"Dunkle Parks: Warum hat man in dunklen Parks Angst? Man kann in der Regel durch einen dunklen Park beruhigter gehen, als mit einem Fahrrad an einer viel befahrenen Straße entlang fahren, weil das sehr viel gefährlicher ist. Die Angst vor bestimmten Orten kommt zustande durch bestimmte gesellschaftliche mediale Erfahrungen über die Gefährlichkeit von Orten, die aber objektiv oft gar nicht gegeben ist oder unwahrscheinlich ist."
Das Gefühl von Unsicherheit beim nächtlichen Gang durch die Unterführung, die Angst vor Randale im Fußballstadion oder einem menschenleeren U-Bahn-Abteil kennen viele. Trotzdem gibt es keinen Ort, den alle Menschen gleichermaßen als sicher oder unsicher empfinden, sagt Manfred Rolfes. Der Humangeograf von der Universität Potsdam beschäftigt sich damit, wie die Gesellschaft über Unsicherheit und Risiken kommuniziert – und diese Gefühle auf städtische Räume überträgt.
"Und ich glaube, das ist bei ganz vielen unsicheren Orten so, dass wir eine ganz komplexe Gemengelage von Hintergründen haben, die Orte unsicher machen, weil Unsicherheit ja in erster Linie ein soziales Phänomen ist, was auch gesellschaftlich hervorgebracht wird und nicht durch Orte. Es konzentriert sich an Orten, wird an Orten sichtbar, aber die Ursachen für Unsicherheit liegen eher im Sozialen begründet: im gesellschaftlichen Umgang mit bestimmten Themen, beispielweise mit Integrationsdebatten. "
"Die Überraschung ist, dass es kein eindeutiges Muster gibt. Also es gibt Bahnhöfe und Bahnhofsumfelder, von denen man sagt, sie sind unsicherer geworden, aber es gibt genauso welche, von denen man sagt, sie sind sicherer geworden. Und so gilt das für viele andere Orte auch."
Erzählt Holger Floeting vom Deutschen Institut für Urbanistik. Auf der Tagung berichtete er von den ersten Ergebnissen einer großen Umfrage, an der rund 190 Kommunen mit jeweils mehr als 50.000 Einwohnern beteiligt waren. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Sicherheitsbilder die professionellen Akteure der Ordnungs- und Stadtplanungsämter entwickeln.
Der erste Eindruck: Selbst jene, die sich beruflich mit dem Thema beschäftigen, scheinen kein konsistentes Sicherheitsbild zu haben:
"Es gibt das professionelle Sicherheitsbild – und das persönliche dann trotzdem. Also Derjenige, der sich professionell mit dem Thema Sicherheit beschäftigt, das kann ja auch jemand sein, der sich wissenschaftlich damit beschäftigt, sagt: Professionell sind bestimmte Orte in der Stadt der Statistik nach sicher und das Risiko ist gering. Und trotzdem hat er im persönlichen Umgang mit diesem Thema vielleicht eine ganz andere Meinung. Er weiß, dass die eigene Mutter vielleicht eher unsicher im Raum umgeht und Probleme mit Belästigung im öffentlichen Raum hat. Er würde dem eigenen Kind die Empfehlung geben, bestimmte Räume zu meiden, auch wenn es objektiv vielleicht tatsächlich eher ein risikoarmer Raum ist."
Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten Sicherheitsparadoxon. Das subjektive Sicherheitsempfinden kann demnach nicht nur von der objektiven Kriminalitätslage abweichen. Die gefühlte und die reale (Un-)Sicherheit können sogar vollkommen entgegengesetzt zueinander sein:
"Oft sind unsichere Orte für Personen unsicher, die sich eigentlich gar nicht unsicher fühlen müssten, beispielsweise viele Senioren gehen nachts nicht mehr auf die Straße, weil sie sich da unsicher fühlen, obwohl die Straftatenzahlen hochgradig gering sind. Junge Männer haben überhaupt keine Angst, sich in Diskotheken zu begeben, obwohl sie da am häufigsten Opfer von Straftaten werden. Frauen fühlen sich zu Hause sehr sicher, wobei das der Ort ist, wo die meisten Vergewaltigungen stattfinden von Freunden und Bekannten."
