Nora Imlau ist Journalistin und Autorin und sie ist sicher: Die liberale Community der bindungsorientierten Eltern hat ein Problem – und das ist eine Offenheit für rechte bis rechtsextreme Thesen.
"Das ist tatsächlich etwas, was ich auch beobachte. Das ist etwas, worüber ich vor Jahren angefangen habe zu schreiben. Das ist keine neue Entdeckung."
Vor etwa 15 Jahren hat Nora Imlau gemeinsam mit anderen Eltern das Konzept der bindungsorientierten Erziehung in Deutschland populär gemacht. Es besagt, dass Kinder vor allem Nähe und sichere Bindungen brauchen, um gut aufzuwachsen. Die Community auf Instagram erlebt sie als wertvollen digitalen Raum für Austausch. Aber immer wieder fallen Nora Imlau Formulierungen auf, die sie stutzig machen.
Fokus auf Instagram
"Es hat tatsächlich damit angefangen, dass in der Community von ganz normalen Menschen, die eben in entsprechenden Facebook-Gruppen, Foren, Email-Verteilern drin waren, Positionen geteilt wurden, die nicht offen ausländerfeindlich waren, aber die eben an faschistische Narrative angeknüpft haben. Wäre es nicht sinnvoll, wenn unsere Politik anstatt Flüchtlingen so viel Geld zu geben, unsere Hebammen retten würde."
Rechte bis rechtsextreme Akteure finden Themen, an die sie anknüpfen können, in verschiedensten Online-Communities. Aktuell sei die Plattform Instagram aber besonders wichtig, sagt der Journalist Arne Steinberg.
"Einerseits ist Instagram natürlich sehr beliebt, hat sehr hohe Nutzungszahlen, und der andere Grund ist, dass Instagram eben eine spezielle Wirkweise hat, die über Grafiken und Bilder funktioniert. Und die werden natürlich von Menschen ganz anders konsumiert als Textinhalte - viel schneller, viel eindrücklicher. Und ich glaube, diese beiden Fakten hat man sich zunutze gemacht, um eben Strategien zu entwickeln, dass Instagram eben auch durch rechte bis rechtsextreme Ideologie beeinflusst werden kann."
"Nicht sofort zu erkennen"
Arne Steinberg ist Teil eines Rechercheteams von Correctiv und hat kürzlich untersucht, wie Accounts, die etwa der rechtsextremen Identitären Bewegung nahestehen, Communities auf Instagram unterwandern. Zum Teil passiere das sehr subtil.
"Ich glaube nicht, dass es sofort zu erkennen ist, dass es sich dabei um Rechte bis rechtsextreme Inhalte handelt."
Inhalte und Botschaften seien oft kodiert. Statt offen rechtsextreme Parolen zu posten, würden Begriffe wie Heimatliebe benutzt. Das mache es für Instagram besonders schwer, rechtsextreme Inhalte zu löschen.
Rechte Influencer testen auch die Akzeptanz ihrer Botschaften in Communities aus, etwa über die Reaktionen auf Storys, die nach 24 Stunden wieder gelöscht werden.
Frauen spielen zentrale Rolle
"Das heißt also, dass diese Story-Funktion so ein bisschen wie eine Angel dient, um eben zu schauen: wer reagiert. Wer reagiert positiv? Ist bei dieser Person die Ideologie schon gefestigt? Oder kann man da eventuell noch was machen, so dass eben daraufhin die Gruppen, ja sich auch ihren Nachwuchs so ein bisschen heranziehen.
Laut Steinberg spielen dabei Accounts und Bilder von Frauen eine zentrale Rolle, denn schöne Bilder schöner Menschen passen nicht nur gut ins Netzwerk, sie lassen rechtsextreme Aussagen weniger bedrohlich wirken. Zu sehen sind dann Bilder, wie sie ganz häufig sind in der Community: Kinder, Natur, Familien. Die Botschaften dagegen, erzählt Nora Imlau, verbreiten Skepsis gegenüber Kitas, Impfungen und Schulsystem. Und gerade junge Mütter können dafür sehr anfällig sein, glaubt die Autorin.
"Viele junge Frauen sitzen alleine zuhause viele viele Stunden am Tag mit ihren Babies oder Kleinkindern mit denen sie nicht in dem Sinne reden können, sind ganz viel allein und sehnen sich nach Austausch. Und ihr Handy haben sie immer in der Hosentasche."
Netzwerk in die Pflicht nehmen
Auch ihr selbst hat Instagram in solchen Zeiten stark geholfen. Doch dass hier versucht wird, rechtsextreme Einflussnahme zu üben, das sei vielen bisher nicht klar gewesen. Wer genau hinter dieser Einflussnahme steht, ist noch nicht eindeutig belegt. Arne Steinberg vermutet aber gezielte Kampagnen.
"Ich habe noch nicht genau rausgefunden, wer tatsächlich die Leute im Hintergrund sind. Aber da gibt es natürlich die üblichen Verdächtigen. Und ich denke schon, dass dort auch im Zusammenspiel mit den einzelnen Gruppierungen klar festgelegt wird, wie sich Einzelpersonen auf Instagram präsentieren sollen. Also, da wissen wir auch von Schulungen, die stattgefunden haben, das ist schon eine gewisse strategische Komponente, die dahinter steht."
Arne Steinberg hofft, dass Instagram härter gegen solche Inhalte durchgreift. Nora Imlau sieht dagegen ihre eigene Community in der Pflicht, sich stärker gegen rechtsextreme Inhalte abzugrenzen.
Wie vor Einflussnahme schützen?
"Das ist etwas, was ich mir insgesamt mehr von der Community wünsche, eine Reflektion der eigenen Privilegien und eine Solidarität, eine explizit ausgesprochene Solidarität mit allen Menschen, die auch andere Entscheidungen treffen als wir."
Denn nur wenn Communities, die Offenheit und Akzeptanz hochhalten, verstehen, dass diese Offenheit von rechtsextremen Strömungen ausgenutzt wird, können sie sich vor dieser Einflussnahme schützen.
Anmerkung der Redaktion:
Ausgangspunkt für diesen Beitrag war Anne Dittmanns Artikel in der "Welt".
Mit ihren Aussagen sorgt Nora Imlau zurzeit durchaus auch für Kontroversen in der Eltern-Community. Die Debatte über diese mutmaßliche rechte Einflussnahme läuft also noch sehr aktiv in der Community. Ihren Text dazu können Sie sich gerne in ihrem Blog durchlesen, er heißt "Falsche Freunde". Und die Recherche von Correctiv heißt im Übrigen "Kein Filter für Rechts", auch das sehr interessant und lohnenswert, wenn Sie Zeit zum Lesen finden.