Anika Meier: "Genau. Wer auf Instagram unterwegs ist, dem ist sicherlich schon aufgefallen, dass man ganz oft liest: ‚Link in Bio‘. Weil auf Twitter kann man Links setzen, aber in Instagram ist das nicht möglich. Und wenn man möchte, dass die Leute auf einen Link klicken und die Plattform verlassen, geht das nur über einen Link in der Bio. Und die Bio ist das Profil."
Erklärt Kuratorin Anika Meier den originellen Titel der Leipziger Ausstellung: "Link in Bio - Kunst nach den sozialen Medien". Als wäre mit dem Smartphone und damit zusammenhängendem Gedöns eine neue Kunstepoche angebrochen und die Links in Bio gerade noch die letzte Fährte zu Künstlerinnen und Künstlern in echt; zu den Menschen, die sich zum Beispiel hinter Instagram-Profilen mit Follower-Zahlen im Millionenbereich verbergen? Indes: Kunst von Influencern auf Instagram ist manchen suspekt oder gar keine Kunst?
"Mir war wichtig: Wenn man KünstlerInnen dieser Generationen zeigt, die auf Instagram sind, bedeutet das nicht, dass man Instagram ausdruckt und ins Museum hängt."
Malen nach dem Insta-Burnout
Der Horizont ist weit in dieser Ausstellung; fängt an bei der Installation, beziehungsweise Inszenierung eines Internet-Cafés. Von Aram Bartholl. Kaum mehr erinnert man sich: Wie es war, in engen Holzkabinen zu sitzen, um ins Internet zu gehen. Das ist gerade einmal zehn, fünfzehn Jahre her. Der Ausstellungsparcours wird später enden mit K.I.-Kunst und dem gerade ausgerufenen "Post Digital Pop"; und spiegelt insgesamt die rasante Entwicklung der Technik in den letzten Jahren und wie das auch das soziale Miteinander geprägt hat. Durch Instagram "groß" geworden ist zum Beispiel der Berliner Andy Kassier:
"Also meine gesamte Arbeit hat eigentlich den Kontext, dass ich eine erfolgreiche Person gespielt habe auf Instagram und diese einen Burnout hatte und jetzt malt."
Andy Kassier steht persönlich im Museum und performt, wie er malt: nur noch Bilder im "pinkesten Pink", wie er sagt. Dabei trägt er Pyjama: die Inszenierung einer privaten Apokalypse. Und was nach dem Trauma kommt.
"Die perfekte Welt ist gebrochen mittlerweile. Es geht auch darum, sozusagen authentisch zu sein und Fehler zu zeigen, und nicht nur noch Leistung zu zeigen, sondern auch, dass man vielleicht schwach sein kann."
Und dass digitale Abstinenz auch nicht die Lösung ist. "Link in Bio" versammelt - enorm vielfältig - Künstlerpersönlichkeiten, die quasi hybrid leben und arbeiten, online und offline, und die eine Welt nicht gegen die andere ausspielen.
Spiel mit dem exhibitionistischen Modus
Arvida Byström: "Uh. A bit over 200.000 ..."
Gut 200.000 Follower hat die Schwedin Arvida Byström auf Instagram. Nichts Besonderes, sagt sie; wenn man seit etlichen Jahren netzwerkt, von Blogs über Tumblr, nach Instagram. In Leipzig bespielt sie eine riesige Wand mit erstmal zuckersüßen und "glossy" - bildschirmmäßig gut aussehenden - Arbeiten. Frauen und Blumen in Fleischpink räkeln sich, manches hart an der Grenze zum Softporno. Aber der exhibitionistische Modus, der ja einigen Instagram-Celebrities nachgesagt wird: Den bedient sie nur vordergründig.
Arvida Byström: "A monologue how Tech companies try to disembody themselves by using words like ´the cloud´."
Körper sind inzwischen guckbare Ware, sagt sie; Internetkonzerne machen Geld daraus. Und überhaupt: Die Cloud, wer ist das? Arvida Byström sieht "die Cloud" als perfides Tool, um letztendlich an unsere Persönlichkeiten ranzukommen: ein Link zur Bio! Und außerdem macht es ihr großen Spaß, mal wieder ganz klassisch einen Museumsraum zu bespielen.
Das zieht sich durch die ganze Ausstellung: Vordergründig, ästhetisch, wird hier mit Bildern, Screens und Skulpturen gekachelt wie auf Instagram, mit allem, was "nice", "awesome" und teilbar ist. Und inhaltlich geht es dann in die Abgründe und ist mehr als der Output der Generation "Instagram-Künstler", die mit dem eigenen Karma hadert. Bis hin zur Bildschirmarbeit mit Kamera, die nicht nur Besucher zählt, sondern Emotionen in Gesichtern lesen kann. Lachende oder gelangweilte Emojis, interaktiv und in Echtzeit produziert, je nachdem, ob´s gefällt oder nicht. Das ist wohl State of the Art.
Und Kunst überhaupt: Kuratorin Anika Meier gelingt es überzeugend, angesichts der vielen Kunstetiketten, die derzeit herumschwirren, von Post Digital Pop bis Social Media Art, da mal Ordnung, Struktur und Verlinkungen herauszuarbeiten. Sodass sich Nischen- und Zusatzetiketten wie "Medien-Kunst" oder "Digitale Kunst" letztendlich erübrigen. Kunst ist Kunst ist Kunst! Unbedingt empfehlenswert!