Archiv


Inszenierter Hype

Technologie.- Wie kein anderes Unternehmen schafft es Apple, seine Produkte geradezu zu inszenieren. Im Falle des neu vorgestellten iPads war es so, dass Apple bis zur eigentlichen Präsentation nicht verriet, ob es das Gerät auch tatsächlich geben würde.

Von Marcus Schuler | 30.01.2010
    Amerika ist anders. Auch die Technikjournalisten und Blogger klatschen Beifall, als am Mittwochabend Apple-Chef Steve Jobs in San Francisco das iPad enthüllt. Distanz zur Sache, scheint es bei den amerikanischen Technik-Journalisten in solchen Momenten nicht zu geben. Aber auch das gehört zur Inszenierung von Apple dazu. Dan Ariely ist Professor am MIT, am Massachusetts Institute of Technology. Er unterrichtet dort Verhaltensökonomie. In seinem jüngsten Buch beschäftigt er sich unter anderem mit der Marktpreis-Bildung. Er widerspricht, er hält den Hype um iPhone und iPad nicht für inszeniert. Jedenfalls nicht alles.

    "Für mich ergibt sich noch ein anderer Aspekt: Es entsteht eine Art von Spaß, wenn ich ein Apple Produkt verwende. Wenn ich vor meinem Computer sitze, geht es für mich weniger um Funktionalität als um die ästhetischen Aspekte, die auf den ersten Blick vielleicht irrelevant anmuten. Es geht nicht darum, Dinge schneller bewerkstelligen zu können. Wenn sich die Icons auf eine bestimmte Art und Weise bewegen, entsteht eine Freude in mir – ich weiß, das klingt etwas verrückt, weil es beim Thema Arbeit meist Effizienz und Produktivität im Vordergrund stehen. Aber die Wahrheit ist: Spaß ist wichtig."

    Dan Ariely sagt, Apple schaffe es, diese Detailverliebtheit zu vermitteln. Dass selbst kleine, unwichtige Dinge, wie Geräusche oder Bewegungen auf dem Bildschirm ausgefeilt und formvollendet aussehen. Diesen Umstand goutierten die Apple-Kunden. Besonders deutlich konnte man das in den vergangenen Jahren beim iPhone sehen. Selbst Marktführer Nokia zittert Apple mittlerweile. Von Oktober bis Dezember verdoppelte Apple seine iPhone-Verkäufe auf 8,7 Millionen Stück. Besonders gut kam das schlaue Telefon unter anderem in Deutschland an.

    Zugleich scheint das auf Apple-Chef Steve Jobs ausgerichtete Unternehmen diese geheimnisvolle Aura gerne zu pflegen. Wie kaum ein vergleichbarer Konzern hütet Apple seine Geschäftsgeheimnisse. Und doch gelangen immer wieder Details über neue Apple Produkte an die Öffentlichkeit. So war es vor drei Jahren beim iPhone und so war es jetzt auch beim iPad. Schon Monate vorher werden immer wieder kleine Details bekannt. Anfang Januar bestätigte ein langjähriger ehemaliger Marketingmanager von Apple, dass das Unternehmen ganz gezielt immer wieder Häppchen veröffentliche, um genau jenen Effekt zu erzielen. Das ist wichtig für den späteren Verkaufserfolg, sagt Verhaltensökonom Ariely:

    "Um Vorfreude zu erzielen ist es für Apple wichtig, die Diskussion über eine längere Strecke am Leben zu erhalten. Es muss Vorfreude entstehen: Es gibt da eine ganz interessante Untersuchung, bei der man gefragt hat, wenn sie ihre Lieblingsschauspieler küssen wollen, wollen sie dies lieber gleich tun oder erst in einem Monat? Das Ergebnis der Studie ist, dass die meisten Leute erst in einem Monat ihrem Filmstar einen Kuss geben wollen. Die Antwort, dies heute zu tun, ist zwar logisch, weil wir viele Dinge sofort wollen. Aber wenn man es erst in einem Monat bekommt, muss man sich einen Monat lang darauf freuen."

    Viele andere Unternehmen im Silicon Valley gehen da anders vor. Social Media heißt dort das geflügelte Wort: Über Twitter, Facebook und andere Dienste werden Nachrichten direkt an die Endkunden kommuniziert, vorbei an Journalisten und klassischen Medien. Aber vor allem: transparent und authentisch wollen Google, Facebook und Microsoft sein. Das Problem: Nachrichten verbreiten sich binnen weniger Sekunden. Sowohl gute wie schlechte Nachrichten, aber auch Gerüchte und Falschmeldungen. Von Apple konnte man dergleichen in den vergangenen Jahren nicht behaupten. Kaum etwas drang über das neue iPad an die Öffentlichkeit. Und wenn, dann eine vermeintliche Sensations-Meldung nach der anderen. Und da sich die Pressestelle von Apple und das Management stets bedeckt halten, waren solche Meldungen nicht verifizierbar.

    Apple nutzt den Hype um seine Produkte aber noch auf eine andere Art geschickt aus, sagt Dan Ariely. Als das iPhone herauskam, hat man schon nach wenigen Wochen den Preis reduziert. Ähnlich könnte es auch dem iPad ergehen:

    "Nach den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie könnte genau solch eine Strategie erfolgversprechend sein. Nehmen Sie das iPhone als Beispiel: Apple brachte ein völlig neues Produkt auf den Markt. Wir wissen zwar, was ein normales Mobiltelefon kostet, aber wie viel ist dieses iPhone mit seinem neuartigen Bildschirm wohl wert? Das wussten wir damals nicht. Stellen Sie sich vor, es würde 600 Dollar kosten und einen Monat später würde man den Preis auf 400 Dollar senken, plötzlich würde es billiger erscheinen. Wenn Apple aber mit 400 Dollar in den Markt gegangen wäre, wäre es für den Verbraucher nicht günstig erschienen, sondern hätte als eines der teuersten Geräte gegolten."