenbank. Doch um den genetischen Strichcode sicher einer bestimmten Art zuordnen zu können, muss jemand diese Art erst einmal zuverlässig bestimmen.
"Tagfalter. Heuschrecken. Libellen. Da gibt es eine sehr hohe Zahl von Entomologen, die halt diese artenärmeren Insektengruppen bearbeiten, während wir gerade bei den Zweiflüglern, bei den Diptera, und bei den Hautflüglern, den Hymenopthera halt eine sehr hohe Artenzahl haben, jeweils mehr als 9000 Arten für beide Insektenordnungen in Deutschland, und dem Gegenüber dort eigentlich die geringe Zahl der Entomologen."
Barcoding-Methode wird immer wichtiger
Joachim Budde: "Sehen Sie Nachwuchsprobleme?"
"Ja. Das ist schon extrem. Also gerade jetzt, was die Entomologie betrifft, gibt es sehr große Probleme."
Heinz Schwan: "Jetzt kann man sehen, was alles in der Probe drin ist. Schmetterlinge, Tagfalter, Käfer, Hautflügler, Wespen habe ich gesehen. Das ist ja eine Probe von Anfang Mai, da ist noch nicht so ein breites Spektrum drin, aber hier sieht man einen Tagfalter."
Joachim Budde: "Was ist das?"
Heinz Schwan: "Ein Weißling."
"Da sind zwei Wespen."
"Ja. Ja hier sieht man dann Schlupfwespen, hier ist zum Beispiel eine, hier ist noch mal ein Käfer, es sind aber auch Wanzen drin. Ja. Hier hat man den ersten Eindruck, was drin sein könnte, und hier das wäre der Punkt, wo man anfängt, mit einer großen Lupe oder unter dem Binokular Punkt für Punkt zu sortieren und zu gucken, ob die Gruppen, die festgelegt sind, dass sie sortiert werden müssen, herausgesucht werden."
"Und dann kommt in jedes Schälchen zu den Spezialisten."
"Die kommen in eine Flasche mit Alkohol wieder, mit dem Original-Alkohol, und geht dann praktisch zu einem Spezialisten genau. Und der Alkohol könnte dann zum Barcoding gehen zum Beispiel. Die Insekten aber auch, ne?"
Barcoding - es sind solche Methoden, die für Museumsleiter Wolfgang Wägele immer wichtiger werden.
"Das Insektensterben hat gezeigt, dass die Methoden, mit denen bisher die biologische Umwelt untersucht wurde, nicht ausreichen."
Denn die klassischen Methoden sind sehr aufwendig.
"Da sieht man Menschen, die mit Ferngläsern Vögel beobachten, man sieht Menschen, die mit Schmetterlingsnetzen über die Wiesen gehen und Insekten fangen, wenn man die Insekten dann im Netz hat, muss man die zwangsläufig ins Labor bringen, und dann unter dem Mikroskop bestimmen. Die meisten Insekten sind so klein, dass ich sie nur unter dem Mikroskop unterscheiden kann."
Eine Arbeit, die lediglich Spezialisten leisten können. Für die Zukunft setzt Wolfgang Wägele auf Technik.
"Ja. Das ist schon extrem. Also gerade jetzt, was die Entomologie betrifft, gibt es sehr große Probleme."
Heinz Schwan: "Jetzt kann man sehen, was alles in der Probe drin ist. Schmetterlinge, Tagfalter, Käfer, Hautflügler, Wespen habe ich gesehen. Das ist ja eine Probe von Anfang Mai, da ist noch nicht so ein breites Spektrum drin, aber hier sieht man einen Tagfalter."
Joachim Budde: "Was ist das?"
Heinz Schwan: "Ein Weißling."
"Da sind zwei Wespen."
"Ja. Ja hier sieht man dann Schlupfwespen, hier ist zum Beispiel eine, hier ist noch mal ein Käfer, es sind aber auch Wanzen drin. Ja. Hier hat man den ersten Eindruck, was drin sein könnte, und hier das wäre der Punkt, wo man anfängt, mit einer großen Lupe oder unter dem Binokular Punkt für Punkt zu sortieren und zu gucken, ob die Gruppen, die festgelegt sind, dass sie sortiert werden müssen, herausgesucht werden."
"Und dann kommt in jedes Schälchen zu den Spezialisten."
"Die kommen in eine Flasche mit Alkohol wieder, mit dem Original-Alkohol, und geht dann praktisch zu einem Spezialisten genau. Und der Alkohol könnte dann zum Barcoding gehen zum Beispiel. Die Insekten aber auch, ne?"
