Scheinbar wurde gerade gewischt. Die Pole-Dance-Stange, die sich bis zur Decke erstreckt, glänzt so sauber silbern, als wäre sie gerade erst poliert worden. "Achtung Rutschgefahr!" Ein Warnschild steht vor dem mit Glühbirnen erleuchteten Podest, daneben liegt ein Wischmopp samt Putzeimer. Die Ausstellung beginnt also mit einem ernüchternden Striptease – ohne nackte Haut! Übrig geblieben ist in der Installation des dänischen Künstlerduos Elmgreen & Dragset nur die Kulisse, eigentlich nicht mal das: die Kulisse der Kulisse. Und die Protagonisten? Sie fehlen oder sie verstecken sich, hinter Masken und Kostümen, wie auf den Bildern der Fotografin Nan Goldin, gleich daneben: viel Schminke, rote Münder, glitzernde Kleider. So sieht sie aus, die inszenierte Kunst-Realität anno 2016. Kurator Karsten Löckemann:
"Ich glaube, dass viele Künstler in ihren Arbeiten - wir stehen jetzt hier vor Fotografien von Nan Golding - ihre eigene Realität gefunden haben und in ihrer eigenen Realität bewegen. Nan Golding zum Beispiel hat sich in der Schwulenszene bewegt, war mit Drag Queens befreundet und hat sich dieser Realität dann gewidmet."
Immer scharf an der Grenze des "zu viel"
Schräg, anspielungsreich und laut - das ist die eine Facette. Wie bei Mike Kelley, der als Lonely Vampire, als einsamer Vampir, in Schülertheater-Manier einen leeren Stuhl und die Abwesenheit des Publikums besingt. Wie Matthew Barney oder Ulrike Ottinger, die in ihren überbordenden Multimedia-Film-Projekten so ziemlich kein Thema unberührt lassen und sich auch selbst mächtig in Szene setzen. Immer scharf an der Grenze des "zu viel" – manchmal hochstaplerisch, fast immer überfordernd und dann ist man doch ganz schnell gelangweilt.
Deshalb ist es gut, dass auch die weniger grellen, die ruhigen Arbeiten eine Bühne bekommen - das ist die zweite Facette. Der Japaner Hiroshi Sugimoto zeigt in seiner nostalgischen Fotoreihe Theaters Schwarz-Weiß-Aufnahmen von alten Lichtspielhäusern und hüllt die Leinwand in blendendes Weiß. Keine Zuschauer, kein Film, die Konzentration gilt dem Ort. Der auch ganz schnell zum Parkhaus umfunktioniert werden kann, wie Fotografien des Kanadiers Stan Douglas zeigen: Parkende Autos, wo einst Sitzreihen standen. Und Candida Höfer kehrt den Blick gleich um, von der Bühne in den Publikumssaal. Wieder fehlen die Menschen.
Eine von Menschenhand gemachte Fantasielandschaft
Die Leerstelle zeigt, was der Kern einer jeden Inszenierung ist: natürlich der Zuschauer. Und deswegen überzeugen gerade die Werke, die es schaffen eine Identifikation oder besser noch einen Dialog mit dem Publikum zu beginnen. Die zwei Höhepunkte: Der Belgier Hans Op De Beeck inszeniert in seinem Film "Staging Silence" Stille als eine von Menschenhand gemachte Fantasielandschaft - sinnlich, einfühlsam, vielleicht ein bisschen kitschig, aber bei diesem Film bleiben die Besucher sitzen.
Noch weiter gehen Janet Cardiff und George Miller bei ihren doppelbödigen Installationen: Man sitzt in einem schwarzen Guckkasten, schaut in ein Miniaturkino, in dem ein Film läuft, und hört über Kopfhörer ein erfundenes Wechselspiel von Film und Publikum. Während der virtuelle Nebenmann mit der Popcorntüte raschelt, wird auf der Leinwand geknutscht und plötzlich will der echte Nebenmann vorbei und stößt einem ans Knie.
"Kaum hat man eine installative Arbeit, hat man auch eine andere Interaktion, die vom Besucher verlangt wird, der Besucher muss sich auf einer anderen Ebene damit auseinandersetzen und damit öffnen sich viele Arbeiten eben auch in die inszenatorische Richtung."
Als Themenausstellung funktioniert sie nicht
"All the world‘s a stage", so vorgetragen bei Shakespeare. Damit ist aber auch eine Schwierigkeit des Rundgangs angesprochen, denn unter dem Titel "Inszeniert" hätte man wohl fast jedes zeitgenössische Kunstwerk zeigen können. Als Themenausstellung, die das Wesen eines Paradigmas werkübergreifend ergründet, funktioniert die Schau deshalb nicht. Dafür als ein abwechslungsreicher Streifzug durch die letzten 40 Jahre Gegenwartskunst mit vielen wichtigen Vertretern.