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Installation von Anish Kapoor in Portugal
Sprung ins schwarze Loch

Kunst spielt gern mit Illusionen und den Erwartungen ihrer Betrachter. Ein Museumsbesucher in Portugal erwartete vor Anish Kapoors Installation "Abstieg ins Fegefeuer" offenbar nicht, dass es sich dabei um ein echtes schwarzes Loch handelte. Er sprang kurzerhand hinein und verschwand.

Von Rayk Wieland |
    Die Installation "Descent into Limbo", Abstieg in die Unterwelt, des zeitgenössichen Künstlers Anish Kapoor im Serralves Museum in Porto, Portugal (Ausstellung Juli 2018 to Januar 2019)
    Anish Kapoors Installation "Descent into Limbo" im Serralves Museum in Porto, Portugal (imago / Rita Franca)
    Im Jahr 2004 hat Stephen Hawking eine Wette verloren. Es ging um ein Schwarzes Loch und die Frage, was passiert, wenn man dort eine Aktentasche hineinwirft. Hawking war der Ansicht, dass man die Tasche vergessen könne, sie sei weg. Sein Kollege, John Preskill, hielt dagegen und meinte, dass sie doch in irgendeiner Form irgendwo bleiben müsse, was schließlich mit sehr komplizierten Gleichungen bewiesen werden konnte. Wetteinsatz damals war übrigens eine Baseball-Enzyklopädie.
    Abstieg in die Unterwelt
    Vor ein paar Tagen verschwand erneut etwas in einem Schwarzen Loch. Keine Aktentasche, sondern ein Museumsbesucher. Das Schwarze Loch stammt vom britischen Künstler Anish Kapoor und ist Teil seiner Installation mit dem Titel "Descent into Limbo", Abstieg in die Unterwelt. Es ist in den Boden des Serralves Museums in Porto eingelassen und so schwarz, ohne jede Lichtreflektion, das es wie eine Fläche erscheinen kann.
    Verantwortlich dafür ist ein Material namens Vantablack, das schwärzeste Farbpigment der Welt, das Kapoor verwendet hat. Der Besucher, ein 60-jähriger Italiener, glaubte, es handele sich tatsächlich nur um einen Farbfleck, und ließ sich von Warnschildern und der Aufsicht nicht davon abhalten, hineinzuspringen.
    Probe aufs Exempel
    Man darf annehmen, dass noch mehr Warnhinweise und Sicherheitspersonal den Mann nur in seinem Verdacht bestätigt hätten, es hier mit einer besonders raffinierten Simulation zu tun zu haben. Wir leben im Zeitalter von Fake News, in dem jeder nur das glaubt, was er ohnehin schon weiß. Widersprechende Fakten sind in diesen verschwörungstheoretischen Dynamiken nur ein Beleg dafür, dass etwas nicht stimmen kann.
    Immer wieder mal werden in Museen ja Kunstobjekte mit Realien verwechselt. Man denke an die Putzfrauen, die Werke von Joseph Beuys und Martin Kippenberger entsorgt haben. Selten geht es in die andere Richtung, dass jemand ein Loch in der Wand oder einen Stuhl in der Ecke zum Kunstobjekt erklärt. Noch seltener ist, dass er gleich an Ort und Stelle die Probe aufs Exempel macht.
    Verrohung der Sitten und Mangel an Phantasie
    Kunstwerke, zumal im Museum, gehören in der Regel zu Spezies der Unberührbaren. Niemand greift in Rembrandts "Nachtwache" einem Mann im Bild an den Kopf, um zu testen, ob sein Hut nicht vielleicht nur aufgemalt ist. Dass der Besucher in Porto, um seine Vermutung zu testen, Kapoors Abgrund gleich besprungen hat, bezeugt eine, sagen wir, deutliche Verrohung der Sitten und sicher auch einen Mangel an Phantasie. Er hätte ja auch vorsichtig einen Finger in den Boden senken oder ein Geldstück hineinwerfen können.
    Freier Fall von etwa 2,40 Meter
    Und damit kommen wir zum vielleicht beunruhigensten Teil der Geschichte. Offenbar hat der Mann gar nicht in Erwägung gezogen, dass es sich hier um ein echtes schwarzes Loch handeln könnte, das ja bekanntlich in der Lage ist, ganze Galaxien verschwinden zu lassen inklusive alle Sonnen, Planeten, Städte, Museen und Museumsbesucher gleich mit. Oder sollte er tatsächlich seinen Mut zusammengenommen haben, um in einem kühnen Selbstversuch die eingangs erwähnte Wette von Stephen Hawking zu überprüfen?
    Dann Chapeau und Hut ab vor diesem Abenteurer, der den Meldungen zufolge hier aber auch nicht für immer verschwunden, sondern nach einem freiem Fall von etwa 2,40 Meter leicht ramponiert in einem Krankenhaus gelandet ist. Stephen Hawking, ist anzunehmen, hätte das nicht gefallen.