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Institut für Zeitgeschichte
Umstrittene Veröffentlichung von "Mein Kampf"

In den vergangenen drei Jahren hat ein Historikerteam an der kritischen Edition von Hitlers "Mein Kampf" gearbeitet. Herausgekommen sind zwei Bände mit zahlreichen sorgfältig ausgewählten Kommentaren. Bei der Vorstellung des Nachdrucks durch das Institut für Zeitgeschichte mussten die Wissenschaftler erklären, warum das folgenreiche Buch in diesem Aufwand editiert werden musste.

Von Susanne Lettenbauer |
    Da ist es nun: das dickleibige Werk. Zwei Bände in vornehmes graues Leinen gebunden. Packt man die zwei Bücher aus dem Schuber aus, liegen sie schwer in der Hand. Mit den 22 mal 28 Zentimetern Ausmaßen nichts für zwischendurch in der U- oder Straßenbahn. Eher schon passend für Uni- und Akademikerbibliotheken. Eine klassische wissenschaftliche Publikation. Die Präsentation durch Projektleiter Christian Hartmann im Institut für Zeitgeschichte glich denn gestern auch eher einer Vorlesung als einer Pressekonferenz:
    "Sie sehen hier zunächst mal den originalen Textkorpus mit der damals auch schon existenten Kopfzeile, dann umgeben, wir sagen manchmal auch umzingelt, von unsere Anmerkungen und schließlich rechts am Rand die Textvarianten von sechs weiteren ausgewählten Auflagen, das ist der editorische Hauptteil."
    Über 2.000 Seiten in 27 Kapiteln haben das sechsköpfige Historikerteam um Christian Hartmann in den vergangenen drei Jahren zusammengeschrieben. 800 davon stammen aus dem Original von Hitlers Hetzschrift. Gut 3.500 sorgfältig ausgewählte Anmerkungen stehen neben den heute schwer verständlichen Ergüssen Hitlers, in einem noch sorgfältiger gewählten Layout. Neutrale Schrift, keine Fraktur, optisch soll nichts in der kritischen Edition an die millionenfach ans deutsche Volk verteilte Schrift erinnern. Für Bildungspolitiker wie Isabell Zaccharias ist die Veröffentlichung ein großer Tag, vor allem im Hinblick auf den heutigen Rechtsruck in Europa:
    "Es ist die höchste Zeit, dass wir in allen Schulen Bayerns, in Deutschland, in Europa ein Unterrichtsmaterial haben, welches den Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit bietet, sich mit diesem Neonazi, rechtem Gedankengut auseinanderzusetzen und dass ein Nie wieder auch nie wieder passiert."
    Werk längst im Netz verfügbar
    Das Unbehagen an einem Nachdruck von "Mein Kampf", ausgerechnet in Deutschland, ist bei den Behörden im Freistaat groß. Angefangen vom Kultusministerium, bis zum Finanz- und Justizministerium. Auch gestern wieder mussten die Historiker erklären, warum diese Neuauflage nun wichtig ist, warum das folgenreichste Buch des 20. Jahrhunderts mit diesem Aufwand ediert werden musste, trotz massiver Kritik auch vonseiten der jüdischen Opferverbände. Christian Hartmann:
    "Naja gut, das Buch ist ja vor 90 Jahren entstanden, es geht zunächst erstmal um Erklärung, es geht aber natürlich auch um Bewertung und Einordnung. Das Problem bei diesem Buch ist ja, es ist nicht nur eine historische Quelle, sondern auch ein Symbol. Und unsere Idee war, dieses Symbol ein für alle Mal abzutragen. "
    Längst sei das Werk im Internet verfügbar, im Ausland liege es unkommentiert auf dem Grabbeltisch neben Büchern von Mao Zedong und Lenin. Die Entmystifizierung von Hitlers Hauptwerk sei längst überfällig gewesen, unterstützte gestern der britische Historiker und Hitlerbiograf Ian Kershaw persönlich seine Münchner Kollegen:
    "Ich habe seit Jahren die Aufhebung des Veröffentlichungsverbots für längst überfällig betrachtet. Eine Zensur ist in einer freien Gesellschaft auf die Dauer zwecklos und trägt auf die Dauer nur dazu bei, einen negativen Mythos zu schaffen, das Mysteriöse an einem verbotenen Text zu erhöhen und eine unvermeidbare Faszination an dem Unzugänglichen zu erwecken."
    Im bayerischen Kultusministerium versucht man, die Bedeutung der kritischen Edition für die Schulen herunterzuspielen. Für den Geschichtsunterricht gäbe es längst genügend Material, sagt Ministeriumssprecher Ludwig Unger:
    "Es ist eine von vielen aussagefähigen Quellen zum Dritten Reich. Das Dritte Reich ist ja nicht nur eine Geschichte Hitlers, sondern Hitler steht ja für dieses System der Unterdrückung, aber es war ja kein monolithisches System."
    Derzeit werde gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung eine Fortbildung für Multiplikatoren, für Fachbereichsleiter für Geschichte und Sozialkunde vorbereitet, so Unger. Eine Handreichung soll die kritische Edition begleiten. Ob die Schulen nun das Werk anschaffen oder nicht, dass wolle man nicht bestimmen.