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Insolvente Fluglinie
Was wurde aus Air Berlin?

Vor einem halben Jahr ging Air Berlin Pleite. Um die Insolvenzmasse wurde heftig gepokert. Flugzeuge sowie Start- und Landerechte sicherten sich unter anderem die Lufthansa, Easyjet und Niki Lauda. Auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen begann eine Zeit mit erheblichen Turbulenzen.

Von Dieter Nürnberger |
    Eine Maschine der ehemaligen Fluglinie "Air Berlin" startet am 2. Januar 2018 in Berlin am Flughafen Tegel. Das Flugzeug hat nach der Insolvenz der Fluggesellsachaft den Besitzer gewechselt, wurde aber bisher nicht umlackiert.
    Eine Maschine der ehemaligen Fluglinie "Air Berlin" startet am 2. Januar 2018 in Berlin am Flughafen Tegel. Das Flugzeug hat nach der Insolvenz der Fluggesellsachaft den Besitzer gewechselt, wurde aber bisher nicht umlackiert. (picture alliance / Paul Zinken/dpa)
    Es war eine der größten Unternehmenspleiten in der europäischen Luftfahrtgeschichte. Allerdings kam das Aus für Air Berlin nicht unbedingt überraschend. Die bis dahin zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft war hochverschuldet, sie schrieb seit Jahren überwiegend rote Zahlen. Vor einem halben Jahr am 15. August 2017 kam das Aus:
    "Dies ist ein trauriger Tag für Air Berlin. Wir haben heute Insolvenz angemeldet."
    Air Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann musste handeln. Denn kurz zuvor hatte Etihad Airways, der größte Hauptaktionär und Geldgeber die Reißleine gezogen. Winkelmann war vorher beim deutschen Marktführer, der Lufthansa, gewesen. Retten konnte der Manager Air Berlin nicht. Doch dank eines 150 Millionen-Euro-Überbrückungskredits durch die bundeseigene KfW-Bank zumindest die sofortige Einstellung des Flugbetriebs verhindern. Staatliches Geld - sinnvoll angelegt, sagte damals auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD).
    "Wir vermeiden also eine Einstellung des Flugbetriebs durch die Gewährung der Bürgschaft."
    Und danach bekam der Poker um die Unternehmensanteile von Air Berlin. Heute weiß man, auch die Lufthansa saß damals bei den Verhandlungen im Wirtschaftsministerium schon mit am Tisch - und sie galt als erster Käufer, trotz wettbewerbsrechtlicher Bedenken. Auch andere Fluggesellschaften wie die Billig-Airlines Easyjet und Ryanair oder auch Reiseveranstalter wie Thomas Cook zeigten Interesse. Doch recht schnell stand fest - ein Großteil der Air-Berlin-Flugzeuge und der attraktiven Start- und Landerechte sollten an den Marktführer Lufthansa gehen. Michael O'Leary, der stets unterhaltsame Ryanair-Chef nahm deshalb kein Blatt vor den Mund:
    "Oh God. How to say again? Ein abgekartetes Spiel."
    Im Oktober einigte man sich: Die Lufthansa und deren Tochter Eurowings sollten die Air-Berlin Tochterunternehmen Niki und LGW sowie 20 Maschinen für 210 Millionen Euro übernehmen. Auch Easyjet konnte zukaufen: 25 Maschinen für 40 Millionen. Der Börsenkurs des Marktführers Lufthansa ging nach oben und ein selbstbewusster Lufthansa-Chef vor die Presse - Carsten Spohr:
    "Ja, das ist ein großer Schritt für die Eurowings. Wir müssen dafür sorgen, dass es auch in Europa schlagkräftige und globale Spieler gibt."
    Somit alles geregelt, dachte man. Am 27. Oktober jedenfalls, kurz vor Mitternacht, landete die letzte Maschine von Air Berlin auf dem Flughafen Tegel. Tausende - Schaulustige und Mitarbeiter - waren gekommen, um dabei zu sein. Trauer bei vielen. Flugbegleiterin Anna Herzog kämpfte mit den Tränen:
    "Wir sind natürlich zutiefst erschüttert und traurig. Wir sind deswegen auch alle hierhergekommen, um diesen Flug herzlich willkommen zu heißen. Es tut einfach in der Seele weh, dass dieses ganze Projekt Air Berlin gescheitert ist. Meiner Meinung nach auch durch Geldgier von allen Seiten. Wir sind diejenigen, die darunter leiden müssen und fallengelassen werden."
    Unsichere Zeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
    Für viele der rund 8.000 Mitarbeiter begann eine unsichere Zeit. Werden sie von den Käufern übernommen, wenn ja zu welchen Konditionen? Andreas Splanemann ist Sprecher der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Ein halbes Jahr nach der Insolvenz zieht er eine eher bittere Bilanz:
    "Wir hätten uns sehr gewünscht, wenn die großen Bieter in diesem ganzen Verfahren von vornherein bestrebt gewesen wären, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Aber das Hauptinteresse galt den Slots, den Start- und Landerechten. Und einer Auswahl von Personal. Man wollte das Personal neu einstellen und dabei natürlich auswählen. Betriebsübergänge wären fairer gewesen."
    Knapp 2.000 der einst 8.000 Mitarbeiter konnten direkt übernommen werden, etwa 3.000 konnten durch Neubewerbung bei einer anderen Fluggesellschaft oder bei einem Käufer landen. Rund 1.800 Mitarbeiter, überwiegend Technik- und Bodenpersonal, können derzeit in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zumindest ein halbes Jahr überbrücken.
    Die Flieger von Air Berlin sind seit Ende Oktober Historie, doch die Geschichte ging weiter. Im Dezember genehmigte die EU-Kommission den von Easyjet geplanten Teil der Übernahme, die Lufthansa jedoch musste ihr Angebot wegen der ablehnenden Haltung der Kommission zurückziehen. Noch am selben Tag musste deshalb Air-Berlin-Unternehmenstochter Niki Insolvenz anmelden und den Flugbetrieb einstellen.
    Eine Flugbegleiterin der Fluggesellschaft Air Berlin winkt am 27. Oktober 2017 auf dem Flughafen in München weiteren Mitarbeitern der Airline vor dem letzten Flug zur Verabschiedung.
    Eine Flugbegleiterin der Fluggesellschaft Air Berlin winkt am 27. Oktober 2017 auf dem Flughafen in München weiteren Mitarbeitern der Airline vor dem letzten Flug zur Verabschiedung. (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Der Poker ging weiter. Es musste sogar ein neues Insolvenzverfahren eröffnet werden, diesmal in Österreich. Am Ende machte ausgerechnet Niki Lauda das Rennen - der ehemalige Formel-1-Weltmeister hatte Niki einst gegründet und später an Air Berlin verkauft.
    Die Insolvenz von Air Berlin wirkt bis heute nach: Zwischendurch stiegen auf vielen Strecken die Flugpreise. Das Nachsehen hatten auch zehntausende Kunden, die schon weit im Voraus Tickets erworben hatten und auf keine Erstattung hoffen können, weil sie in der Insolvenz-Gläubigerschlange ganz am Ende stehen. Durch den Verkaufs-Hickhack ist zudem die Rückzahlung des staatlichen Bürgschaftskredits weiterhin ungewiss.
    Die Pleite hat für Turbulenzen gesorgt - und am Ende bleibt wohl nur die Erinnerung an die weiß-roten Maschinen, die 38 Jahre in die weite Welt flogen.