Barcoding - es sind solche Methoden, die für Museumsleiter Wolfgang Wägele immer wichtiger werden.
"Das Insektensterben hat gezeigt, dass die Methoden, mit denen bisher die biologische Umwelt untersucht wurde, nicht ausreichen."
Denn die klassischen Methoden sind sehr aufwendig.
"Da sieht man Menschen, die mit Ferngläsern Vögel beobachten, man sieht Menschen, die mit Schmetterlingsnetzen über die Wiesen gehen und Insekten fangen, wenn man die Insekten dann im Netz hat, muss man die zwangsläufig ins Labor bringen, und dann unter dem Mikroskop bestimmen. Die meisten Insekten sind so klein, dass ich sie nur unter dem Mikroskop unterscheiden kann."
Eine Arbeit, die lediglich Spezialisten leisten können. Für die Zukunft setzt Wolfgang Wägele auf Technik.
"Das sind im Wesentlichen Datenbanken, in denen Informationen über Arten gespeichert werden. Dann aber auch in vermehrtem Maße Gendaten. Wir können die Tiere anhand ihrer Gene eindeutig erkennen, und wir haben inzwischen Methoden, die es uns ermöglichen, aus einem Glas, in dem zum Beispiel 300 verschiedene Insektenarten mit tausend Individuen enthalten sind, alle Arten zu erkennen, ohne dass irgendjemand die Tiere anfassen muss."
Analyse über Bioakustik
Das Museum Koenig arbeitet am German Barcode of Life Projekt mit. Die Biologen bestimmen Tier-, Pflanzen- und Pilzarten erst auf die klassische Manier und sequenzieren dann ein bestimmtes Gen in den Mitochondrien, das für jede Art einmalig ist. Die häufigsten Arten sind inzwischen in der Datenbank gespeichert. Doch noch immer wartet mehr als die Hälfte darauf, dieser Prozedur unterzogen zu werden.
Wolfgang Wägele: "Eine weitere Technik, die viel zu wenig eingesetzt wird, ist die Analyse von Geräuschen in der Landschaft. Wenn man jetzt gerade im Frühjahr durch Parks geht oder durch die Wiesen, dann ist die Luft voll von Geräuschen, das sind Vögel, später im Jahr kommen noch Heuschrecken dazu, und dann hört man Frösche und dergleichen. Man kann heute diese Geräusch-Landschaft automatisiert auswerten. Wenn man sich vorstellt, man hat in der Landschaft an verschiedenen Stellen Mikrofone aufgebaut, die Tag und Nacht Aufnahmen machen und die Signale an einen Computer senden, dann bekommen wir Listen über die Arten, die in verschiedenen Landschaften gleichzeitig aktiv sind. Damit ersparen wir uns ungeheuer viel Mühen."
Wolfgang Wägele: "Eine weitere Technik, die viel zu wenig eingesetzt wird, ist die Analyse von Geräuschen in der Landschaft. Wenn man jetzt gerade im Frühjahr durch Parks geht oder durch die Wiesen, dann ist die Luft voll von Geräuschen, das sind Vögel, später im Jahr kommen noch Heuschrecken dazu, und dann hört man Frösche und dergleichen. Man kann heute diese Geräusch-Landschaft automatisiert auswerten. Wenn man sich vorstellt, man hat in der Landschaft an verschiedenen Stellen Mikrofone aufgebaut, die Tag und Nacht Aufnahmen machen und die Signale an einen Computer senden, dann bekommen wir Listen über die Arten, die in verschiedenen Landschaften gleichzeitig aktiv sind. Damit ersparen wir uns ungeheuer viel Mühen."
Joachim Budde: "Das ist ja Bioakustik, da brauchen sie auch wieder Datenbanken. Wie komplett sind die denn?"
"Wir haben in Deutschland ein großes Tierstimmenarchiv, das pflegen Kollegen am Naturkundemuseum in Berlin, und wir müssen diese Datenbank unter dem Thema Digitalisierung weiterentwickeln. Bilderkennung spielt auch eine große Rolle in der Entwicklung. Wir haben zum Beispiel folgendes vor: Wenn man eine weiße Wand anstrahlt, dann sammeln sich auf dieser Wand die Nachtfalter. Wir bauen jetzt vor dieser Wand eine Kamera auf, die jede Nacht filmt, welche Motten sich dort niederlassen. Und dann werden diese Bilder auch wieder an einen Computer geschickt, der jede einzelne Motte isoliert und dann mit einer Datenbank abgleicht. Die können, wenn genügend Vergleichsdaten vorhanden sind, 80 bis 90 Prozent der Schmetterlingsarten automatisch unterscheiden. Und das ist schon ein sehr hoher Anteil. Die 10, 15 Prozent, die fehlen, die kann man bei großen Datenmengen unter Umständen sogar vernachlässigen."
