Fuchs forderte an erster Stelle Sprachkurse für die Flüchtlinge. Zu diesem Zweck könne man beispielsweise versuchen, pensionierte Lehrer zu gewinnen, sagte der CDU-Politiker. Zudem müssten in den Aufnahmelagern Mitarbeiter der Arbeitsagenturen sitzen, um festzustellen, welche Qualifikationen die Flüchtlinge mitbringen. Dabei sollten sich die Behörden "großzügig" zeigen, verlangte Fuchs. "Es muss nicht alles unbedingt so sein, wie es in Deutschland über Jahrzehnte mit großer Bürokratie aufgebaut wurde."
Unter anderem Ärzte und Auszubildende würden hierzulande gebraucht. Deshalb seien die vielen Flüchtlinge "auch eine Chance für uns", betonte der CDU-Politiker. Deutschland müsse die Migranten schnell integrieren: "Es macht keinen Sinn, dass sie ewig in den Lagern hocken. Das könnte zu gettoartigen Zuständen führen, und die müssen wir unbedingt verhindern." Fuchs zeigte sich zuversichtlich, dass die Herausforderungen gemeistert würden. "Deutschland ist stark genug. Wir können das."
Das Interview in voller Länge:
Jasper Barenberg: Gestern haben die Behörden in Ungarn das Ventil geöffnet und Hunderte Flüchtlinge machten sich daraufhin in überfüllten Zügen auf den Weg Richtung Österreich. Hunderte sind inzwischen auch in Süddeutschland eingetroffen. Ein Dach über dem Kopf, Sicherheit, etwas zu essen, ein Arztbesuch möglicherweise - das ist es vor allem, was für Flüchtlinge am Anfang zählt. Sie müssen registriert, untergebracht, verpflegt und betreut werden, und schon das ist eine große Herausforderung. Doch längst wird in Ministerien in Berlin daran gearbeitet, wie es danach weitergehen kann, und das heißt auch, denjenigen, die vor Krieg und Gewalt geflohen sind, hier die Möglichkeit zu geben zu arbeiten, auf eigenen Beinen zu stehen. Da ist auch in den Augen der Kanzlerin noch einiges zu tun. Vorschläge dazu gibt es reichlich. Über einige wollen wir in den nächsten Minuten mit Michael Fuchs sprechen, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Unions-Fraktion im Bundestag. Schönen guten Morgen.
Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Herr Fuchs, müssen wir es anerkannten Flüchtlingen in Deutschland viel leichter machen, hier auch einen Job zu finden, den eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können?
Fuchs: Ich halte es für notwendig, dass wir so schnell wie möglich handlungsfähig werden. Das ist das allererste. Es gibt einen riesigen Ansturm an Flüchtlingen, aber wir müssen es bewältigen. Deutschland ist stark, Deutschland kann das auch bewältigen und wir sollten es auch tun. Dazu müssen aber Veränderungen geschehen. Die Kanzlerin hat ja gestern ein ganzes Paket an Veränderungen genannt. Aber ich will die wesentlichen Dinge einfach nennen. In den Aufnahmelagern müssen sofort auch die Arbeitsagenturen Platz finden, damit für diejenigen, die arbeitsfähig und willig sind, sofort auch eine Möglichkeit gefunden wird. Das geht ja. Wir müssen ganz dringend Sprachunterricht organisieren. Vielleicht kann man es auch so machen, dass man den einen oder anderen älteren Lehrer, der in Pension ist, fragt, ob er nicht noch Lust hat, eine Zeit lang mitzuhelfen. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei der Hilfsbereitschaft, die man ja in Deutschland Gott sei Dank sehr intensiv spürt, auch da Möglichkeiten sind. Jedenfalls wir werden eine Reihe von Flexibilitäten machen müssen, die wir vielleicht so in den letzten Jahren nicht mehr gewohnt waren, aber notwendig ist das. Ich glaube aber, dass wir das schaffen können.
