Die Architektur des Hochhauses mitten im hektischen Zentrum von Angolas Hauptstadt Luanda ist hochsymbolisch: 20 Stockwerke Macht, Einfluss und Undurchschaubarkeit aus Stahl und grün verspiegeltem Glas.
Auf dem zentralen, runden Turm ist eine Art Stahlkrone aufgesetzt. Das erinnert ein wenig an die Freiheitsstatue in New York.
In großen schwarzen Lettern auf gelbem Grund steht Sonangol. Der grau-grüne Kasten ist die Zentrale der "Sociedade Nacional de Combustíveis de Angola". In einem Werbevideo beweihräuchert sich der Konzern selbst:
"Sonangol ist ein Staatsunternehm mit 11.000 Mitarbeitern. Wir sind eine der besten Ölfirmen überhaupt und streben in eine noch bessere Zukunft. Hand in Hand mit den Angolanern".
Konzern mit 90 Tochterunternehmen
Der Staatskonzern ist zuständig für die Ausbeutung der angolanischen Öl- und Gas-Vorkommen. Und die sind riesig – Angola ist der größte Ölproduzent des afrikanischen Kontinents.
Rund um diese Kernkompetenz hat Sonangol ein weit verzweigtes Imperium geschaffen. Mehr als 90 Tochterunternehmen betreiben Raffinerien, Tankstellen, eine Reederei, Transportfirmen, einen Telekommunikationsanbieter und eine eigene Fluglinie.
Während des Ölbooms machte der Konzern über 30 Milliarden Euro Jahresumsatz. Jetzt, wo der Ölpreis deutlich gefallen ist, sind es noch etwa 13 Milliarden. Doch trotz dieser Umsatzdelle: Ohne Sonangol, das letztes Jahr seinen 40. Geburtstag gefeiert hat, läuft in Angola nichts, sagt Claudia Gastrow von der Universität Johannesburg.
"Sonangol ist das Herz der angolanischen Wirtschaft. Praktisch alles, was die angolanische Wirtschaft an Reichtum ansammelt, läuft über Sonangol".
Elite reißt sich Naturressourcen unter den Nagel
Doch so sehr sich Sonangol um die Entwicklung der angolanischen Ölindustrie verdient gemacht hat, so umstritten ist der Konzern. Er gilt als Musterbeispiel für einen intransparenten Staatsbetrieb, mit dessen Hilfe die politische Elite sich die Naturressourcen eines Landes unter den Nagel reißt.
Vor knapp sechs Jahren hat der Internationale Währungsfonds herausgefunden, dass alleine zwischen 2007 und 2010 knapp 30 Milliarden Euro Öleinnahmen aus der angolanischen Staatskasse verschwunden sind.
Nach und nach sind große Teile des Geldes wieder aufgetaucht. Zumindest fast. Laut der angolanischen Regierung habe Sonangol mit dem Geld quasi-staatliche Aufgaben übernommen. Zum Beispiel Infrastrukturprojekte finanziert. Das Problem ist nur: Es gibt keine korrekten Nachweise für die Ausgaben. Alles ist an der staatlichen Haushaltskontrolle vorbeigegangen. Sonangol – ein Staat im Staate.
Außerdem haben Journalisten herausgefunden, dass von ausländischen Treuhandkonten Sonangols Milliarden abgezogen wurden. Teilweise seien sie auf Konten gelandet, die Präsident José Eduardo dos Santos und seiner Machtclique zugeschrieben werden.
Tochter des Präsidenten ist jetzt Chefin
Dos Santos, der seit 38 Jahren an der Macht ist, führt Sonangol wie einen Familienbetrieb. Im vergangenen Jahr hat er den gesamten Vorstand rasiert und seine Tochter Isabel als neue Chefin eingesetzt. Sie solle das Unternehmen effizienter machen und zurück zu seinen Wurzeln Öl und Gas führen, wie Isabel Dos Santos im März während einer Energiekonferenz in den USA sagte.
"Sonangol hat ein Erbe. Seit unserer Gründung haben wir immer eine Schlüsselrolle in Angola gespielt. Wir mussten manchmal einspringen und Aufgaben übernehmen, die eigentlich die der Regierung sind. Projekte für Wohnungsbau, Erziehung, Gesundheit oder sogar Landwirtschaft. Dadurch haben wir ein sehr breites Portfolio. Es ist sehr wichtig, dass wir uns wieder auf unser Kerngeschäft konzentrieren – auf Öl und Gas".
Zweiter Auftrag für Isabel Dos Santos: Sie soll Sonangol transparenter machen. Ob das klappt, darf man bezweifeln. Bis heute ist nicht wirklich klar, wie Isabel, laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes mehrfache Dollar-Milliardärin, an ihr Vermögen gelangt ist, sagt Claudia Gastrow.
"Ihre Anhänger werden natürlich sagen, dass sie eine gute Geschäftsfrau ist. Die meisten Beobachter werden eher sagen, dass sie als Präsidententochter ihre Verbindungen genutzt hat, um viele lukrative Deals abzuschließen".
Geschäftstüchtige "Prinzessin"
In Angola hat die öffentlichkeitsscheue 44jährige Präsidententochter deshalb den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Prinzessin". Sie ist an unzähligen Unternehmen beteiligt: Telekommunikation, Medien, Finanzen, Energie, Diamanten – kaum ein Wirtschaftszweig, bei dem die dynamische Geschäftsfrau nicht mitmischt.
Geschäftstüchtig ist sie: Mit sechs Jahren hat sie Eier verkauft – so erzählt sie es zumindest selbst. Eine Geschichte, bei der die Angolaner nur müde lächeln können. Mit 24 wurde sie Teilhaberin am Strand-Club "Miami Beach" in Luanda. Dann begann ihr märchenhafter Aufstieg zur reichsten Frau Afrikas. Jetzt also Sonangol-Chefin.
Öl-Kleptokratie wird Angola häufig genannt. Und mit der Neu-Besetzung des Topjobs beim staatlichen Öl-Konzern Sonangol hat Präsident Dos Santos diesem Namen alle Ehre gemacht, meint Claudia Gastrow von der Universität Johannesburg. Ein deutlicheres Zeichen für Vetternwirtschaft könne man sich kaum vorstellen.