"Wir haben in Deutschland ein großes Tierstimmenarchiv, das pflegen Kollegen am Naturkundemuseum in Berlin, und wir müssen diese Datenbank unter dem Thema Digitalisierung weiterentwickeln. Bilderkennung spielt auch eine große Rolle in der Entwicklung. Wir haben zum Beispiel folgendes vor: Wenn man eine weiße Wand anstrahlt, dann sammeln sich auf dieser Wand die Nachtfalter. Wir bauen jetzt vor dieser Wand eine Kamera auf, die jede Nacht filmt, welche Motten sich dort niederlassen. Und dann werden diese Bilder auch wieder an einen Computer geschickt, der jede einzelne Motte isoliert und dann mit einer Datenbank abgleicht. Die können, wenn genügend Vergleichsdaten vorhanden sind, 80 bis 90 Prozent der Schmetterlingsarten automatisch unterscheiden. Und das ist schon ein sehr hoher Anteil. Die 10, 15 Prozent, die fehlen, die kann man bei großen Datenmengen unter Umständen sogar vernachlässigen."
Insektenrückgang - ein schleichender, verborgener Prozess
Wolfgang Wägele fordert eine neue Forschungseinrichtung, wie es sie für die Klimaforschung bereits gibt.
"Entsprechendes brauchen wir auch für die biologische Umwelt. Denn die verändert sich zum Teil irreversibel. Also die Schäden, die entstehen, lassen sich manchmal nicht mehr beheben, wenn Arten ausgestorben sind, die sind für immer ausgestorben."
Joachim Budde: "Sie sind selber Landwirt gewesen. Sie haben, denke ich, immer noch viel Kontakt zu ihren Nachbarn und Kollegen. Wie sind denn Ihre Erfahrungen? Wir stehen jetzt hier mitten im Naturschutzgebiet, da vorne ist dieser Bach und wir werden hier von Mücken so ein bisschen aufgefressen. Also an Mücken scheint es jetzt nicht zu fehlen."
Paul Nothers: "Der Insektenrückgang geht ja schleichend. Früher hat sich keiner darum bemüht, überhaupt auf den Boden zu gucken und zu sehen. Es ist also etwas, was im Grunde genommen im Verborgenen läuft, und das müsste nach vorne gebracht werden. In die Öffentlichkeit. Und das passiert ja auch. Liegt aber auch an unserem Verhalten unserer Leute. Unserer Konsumenten. Die wenigsten können noch mit Insekten umgehen."
Joachim Budde: "Sie sind selber Landwirt gewesen. Sie haben, denke ich, immer noch viel Kontakt zu ihren Nachbarn und Kollegen. Wie sind denn Ihre Erfahrungen? Wir stehen jetzt hier mitten im Naturschutzgebiet, da vorne ist dieser Bach und wir werden hier von Mücken so ein bisschen aufgefressen. Also an Mücken scheint es jetzt nicht zu fehlen."
Paul Nothers: "Der Insektenrückgang geht ja schleichend. Früher hat sich keiner darum bemüht, überhaupt auf den Boden zu gucken und zu sehen. Es ist also etwas, was im Grunde genommen im Verborgenen läuft, und das müsste nach vorne gebracht werden. In die Öffentlichkeit. Und das passiert ja auch. Liegt aber auch an unserem Verhalten unserer Leute. Unserer Konsumenten. Die wenigsten können noch mit Insekten umgehen."
Joachim Budde: "Was heißt umgehen?"
"Umgehen heißt: Früher wusste man, die Insekten sind da. Früher wusste man, dass Bienen oder Wespen stechen. Heute - wie die Wespen sehr stark reduziert waren - freut sich jeder, dass er Kuchen draußen ohne Wespenbelästigung essen kann, also denkt man auch nicht weiter nach. Man merkt es erst - und das haben wir hier besonders gemerkt, wenn die Feldlerchen fehlen. Der Kibiz, das Ganze begann für mich so 2008. Und da merkten wir in der Jagd, dass irgendwas fehlt. Und nur wusste keiner erst was. Und erst, wenn man festgestellt hat, dass ein Fasan 14 Tage lang nur Insektenfutter braucht. Oder ein Rebhuhn drei Wochen. Da wurde man dann wach und sagte: 'Oh, vielleicht sind die verhungert.' Aber ehe der Gedankengang da ist und dann in eine Handlungsanweisung geht, dauert das bei uns schon ziemlich lange."
