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Inspiration vom Finanzamt
Die Leiden des jungen Mahler

Die Termine am Finanzamt lieferten Nicolas Mahler den Impuls, autobiografische Themen zu zeichnen. Die zuständige Beamtin machte den Comiczeichner nämlich offiziell zum Künstler.

Von Paul Lohberger |
    Das Bundesministerium für Finanzen in Wien, Österreich.
    Das Bundesministerium für Finanzen in Wien, Österreich. (imago / Chromorange)
    Die Termine bei seiner zuständigen Beamtin am Finanzamt lieferten Nicolas Mahler den Impuls, autobiografische Themen zu zeichnen. Mit den ersten Erfolgen wurde der Zeichner Anfang der Nullerjahre umsatzsteuerpflichtig. So stellte sich die Frage, ob für ihn der günstige Umsatzsteuersatz für Künstler zulässig wäre.
    "Sie ist drauf gekommen, dass ich kein anerkannter Künstler bin – ich hatte keine entsprechende Ausbildung und keinen Nachweis. Und Comics, meinte sie wortwörtlich, wären ja keine Kunst. Sie war aber nett und hat mir angeboten, meine Werke vorzulegen, damit sie sich das anschaut. Und dann, hab ich gefragt, entscheiden sie, ob das Kunst ist oder nicht? - Ja, circa so."
    Reduktion als Stilmittel
    Die Beamtin, eine gewisse Frau Goldgruber, wurde mit einem seltsamen Stil konfrontiert: Figuren ohne Gesichter, Schwarz auf Weiß. Sie haben nur eine lange Nase. Dort, wo die abbiegt, sitzt eine Frisur, eine Brille oder ein Hut. Auch stilisierte Kleider dienen der Charakterisierung. Diese Reduktion kontrastiert Nicolas Mahler mit großen Textfeldern. Damit hatte er damals seinen Stil gefunden.
    "Ich hab lange gebraucht, bis ich entschlossen habe, dass ich nicht alles zeichnen muss, ich muss nicht so mühsam zeichnen wie am Anfang – ich bin ja auch nicht der tolle Zeichner, der alles zeichnen kann, und hab um einen elaborierten Stil gekämpft. Bis ich gemerkt habe, es zwingt mich keiner, das hat acht Jahre gebraucht."
    "Das wird schon irgendwie Kunst sein"
    Vermarktung per Internet war damals noch kein großes Thema. Nicolas Mahler war mit seiner Mappe durch die Redaktionen gezogen, hatte Zeitungen und Magazine mit Illustrationen versorgt, und nun hatte er erste Heftchen vorzuzeigen. Sein Traum waren Comics in Buchform.
    "Dann bin ich hingekommen und habe meine komischen Hefte ausgepackt, die möglichst unkommerziell ausgesehen haben, die hat sie sich durchgeschaut. Und ich hab gesagt, Frau Goldgruber, können Sie sich vorstellen, dass ich damit reich werde, dass das ich in der Werbung Fuß fassen kann? – Eher weniger. Dann hat sie überlegt und gesagt, wissen Sie was, das wird schon irgendwie Kunst sein."
    Im Freundeskreis ausprobiert
    Genau solche Geschichten hat Nicolas Mahler als Comic umgesetzt, und zwar, so dass es tatsächlich unterhaltsam ist. Der Begriff Graphic Novel trifft voll zu, denn es gibt sehr viel Text. Ob eine Geschichte funktioniert, probierte Nicolas Mahler durch Erzählen in seinem Freundeskreis aus.
    "Das sind Geschichten, wie man sie am Wirtshaustisch erzählt: Also inhaltlich sehr elaboriert, ausgewalzt, teilweise. Wenn mir das dann zu fad war, hab ich Geschichten ohne Worte gezeichnet. Viel Text ist blöd, ich muss ja alles mit der Hand reinschreiben, das ist oft mühsamer als das Zeichnen."
    So entstanden drei Bücher, die nun zu einem zusammengefasst sind: Die Goldgruber Chroniken, nach der impulsgebenden Beamtin. Es geht hier auch um andere Episoden, wie den Zollbeamten, der frisch gedruckte Comics an der Grenze abschätzig begutachtet, den Ärger über das Förderwesen im Zuge einer Filmproduktion, oder die chaotische Steuerberaterin.
    Erfolg in Frankreich
    Der Humor ist nicht unbedingt zum Brüllen, eher subtil, entfaltete aber seine Wirkung. Die Kunsttheorie der Finanzbeamtin ebnete für Nicolas Mahler den Weg zu vielen weiteren Comic Büchern.
    "Diese autobiografischen Geschichten, da hatte ich zuerst Hemmungen, wen interessiert das? Aber die Geschichte mit der Finanzbeamtin fand ich gut, habe es gezeichnet, und ich habe es dann auf Französich publiziert, und das Lustige war: Es hat sogar die Franzosen interessiert, was die Finanzbeamtin in Wien über Comics sagt, das hat mich schon erstaunt. Aber in Frankreich war das mein erfolgreichstes Buch."