"Ohne vernünftige Sprache und Qualifikationen wird es natürlich schwer"
Barenberg: Das heißt, nicht nur das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration muss mehr Entscheider bekommen, mehr Stellen, sondern auch die Bundesagentur für Arbeit.
Fuchs: Ich denke, beide ja, und die Bundesagentur für Arbeit ist sicher gefordert, denn wir müssen ja auch die Qualifikationen feststellen und auch da muss eine gewisse Großzügigkeit herrschen. Es muss nicht alles unbedingt so sein, wie es in Deutschland über Jahrzehnte vielleicht auch mit einer großen Bürokratie aufgebaut wurde. Da ist es Zeit, dass wir schnelle Qualifikationsüberprüfungen schaffen. Es gibt ja Ärzte, die aus Syrien zu uns kommen, es gibt Leute aus allen Berufssparten, die kommen. Bei der großen Anzahl kann man ganz sicher davon ausgehen, dass sehr viele auch sofort im Arbeitsmarkt unterkommen können. An allererster Stelle kommt aber für mich Sprachbildung. Da müssen wir schnelle Kurse machen und da gibt es ja Möglichkeiten. Das sind Crash-Kurse, die gemacht werden müssen. Ich halte das aber für die notwendigste Maßnahme, die ergriffen werden muss, denn ohne vernünftige Sprache und Qualifikationen wird es natürlich schwer, die Leute in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und wir brauchen sie sogar im Arbeitsmarkt. Das ist auch eine Chance für uns, das sollten wir auch so verstehen.
Barenberg: Da geben Sie also Ulrich Grillo Recht, dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, der sagt, wenn wir Flüchtlingen möglichst schnell die Möglichkeit geben, einen Job zu finden, helfen wir den Flüchtlingen und uns selbst auch.
Fuchs: Das sehe ich ganz genauso wie Herr Grillo. Er hat vollkommen recht. Denn Sie wissen, dass es ja in vielen Regionen Deutschlands - gehen Sie mal ins Hohenloher Land oder selbst in meinem Wahlkreis - beispielsweise kaum noch oder gar keine Jugendarbeitslosigkeit mehr gibt. Das heißt mit anderen Worten, da bestehen Bedarfe, und zwar in allen Berufszweigen, und da sehe ich auch durchaus Chancen für die jungen Leute, die zu uns kommen. Die sind ja auch in aller Regel willig, möglichst schnell was zu tun, denn es macht ja nun keinen Sinn, dass die ewig in den Lagern hocken, und deswegen muss das auch so schnell wie möglich verändert werden, denn das könnte dann auch zu gettoartigen Zuständen führen und die müssen wir unbedingt verhindern.
"Die wirtschaftliche Situation unseres Landes war ja selten so gut, wie sie jetzt ist"
Barenberg: Lassen Sie uns kurz noch über Geld sprechen. Aus dem Arbeitsministerium hört man, dass es zusätzliche Mittel von bis zu drei Milliarden Euro brauchen wird, um all das zu bewältigen, was Sie angesprochen haben: bessere Deutschkurse, mehr Deutschkurse, Sprachunterricht und auch die Berater aus den Arbeitsagenturen, die schon von Anfang an die Qualifikation systematisch prüfen und aufnehmen. Ist das eine realistische Größenordnung?
Fuchs: Das kann ich schwer einschätzen. Da existieren ja immer ganz flott gewaltige Zahlen. Wir sollten uns jetzt erst mal die Mühe machen, sauber durchzurechnen, was denn wirklich gebraucht wird und was es dann auch wirklich kostet. Ich weiß, dass bei der Arbeitsagentur zurzeit ein Überschuss da ist. Ich hoffe, dass der nicht aufgebraucht wird. Aber wir müssen dann unter Umständen auch als Bund da mithelfen. Es ist ja auch schon von der Kanzlerin deutlich gemacht worden gestern, dass sie bereit ist, sowohl der Arbeitsagentur als auch den Ländern bei der Integration der Flüchtlinge zu helfen, und die wirtschaftliche Situation unseres Landes war ja selten so gut, wie sie jetzt ist. Wir werden in diesem Jahr ganz sicher im Bund einen deutlichen Überschuss haben, dank Wolfgang Schäuble, der eine hervorragende Politik im Haushalt gemacht hat.