Wie widersprüchlich das Thema Sicherheit bzw. Unsicherheit ist, zeigte sich auf der Tagung selber. So konstatierten die Veranstalter ein "zunehmendes Unsicherheitsgefühl von Bürgern im Umgang mit dem öffentlichen Raum". Und das, obwohl die Straßen- und Gewaltkriminalität abnehme – die Städte also sicherer würden.
Dennoch zeigen Beispiele, dass Großstadtbewohner sich weniger bedroht fühlen, als gemeinhin angenommen. Dietrich Henckel von der TU Berlin hat für ein Forschungsprojekt über subjektive Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr eine kleine Untersuchung durchgeführt. An drei Berliner S-Bahnhöfen erkundete der Professor für Stadt- und Regionalökonomie, wie die Stadt, die S-Bahn und die Fahrgäste auf Graffiti reagieren – und zeigt sich vom Ergebnis überrascht:
"Die gängige These ist, dass Graffiti das subjektive Unsicherheitsgefühl erhöht. Das konnte bei dieser Umfrage nicht bestätigt werden. Über 70 Prozent der Befragten sagen, dass Graffiti ihr Sicherheitsempfinden überhaupt nicht beeinflusst. Gleichzeitig sagen die Befragten aber, dass Graffiti sie stört und dass das beseitigt werden muss."
Henckel will auf die Ambivalenzen aufmerksam machen, die den Umgang mit der aufgesprühten Farbe prägen. So verdient nicht nur die Farbenindustrie, sondern auch die Reinigungsbranche nicht unerheblich an Graffiti. Weil sich an öffentlichen Orten wie S-Bahnhöfen die Verantwortlichkeiten überlagern, wird allerdings nur ein Teil der Farbe beseitigt. Ungeklärt ist bislang, wo sich Jugendliche mit der Spraydose verwirklichen können – nachdem sie in Jugendhäusern einen Graffitikurs besucht haben. Nicht zuletzt zeigt sich die Szene selber gespalten, sagt der Professor: in einen gewaltbereiten und einen künstlerisch-politischen Teil.
Wie aber entsteht in der Öffentlichkeit das Bild, Graffiti sei sicherheitsgefährdend? Die Experten verweisen auf die mediale Berichterstattung sowie auf gesellschaftliche und politische Diskurse, die den Blick etwa auf einen Ort lenken, darüber eine Geschichte erzählen - und ein Gefühl von Unsicherheit erst produzieren. Der Humangeograf Rolfes spricht von den "unbeabsichtigten Folgen absichtsvollen Handelns":
"Dass dann eben mal schnell über einen Berliner
Stadtteil berichtet wird, wo dann dieses oder jenes passiert ist, wo jemand auf offener Straße angefallen worden ist. Oder jetzt die Tatsache: Nehmen wir die Diskussion in den deutschen U-Bahnen, seit Videoüberwachungsanlagen eingeschaltet worden ist, ist quasi jeder Übergriff in der U-Bahn jetzt gleich ein Problem und stellt die Sicherheitslage in allen U-Bahnen infrage. Wobei ich mal davon ausgehe – ich kenne keine Zahlen – aber die überaus meisten Nutzer von S- und U-Bahn in deutschen Städten keine Probleme mit Sicherheit haben. Trotzdem ist jetzt dieser Ort, dieses Verkehrssystem, wird als unsicher gesehen."
Die vielen beteiligten Akteure müssten sich besser vernetzen. Erst dann könnten sie Prävention, Repression und Aushandlungsprozesse im Umgang mit Un-Sicherheit ausbalancieren, betonten die Wissenschaftler auf der Tagung.
Manfred Rolfes fordert einen ganzheitlichen Ansatz, um öffentliche Räume – gefühlt und real – sicherer zu machen:
"Auf der Tagung geht's ja viel um raumbezogene Präventionsmaßnahmen, und dazu gehört ja zum Beispiel Videoüberwachung, dazu gehören auch Betretungsverbote. Und ich glaube man muss sich einfach klar machen, wenn man so ein Problem räumlich anpackt und löst, dann verdrängt man es nur. Da sagen dann auch die Gemeindevertreter: Na gut, ich tue was an einer Stelle, an einem Ort gegen Kriminalität und dann taucht das Problem an einem anderen Ort wieder auf. Und das zeigt, dass man mit räumlichen Interventionen Probleme auch nur räumlich löst, aber nicht sozial lösen kann."
