Große Aufregung bei den Münchener Philharmonikern: Sie sollten in der legendären Carnegie Hall ein Gastspiel geben, doch am Flughafen in New York wurden sie aufgehalten. Der Grund: Es fehlten wichtige Einreise-Dokumente. Nicht die der Musiker, sondern ihrer Instrumente. Seit Anfang 2014 gelten neue Artenschutzrichtlinien. Sie schließen viele tropische und subtropische Holzarten ein, die vom Aussterben bedroht sind. Ohne einen Herkunftsnachweis dürfen sie nicht ein- und ausgeführt werden - ob als Rohmaterial oder fertig verarbeitet. Pech für die Münchener Musiker mit ihren Geigengriffbrettern aus Ebenholz und Bögen aus Pernambuk.
"Es gibt Holzarten wie Ebenholz-Arten zum Beispiel, die schon seit 1994 auf der Roten Liste der IUCN steht, und seitdem verschärft es sich laufend fort, so dass jetzt in den Jahren 2013 zum Beispiel bis heute weitere dreistellige Artenzahlen hinzugekommen sind. Es gibt ja drei Schutzstufen, eins, zwei und drei, eins ist die höchste, und in den letzten, ja man kann sagen mindestens zehn Jahren, sind immer mehr Hölzer in immer höhere Schutzstufen hinaufgestuft worden und das wurde gar nicht richtig wahrgenommen."
Geigenbauern gingen die Rohstoffe aus
Oliver Kläusler ist Wissenschaftler an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA bei Zürich. Dass er sich jetzt mit geschützten Holzarten und Musikinstrumenten beschäftigt, ist eine neuere Entwicklung. 2013 kamen erstmals Geigenbauer auf ihn zu und baten ihn um Hilfe. Die zunehmende Verschärfung des internationalen Artenschutzabkommens CITES führte dazu, dass ihnen die Rohstoffe ausgingen.
"Das Problem ist, dass die entsprechenden tropischen und subtropischen Hölzer nicht nachhaltig genutzt werden, und das schon seit vielen Jahrzehnten, so dass eigentlich jetzt schon viele Bestände sehr, sehr weit – ja, man kann sagen ausgeschlachtet sind – und das führt dazu, dass sich die Beschaffungsproblematik jetzt mehr und mehr verschärft."
Edelhölzer gelten immer noch als Non-Plus-Ultra
Die Problematik ist bei Instrumentenbauern seit Jahrzehnten zwar bekannt, doch die Edelhölzer gelten bei vielen immer noch als Non-Plus-Ultra. Alternative Werkstoffe wie Holz-Plastik-Komposite oder Carbon überzeugen die Profi-Musiker oft nicht. Kläusler suchte deshalb nach einer Methode, europäische Holzarten so zu bearbeiten, dass sie den Ansprüchen der Geigenbauer genügen. Ihr Austauschmaterial sollte eine vergleichbare Holzdichte und genauso gute Klangeigenschaften haben wie die gefährdeten Holzarten. Die Kommunikation zwischen Naturwissenschaftlern und Musikern war allerdings eine Herausforderung, berichtet Kläusler.
"Wir haben einerseits diesen hohen Nachhaltigkeitsanspruch, den wir unbedingt erfüllen wollen und müssen, für unser neues Material. Und zweitens müssen wir die Anforderungen der Instrumentenbauer gut verstehen. Und es ist halt so – wie es häufig so ist – ein Instrumentenbauer beschreibt den Klang eines Instrumentes wie er einen Wein beschreiben würde, und wir von der Holzforschung versuchen das dann mehr oder weniger physikalisch in messbare Größen zu übersetzen."
Experimente mit verschiedenen europäischen Hölzern
Die Forscher experimentierten mit verschiedenen europäischen Hölzern und entwickelten ein Verfahren, um sie zu modifizieren. Der Rohstoff wird zunächst in eine wässrige Lösung eingelegt, anschließend getrocknet und mit einem Heißpressverfahren komprimiert. So lässt sich gezielt die gewünschte Holzdichte einstellen und auch andere Parameter, wie die Farbe oder die Schallgeschwindigkeit im Material. Doch nicht jedes Holz eignet sich für jedes Instrument
"Interessanterweise sind diese Holzarten alle anatomisch, physikalisch, mechanisch unterschiedlich und dadurch beeinflussen sie den Klang auch unterschiedlich. Und dann kann man, wenn man diese Palette mal kennt, sich ausrichten auf die entsprechenden Musikinstrumenten-Anforderungen. Denn am Ende werden wir höchstwahrscheinlich für den Ersatz von Grenadill zum Beispiel für einen Klarinettenbau oder Oboenbau eine andere heimische Holzart verwenden als wir es für den Ersatz des Ebenholzes auf einem Violinengriffbrett tun werden."
Klangeigenschaften werden in Einzelfällen sogar übertroffen
Das Ziel der Forscher: die sogenannten Raubbau-Hölzer schrittweise zu ersetzen. Statt des bedrohten Ebenholzes kann nun zum Beispiel Schweizer Bergahorn verwendet werden. Doch wie klingt der Schweizer Ebenholz-Ersatz? Überzeugt das Ergebnis auch anspruchsvolle Ohren?
"Wir haben am meisten Erfahrungen jetzt gesammelt mit Geigenbauern und Cellistinnen und Cellisten. Und die sagen uns, dass wir mit unserem Material doch die Klangeigenschaften des Ebenholzes erreichen - in Einzelfällen sogar übertreffen. Und jetzt müssen wir noch genauer rausfinden, was genau dazu führt, dass wir in Einzelfällen sogar besser abschneiden in Hörtests als das natürliche Ebenholz – damit wir das noch besser herauskitzeln können."
"Wir haben am meisten Erfahrungen jetzt gesammelt mit Geigenbauern und Cellistinnen und Cellisten. Und die sagen uns, dass wir mit unserem Material doch die Klangeigenschaften des Ebenholzes erreichen - in Einzelfällen sogar übertreffen. Und jetzt müssen wir noch genauer rausfinden, was genau dazu führt, dass wir in Einzelfällen sogar besser abschneiden in Hörtests als das natürliche Ebenholz – damit wir das noch besser herauskitzeln können."
Auch an Sportgeräte und Möbelbau denken
Auch wenn einige konservative Instrumentenbauer noch skeptisch sind - Oliver Kläusler ist sich sicher, dass sein Holz eine echte Alternative ist, um gefährdete Arten im Instrumentenbau überflüssig zu machen. Vor einem Jahr hat er ein Spin-Off gegründet, um mit seinem Produkt in Serie zu gehen. Preislich liegt das Schweizer Ebenholz mit dem Original gleichauf – in Zukunft soll es günstiger werden. Und nicht nur Instrumente könnten daraus gebaut werden, auch andere Anwendungen sind vorstellbar, meint Kläusler.
"Sportgeräte, zum Beispiel Köes, die sehr viel Tropenholz enthalten, wo man zunächst gar nicht dran denkt. Und später kann man auch an den Möbelbau denken, den hochwertigen Möbelbau, und dergleichen Dinge mehr aber das ist vom heutigen Standpunkt und von der heutigen Situation des Spin-Offs aus noch Zukunftsmusik."
Die Probleme von Profi-Musikern am Zoll könnten jedenfalls der Vergangenheit angehören, sollte sich das Schweizer Verfahren durchsetzen.