"Umgehen heißt: Früher wusste man, die Insekten sind da. Früher wusste man, dass Bienen oder Wespen stechen. Heute - wie die Wespen sehr stark reduziert waren - freut sich jeder, dass er Kuchen draußen ohne Wespenbelästigung essen kann, also denkt man auch nicht weiter nach. Man merkt es erst - und das haben wir hier besonders gemerkt, wenn die Feldlerchen fehlen. Der Kibiz, das Ganze begann für mich so 2008. Und da merkten wir in der Jagd, dass irgendwas fehlt. Und nur wusste keiner erst was. Und erst, wenn man festgestellt hat, dass ein Fasan 14 Tage lang nur Insektenfutter braucht. Oder ein Rebhuhn drei Wochen. Da wurde man dann wach und sagte: 'Oh, vielleicht sind die verhungert.' Aber ehe der Gedankengang da ist und dann in eine Handlungsanweisung geht, dauert das bei uns schon ziemlich lange."
Eine Studie als Weckruf
So wie Paul Nothers geht es vielen Menschen. Für sie waren die Berichte über die Studie der Krefelder Entomologen ein Weckruf. Zwar sind die Daten zum Insektenschwund aus Krefeld alles andere als perfekt. Aber es sind die besten Langzeitdaten, die es gibt. Und sie passen zu anderen Studien, etwa zu einzelnen Insektengattungen wie Schmetterlingen. Dass es vielen Insektenarten schlecht geht, zeigen aber schon die Roten Listen, für die das Bundesamt für Naturschutz mithilfe zahlreicher ehrenamtlicher Helfer dokumentiert, welche Tier- und Pflanzenarten bedroht sind - seit 40 Jahren, sagte Beate Jessel, die Präsidentin des BfN, unlängst:
"Die Roten Listen machen deshalb deutlich, das Ganze ist kein plötzlich eintretendes Ereignis, sondern es ist eine schon seit Langem laufende und einsetzende Entwicklung."
Die Bestände von mehr als 40 Prozent der Arten schrumpfen.
"Das wären zum Beispiel mit 96 Prozent - da ist es besonders dramatisch ausgeprägt - die Köcherfliegen sind ja für intakte Gewässer wichtig, und sie stellen gerade für Gewässer bewohnende Lebewesen eine wichtige Nahrungsgrundlage dar, überproportional betroffen sind auch die Ameisen, 61 Prozent Rückgang, Zikaden mit 52 Prozent oder die Laufkäfer mit 45 Prozent, das macht im Übrigen auch deutlich, dass nicht nur die fliegenden Insekten vom Rückgang betroffen sind."
"Die Roten Listen machen deshalb deutlich, das Ganze ist kein plötzlich eintretendes Ereignis, sondern es ist eine schon seit Langem laufende und einsetzende Entwicklung."
Die Bestände von mehr als 40 Prozent der Arten schrumpfen.
"Das wären zum Beispiel mit 96 Prozent - da ist es besonders dramatisch ausgeprägt - die Köcherfliegen sind ja für intakte Gewässer wichtig, und sie stellen gerade für Gewässer bewohnende Lebewesen eine wichtige Nahrungsgrundlage dar, überproportional betroffen sind auch die Ameisen, 61 Prozent Rückgang, Zikaden mit 52 Prozent oder die Laufkäfer mit 45 Prozent, das macht im Übrigen auch deutlich, dass nicht nur die fliegenden Insekten vom Rückgang betroffen sind."
Mit den Insekten schwinden die Vögel
Und die Verluste zeigen sich längst auch bei Tieren, die auf Insekten als Nahrung angewiesen sind - bei Vögeln zum Beispiel. Christoph Sudfeldt ist Geschäftsführer des Dachverbands Deutscher Avifaunisten, für den 6.000 ehrenamtliche Ornithologen seit Jahren deutschlandweit Daten zur Artenvielfalt der Vögel sammeln.