Das Gefühl von Unsicherheit beim nächtlichen Gang durch die Unterführung, die Angst vor Randale im Fußballstadion oder einem menschenleeren U-Bahn-Abteil kennen viele. Trotzdem gibt es keinen Ort, den alle Menschen gleichermaßen als sicher oder unsicher empfinden, sagt Manfred Rolfes. Der Humangeograf von der Universität Potsdam beschäftigt sich damit, wie die Gesellschaft über Unsicherheit und Risiken kommuniziert – und diese Gefühle auf städtische Räume überträgt.
"Und ich glaube, das ist bei ganz vielen unsicheren Orten so, dass wir eine ganz komplexe Gemengelage von Hintergründen haben, die Orte unsicher machen, weil Unsicherheit ja in erster Linie ein soziales Phänomen ist, was auch gesellschaftlich hervorgebracht wird und nicht durch Orte. Es konzentriert sich an Orten, wird an Orten sichtbar, aber die Ursachen für Unsicherheit liegen eher im Sozialen begründet: im gesellschaftlichen Umgang mit bestimmten Themen, beispielweise mit Integrationsdebatten. "
"Die Überraschung ist, dass es kein eindeutiges Muster gibt. Also es gibt Bahnhöfe und Bahnhofsumfelder, von denen man sagt, sie sind unsicherer geworden, aber es gibt genauso welche, von denen man sagt, sie sind sicherer geworden. Und so gilt das für viele andere Orte auch."
Erzählt Holger Floeting vom Deutschen Institut für Urbanistik. Auf der Tagung berichtete er von den ersten Ergebnissen einer großen Umfrage, an der rund 190 Kommunen mit jeweils mehr als 50.000 Einwohnern beteiligt waren. Im Mittelpunkt stand die Frage, welche Sicherheitsbilder die professionellen Akteure der Ordnungs- und Stadtplanungsämter entwickeln.
Der erste Eindruck: Selbst jene, die sich beruflich mit dem Thema beschäftigen, scheinen kein konsistentes Sicherheitsbild zu haben:
"Es gibt das professionelle Sicherheitsbild – und das persönliche dann trotzdem. Also Derjenige, der sich professionell mit dem Thema Sicherheit beschäftigt, das kann ja auch jemand sein, der sich wissenschaftlich damit beschäftigt, sagt: Professionell sind bestimmte Orte in der Stadt der Statistik nach sicher und das Risiko ist gering. Und trotzdem hat er im persönlichen Umgang mit diesem Thema vielleicht eine ganz andere Meinung. Er weiß, dass die eigene Mutter vielleicht eher unsicher im Raum umgeht und Probleme mit Belästigung im öffentlichen Raum hat. Er würde dem eigenen Kind die Empfehlung geben, bestimmte Räume zu meiden, auch wenn es objektiv vielleicht tatsächlich eher ein risikoarmer Raum ist."
Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten Sicherheitsparadoxon. Das subjektive Sicherheitsempfinden kann demnach nicht nur von der objektiven Kriminalitätslage abweichen. Die gefühlte und die reale (Un-)Sicherheit können sogar vollkommen entgegengesetzt zueinander sein:
"Oft sind unsichere Orte für Personen unsicher, die sich eigentlich gar nicht unsicher fühlen müssten, beispielsweise viele Senioren gehen nachts nicht mehr auf die Straße, weil sie sich da unsicher fühlen, obwohl die Straftatenzahlen hochgradig gering sind. Junge Männer haben überhaupt keine Angst, sich in Diskotheken zu begeben, obwohl sie da am häufigsten Opfer von Straftaten werden. Frauen fühlen sich zu Hause sehr sicher, wobei das der Ort ist, wo die meisten Vergewaltigungen stattfinden von Freunden und Bekannten."
Wie widersprüchlich das Thema Sicherheit bzw. Unsicherheit ist, zeigte sich auf der Tagung selber. So konstatierten die Veranstalter ein "zunehmendes Unsicherheitsgefühl von Bürgern im Umgang mit dem öffentlichen Raum". Und das, obwohl die Straßen- und Gewaltkriminalität abnehme – die Städte also sicherer würden.
