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Inspirator oder Ideologe?

Am 28. Februar 1986 wurde Schwedens Ministerpräsident Olof Palme in Stockholm erschossen. Der Fall ist bis heute nicht geklärt. Der Politiker prägte Schweden: Das Land stand schon zu seiner Regierungszeit für geringe Einkommensunterschiede und einen starken Sozialstaat.

Von Marc-Christoph Wagner | 28.02.2011
    Alltag in der Stockholmer Innenstadt. Langsam bahnen sich die Autos ihren Weg, Passanten eilen vorbei, selbst die Gedenktafel, die an den Mord an Olof Palme hier auf Sveavägen erinnert, ist von Schnee und Eis bedeckt. Auch 25 Jahre danach ist der Täter noch immer nicht gefunden.

    O-Ton Passant: #"Natürlich ist es nicht hinnehmbar, dass der Mord an unserem Regierungschef nicht aufgeklärt ist. Man kann über Olof Palme denken, was man will, aber er war unser demokratisch gewählter Ministerpräsident. Da darf so etwas einfach nicht passieren."
    Jahrelang verdeckte der unaufgeklärte Mord die Sicht auf den Politiker Olof Palme. Jetzt, nach einem Vierteljahrhundert aber beginnen die Schweden, sich mehr und mehr mit dem politischen Erbe ihres charismatischen Regierungschefs auseinanderzusetzen.

    O-Ton Passantin: "Vielleicht war er kein Idol, aber er war ein großer Politiker, der sehr viel bewegte. Ja, ein spannender Mann!"

    O-Ton Passant: "Palme war sehr kontrovers. Ich selbst bin kein Fan von ihm und denke, viele der Probleme, die wir in den 90er-Jahren hatten, wurden von der Regierung Palme geschaffen. Ich glaube, heute fiele es ihm schwer, seinen Heiligenstatus zu verteidigen."

    Entweder man verehrt oder man hasst Palme – dieses Motto scheint auch 25 Jahre nach seinem Tod noch zu gelten. Wenig überrascht über diese Polarisierung zeigt sich Jens Orback, Leiter des Internationalen Olof Palme Zentrums in Stockholm:

    "Er benutzte eine sehr bildliche Sprache, seine Polemik war oftmals sehr provozierend. Sowohl in der Opposition wie als Ministerpräsident verdeutlichte er die Unterschiede in der Politik. Auf diese Weise macht man sich nicht immer populär."

    Doch gerade diese Eigenschaft gehört für die amtierende Vorsitzende der schwedischen Sozialdemokraten, Mona Sahlin, zum politischen Erbe Olof Palmes. Er habe Visionen formuliert und versucht, die Menschen von diesen zu überzeugen:

    "Wir sind nicht allein Politiker, um den Menschen nach dem Mund zu reden, damit sie uns wählen, sondern wir sind Politiker, um die Gesellschaft zu verändern. Nur diejenigen, die man entweder liebt oder hasst, hinterlassen auch einen Eindruck."

    Für den Publizisten Göran Greider, der am heutigen Jahrestag ein Buch mit dem vielsagenden Titel "Niemand kommt um Olof Palme" herum veröffentlicht, liegen die Dinge ähnlich. Gewiss, sagt er, der Politiker Palme war mit allen Wasser gewaschen, seine Ziele habe er immer wieder auch rücksichtlos verfolgt. Dennoch sei es ihm gelungen, die Menschen für Politik und Gemeinwesen zu engagieren:
    "Wir alle haben ein politisches Wesen in uns, das sich danach sehnt, Teil eines größeren Ganzen zu sein und nicht nur eigene Interessen zu verfolgen. Die heutigen Politiker hingegen versuchen eher, uns Bürger zu stutzen – uns auf die Rolle von Steuerzahlern, Sozialhilfeempfängern und dergleichen zu reduzieren. Im Gegensatz zu Palme sind sie Technokraten, wenn es hoch kommt eine Ansammlung von sozialen Ingenieuren."

    Doch kann man sich Palme als Politiker heute noch vorstellen? Nein, sagt der konservative Außenminister Carl Bildt, dieser gehöre in eine vergangene Epoche, allein sein internationales Engagement sei hervorzuheben. Und auch der Zeithistoriker Kjell Östberg, der die erste zweibändige Biografie über den Politiker Olof Palme verfasst hat, ist skeptisch:

    "Palme steht für das größte Reformprojekt, das ein Land je durchgeführt hat. In den 1970er-Jahren wuchs der Sozialstaat unter ihm in noch nie da gewesener Form. Der Anteil der öffentlichen Hand am Bruttosozialprodukt stieg innerhalb eines Jahrzehnts um 50 Prozent. Es war gigantisch."

    Und auch der Schriftsteller Per Olov Enquist, der Palme gut kannte, hat seine Zweifel, ob dieser in einer Zeit, die eher durch Privatisierung und von einem neoliberalen Zeitgeist geprägt ist, an der Spitze der Regierung hätte stehen können beziehungsweise stehen wollen:

    "Palme war ein typischer Vertreter des Glaubens an den ungebrochenen Fortschritt und das ewige Wachstum, das die 50er-, 60er- und 70er-Jahre prägte. Aber man stelle ihn sich heute vor. Ich denke, da wäre eine Menge Sand im Getriebe."