Christoph Sudfeldt: "Der Schwund von insektenfressenden Vogelarten ist schon lange nachweisbar in Deutschland. Der Großteil sind aber Vogelarten, die Kleininsekten fressen und Spinnentiere, das sind etwa knapp 100 Vogelarten in Deutschland, und da ist es so, dass vor zehn, fünfzehn Jahren ungefähr 30 Prozent der Vogelarten einen bestandsabnehmenden Trend zeigten, in den letzten zehn Jahren ist dieser Anteil schon auf über 50 Prozent angestiegen."
Feldlerche und Kiebitz sind zwei Beispiele für diese Entwicklung.
"Die Gründe für das Abnehmen von Vogelarten sind natürlich vielfältig. Vögel stehen schon fast am Ende der Nahrungskette, und bis dahin kann viel passieren."
Dass aber die intensive Landwirtschaft, der Pestizideinsatz, das Verschwinden von Ackerrändern und Hecken in der Landschaft einen großen Anteil daran haben, darin sind sich die Experten einig.
Christoph Sudfeldt: "Der Schwund von insektenfressenden Vogelarten ist schon lange nachweisbar in Deutschland. Der Großteil sind aber Vogelarten, die Kleininsekten fressen und Spinnentiere, das sind etwa knapp 100 Vogelarten in Deutschland, und da ist es so, dass vor zehn, fünfzehn Jahren ungefähr 30 Prozent der Vogelarten einen bestandsabnehmenden Trend zeigten, in den letzten zehn Jahren ist dieser Anteil schon auf über 50 Prozent angestiegen."
Feldlerche und Kiebitz sind zwei Beispiele für diese Entwicklung.
"Die Gründe für das Abnehmen von Vogelarten sind natürlich vielfältig. Vögel stehen schon fast am Ende der Nahrungskette, und bis dahin kann viel passieren."
Dass aber die intensive Landwirtschaft, der Pestizideinsatz, das Verschwinden von Ackerrändern und Hecken in der Landschaft einen großen Anteil daran haben, darin sind sich die Experten einig.
Kaum Unterstützung vom Staat
Die Bundesregierung hat im Lichte der Krefelder Studie gerade erst ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz ausgerufen. Nach konkreten Finanzzusagen sucht man allerdings vergeblich.
Wolfgang Wägele: "Im Grunde genommen ist es unfassbar, dass genau das, was das Besondere unseres Planeten ausmacht, nämlich das Leben, so vernachlässigt wird. Dass Forschungsmittel nur sehr zögernd dafür bereitgestellt werden, während parallel die Erforschung eines Meteoriten, der irgendwo draußen in Planetensystem herumschwirren den Geldgebern durchaus Milliarden wert ist. Diese Milliarden haben wir bisher für die Erforschung unserer biologischen Umwelt nicht bekommen."
Für Wolfgang Wägele vom Forschungsmuseums Koenig ist es höchste Zeit, etwas zu ändern. Was, das liegt auf der Hand.
"Ich wünsche meinen Kindern, dass sie solche Blumenwiesen selber noch einmal erleben können. Und dass sie dies reiche Vogelkonzert erleben können, das ist deutlich verarmt. Was wir heute hören. Wer den Unterschied nicht kennt, merkt das nicht. Es immer noch schön, wenn die Amsel singt, aber dass es die Möglichkeit gibt, dass 20 Vogelarten gleichzeitig singen, wissen viele unserer Mitbürger nicht. Es ist noch nicht zu spät, die Vogelarten sind noch da, sie leben woanders in geschützten Regionen, aber wenn wir es geschickt machen, wenn wir auch unsere privaten Gärten entsprechend gestalten, werden wir wieder einen reichen Frühling haben."
Für Wolfgang Wägele vom Forschungsmuseums Koenig ist es höchste Zeit, etwas zu ändern. Was, das liegt auf der Hand.
"Ich wünsche meinen Kindern, dass sie solche Blumenwiesen selber noch einmal erleben können. Und dass sie dies reiche Vogelkonzert erleben können, das ist deutlich verarmt. Was wir heute hören. Wer den Unterschied nicht kennt, merkt das nicht. Es immer noch schön, wenn die Amsel singt, aber dass es die Möglichkeit gibt, dass 20 Vogelarten gleichzeitig singen, wissen viele unserer Mitbürger nicht. Es ist noch nicht zu spät, die Vogelarten sind noch da, sie leben woanders in geschützten Regionen, aber wenn wir es geschickt machen, wenn wir auch unsere privaten Gärten entsprechend gestalten, werden wir wieder einen reichen Frühling haben."