Kate Maleike: Studierende aus Nicht-EU-Ländern werden auf dem Weg zum Studium nach Deutschland durch administrative Hürden ausgebremst. Das ist das Ergebnis einer Studie, die der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft heute veröffentlicht hat. Jeder Dritte, heißt es darin, komme erst nach Beginn des Semesters in Deutschland an, der Start ins Studium werde damit häufig ein Fehlstart. Dr. Volker Meyer-Guckel ist stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes, guten Tag, Herr Meyer-Guckel!
Volker Meyer-Guckel: Schönen guten Tag!
Maleike: Über wie viel Verspätung reden wir denn?
Meyer-Guckel: Na ja, wir haben ausgerechnet, dass Studierende aus Nicht-EU-Ländern mindestens 90 Tage vor Studienstart brauchen, um rechtzeitig anzukommen, aber 20 Prozent derjenigen, die in Deutschland studieren, kommen erst zwei Wochen nach Studienbeginn hier an, weil die Zulassungsfristen zu eng sind.
Integrationskraft am größten zu Beginn
Maleike: Zwei Wochen nach Studienbeginn, ist das dramatisch?
Meyer-Guckel: Ja, gerade für ausländische Studierende ist es ja wichtig, in den Einführungstagen, wo man die Kommilitonen kennenlernt, wo die ersten Sprachkurse, die ersten Vorbereitungskurse für das Studium angeboten werden, dass sie da präsent sind, weil da natürlich die Integrationskraft am größten ist in den ersten Wochen. Aber wenn das verpasst wird, wenn man sich dann irgendwie ins Studium hineinmogeln muss, dann darf man sich nicht wundern, wenn dann bis zu 45 Prozent der ausländischen Bachelor-Studierenden ihr Studium wieder abbrechen.
Maleike: Was sind denn die Hauptgründe für die Verzögerung? Ich hatte ja schon von administrativen Hürden gesprochen.
Meyer-Guckel: Also jemand aus EU-Ausland muss unglaublich viel nachweisen, um in Deutschland studieren zu können. Das beginnt damit, dass man den finanziellen Unterhalt auf ein Sperrkonto überweisen muss, dann muss natürlich ein Visum beantragt werden. Dann ist man in Deutschland angekommen, dann muss man dieses Sperrkonto entsperren lassen. Da ist ein Postident-Verfahren notwendig, ein Girokonto notwendig. Das Girokonto bekommt man meistens nur, wenn man irgendwo gemeldet ist, eine Wohnung hat. Also Sie sehen schon, das ist eine sehr komplexe Bewerbungsreise, die da angetreten wird, und dafür braucht man einfach Zeit.
Maleike: Und das braucht natürlich auch noch so was wie Krankenversicherung und Sprachkompetenz, nicht zu vergessen.
Meyer-Guckel: Genau, Sprachnachweise braucht man natürlich auch, und Krankenversicherung muss man auch nachweisen. Also Sie sehen schon, das ist eine ganze Reihe von Dingen, die ausländische Studienbewerber nachweisen müssen, bevor sie überhaupt beginnen können.
90 Tage Vorlauf nötig
Maleike: Jetzt haben wir diesen Befund, was sollen wir mit diesem Befund denn anfangen? Wer muss handeln?
Meyer-Guckel: Zunächst mal muss den Hochschulen klar sein, wie lange eine solche Reise bis zum Studienstart dauert. Wir konnten das sehr gut nachweisen, weil wir mit einem Partner zusammengearbeitet haben, der diese Sperrkonten als Finanzdienstleister anbietet und alle Nachweise sozusagen, alle Dokumente, die nötig sind, dann auch speichert. Das heißt, wir können ganz genau sagen, wann die Einreise stattfindet, wann das Visum erteilt wurde, und wir haben das bei etwa 900 Fällen mal durchexerziert.
Das heißt, den Hochschulen muss klar sein, es dauert mindestens 90 Tage, damit rechtzeitig begonnen werden kann. Oft ist aber das gerade die Grenze für die Bewerbungsfrist. Die Zulassungen erfolgen meistens nach diesen 90-Tage-Fristen, allerdings durchaus in Bundesländern ganz unterschiedlich. In Bremen zum Beispiel erhalten zwei Drittel die Zulassung rechtzeitig, in Berlin oder Nordrhein-Westfalen nur ein Drittel der Bewerber rechtzeitig. Also wir würden den Hochschulen empfehlen, sich bewusst zu werden, wie lange das dauert, und dann auch für ausländische Studienbewerber Kontingente einzurichten, die dann frühzeitige Zulassungen ermöglichen.
Maleike: Aber Sie müssten ja tatsächlich dann auch die ausländischen Studierenden im Blick haben, die dann vielleicht auch früher mit ihren Vorbereitungen noch anfangen müssen?
Meyer-Guckel: Die wissen relativ genau, worauf sie sich einlassen, sie bewerben sich ja rechtzeitig. Es kommt wirklich darauf an, wann sie ihre Bescheide bekommen, damit sie überhaupt loslegen können, um ein Visum zu beantragen, um den Flug zu buchen, um die Nachweise zu erbringen, die nötig sind.
Verbesserte Abläufe "kein Hexenwerk"
Maleike: Also da muss ein besseres und ein schnelleres Verfahren her. Jetzt kann man sagen, ist das vielleicht ein in Kauf genommenes Problem, weil, wenn man sich die Zahlen anschaut, die sind frisch aus diesem Sommer, der Studienstandort Deutschland ist so beliebt wie nie zuvor. Es haben sich so viele Studierende auch aus dem Nicht-EU-Ausland bei uns eingeschrieben wie eben auch nie zuvor. Also hat es eigentlich keine Konsequenz, oder?
Meyer-Guckel: Na ja, es ist schon erstaunlich, wir sind ja immerhin OECD-weit auf Rang vier aller Länder, was die Attraktivität angeht für ein Studium. Das liegt natürlich daran, dass wir …
Maleike: Also nach USA, Großbritannien und Australien.
Meyer-Guckel: Richtig. Das liegt natürlich daran, dass wir im Gegensatz zu den anderen genannten Ländern das Studium gebührenfrei anbieten in aller Regel. Insofern sind wir attraktiv, wir haben weiterhin viele Bewerber, das ist richtig, aber wie gesagt, aus einigen Ländern ist es halt besonders schwierig, weil die Visa-Fristen da teilweise noch länger dauern.
Also wenn wir Interesse daran haben – und wir sollten Interesse daran haben –, qualifizierte Fachkräfte zu uns zu bekommen, dann sollten diese Abläufe noch besser getaktet werden. Das ist jetzt auch kein Hexenwerk, oft reicht es schon, wenn in bestimmten Visumstellen von Ländern, die besonders bewerberstark sind, einfach mal für zwei, drei Monate die Visumstelle ein bisschen aufgestockt wird mit Mitarbeitern, damit das alles schneller geht.
Es ist schon ein komplexes Verfahren, das ist auch nötig, diese Nachweise müssen ja erbracht werden, aber andererseits, wenn man das ein bisschen besser eintaktet, glaube ich, kriegt man den Erfolg besser hin. Wie gesagt, einige Bundesländer beweisen ja, dass es geht, andere hinken da ein bisschen hinterher.
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