Dennoch zeigen Beispiele, dass Großstadtbewohner sich weniger bedroht fühlen, als gemeinhin angenommen. Dietrich Henckel von der TU Berlin hat für ein Forschungsprojekt über subjektive Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr eine kleine Untersuchung durchgeführt. An drei Berliner S-Bahnhöfen erkundete der Professor für Stadt- und Regionalökonomie, wie die Stadt, die S-Bahn und die Fahrgäste auf Graffiti reagieren – und zeigt sich vom Ergebnis überrascht:
"Die gängige These ist, dass Graffiti das subjektive Unsicherheitsgefühl erhöht. Das konnte bei dieser Umfrage nicht bestätigt werden. Über 70 Prozent der Befragten sagen, dass Graffiti ihr Sicherheitsempfinden überhaupt nicht beeinflusst. Gleichzeitig sagen die Befragten aber, dass Graffiti sie stört und dass das beseitigt werden muss."
Henckel will auf die Ambivalenzen aufmerksam machen, die den Umgang mit der aufgesprühten Farbe prägen. So verdient nicht nur die Farbenindustrie, sondern auch die Reinigungsbranche nicht unerheblich an Graffiti. Weil sich an öffentlichen Orten wie S-Bahnhöfen die Verantwortlichkeiten überlagern, wird allerdings nur ein Teil der Farbe beseitigt. Ungeklärt ist bislang, wo sich Jugendliche mit der Spraydose verwirklichen können – nachdem sie in Jugendhäusern einen Graffitikurs besucht haben. Nicht zuletzt zeigt sich die Szene selber gespalten, sagt der Professor: in einen gewaltbereiten und einen künstlerisch-politischen Teil.
Wie aber entsteht in der Öffentlichkeit das Bild, Graffiti sei sicherheitsgefährdend? Die Experten verweisen auf die mediale Berichterstattung sowie auf gesellschaftliche und politische Diskurse, die den Blick etwa auf einen Ort lenken, darüber eine Geschichte erzählen - und ein Gefühl von Unsicherheit erst produzieren. Der Humangeograf Rolfes spricht von den "unbeabsichtigten Folgen absichtsvollen Handelns":
"Dass dann eben mal schnell über einen Berliner
Stadtteil berichtet wird, wo dann dieses oder jenes passiert ist, wo jemand auf offener Straße angefallen worden ist. Oder jetzt die Tatsache: Nehmen wir die Diskussion in den deutschen U-Bahnen, seit Videoüberwachungsanlagen eingeschaltet worden ist, ist quasi jeder Übergriff in der U-Bahn jetzt gleich ein Problem und stellt die Sicherheitslage in allen U-Bahnen infrage. Wobei ich mal davon ausgehe – ich kenne keine Zahlen – aber die überaus meisten Nutzer von S- und U-Bahn in deutschen Städten keine Probleme mit Sicherheit haben. Trotzdem ist jetzt dieser Ort, dieses Verkehrssystem, wird als unsicher gesehen."
Die vielen beteiligten Akteure müssten sich besser vernetzen. Erst dann könnten sie Prävention, Repression und Aushandlungsprozesse im Umgang mit Un-Sicherheit ausbalancieren, betonten die Wissenschaftler auf der Tagung.
Manfred Rolfes fordert einen ganzheitlichen Ansatz, um öffentliche Räume – gefühlt und real – sicherer zu machen:
"Auf der Tagung geht's ja viel um raumbezogene Präventionsmaßnahmen, und dazu gehört ja zum Beispiel Videoüberwachung, dazu gehören auch Betretungsverbote. Und ich glaube man muss sich einfach klar machen, wenn man so ein Problem räumlich anpackt und löst, dann verdrängt man es nur. Da sagen dann auch die Gemeindevertreter: Na gut, ich tue was an einer Stelle, an einem Ort gegen Kriminalität und dann taucht das Problem an einem anderen Ort wieder auf. Und das zeigt, dass man mit räumlichen Interventionen Probleme auch nur räumlich löst, aber nicht sozial lösen kann."