Barenberg: Sie haben davon gesprochen, dass es Chancen bietet, Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wie groß sind denn aus Ihrer Sicht die Hürden, die auf diesem Weg noch aus dem Weg zu räumen sind?
Fuchs: Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Hürden. Erst mal müssen wir natürlich auch klarstellen, dass diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, so schnell wie möglich wieder zurückgeführt werden müssen. Das muss schneller gehen, als es bis jetzt der Fall ist. Das darf nicht fünf, sechs Monate dauern, bis das beschieden oder entschieden ist. Das muss sofort geschehen. Es sind ja vor allen Dingen die Länder des Westbalkans, wo kein Recht auf Bleibe hier besteht. Das sollten wir dann organisieren. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite ist aber, dass wir alles, was bis jetzt an Flexibilität nicht da ist, möglichst bald einführen. Die Kanzlerin hat ja gesagt, dass noch im September dazu Gesetze gemacht werden sollen, in denen wir bestimmte Maßnahmen neu ergreifen, um den Flüchtlingen so schnell wie möglich zu helfen. Das fängt schon an damit, dass wir vernünftige Unterkünfte brauchen. Der nächste Winter kommt bestimmt.
"Wir können nicht hingehen und nehmen die ganze Welt auf"
Barenberg: Sprechen wir über die Menschen, die vor allem etwa aus den Westbalkan-Ländern zu uns kommen. Macht es denn Sinn, einen Asylantrag, der offensichtlich unbegründet ist oder so jedenfalls gewertet wird, negativ zu bescheiden? Dann geht, sagen wir, ein Mann aus dem Kosovo wieder zurück, um sich dann als Arbeitsmigrant zu bewerben, und da sagen sie, den können wir auch gut gebrauchen. Macht das Sinn, diesen Umweg zu gehen?
Fuchs: Ich glaube, ja, weil es momentan einfach nicht bei der Menge, die da momentan kommt, anders zu händeln ist. Ich halte es für sinnvoll, wenn er hier hin will und als Arbeitsmigrant tatsächlich hier hinkommen kann, weil entsprechende Bedarfe bestehen, dann soll er das doch bitte gleich machen und nicht erst als Asylant herkommen, wohl wissend, dass er als Asylant überhaupt keine Chance hat. Das halte ich nicht für vernünftig und ich bin der Meinung, wir sollten da auch sehr deutlich werden, denn wir können nicht hingehen und nehmen die ganze Welt auf, sondern diejenigen, die wirklich Asyl brauchen, wie beispielsweise die Syrer, aber auch Menschen aus Eritrea, Nigeria et cetera, wo Boko Haram wütet, die müssen bei uns eine Chance haben. Das Grundgesetz, der Artikel 16, gibt das ganz klar her und das sollten wir auch als unsere Aufgabe sehen. Deutschland ist ein Land, was die Menschenwürde ganz hochhält, und das gehört dazu.
Barenberg: Welche andere Chance als den Antrag auf Asyl hat ein Mann, sagen wir, ein Mensch aus dem Kosovo, um hier Arbeit zu suchen?
Fuchs: Wenn er qualifiziert ist und in Bereichen, wo qualifizierte Arbeitskräfte gesucht werden, tätig sein kann, dann kann ich mir vorstellen, dass der auch eine Arbeitserlaubnis bekommt. Das ist ja mit unserem Aufenthaltsrecht, was wir jetzt haben, schon vereinbar. Wir haben ja viel mehr, als eigentlich allgemeinhin bekannt ist. Das sollte dann aber auch ordnungsgemäß ablaufen und nicht über den Umweg von Asyl, was er nicht bekommen kann, weil er beispielsweise in Serbien keine Verfolgung hat. Der serbische Ministerpräsident, Herr Vucic, hat ja völlig zurecht gesagt, jetzt raubt uns nicht unsere jungen Leute, die brauchen wir selbst.
"Wir müssen jetzt erst mal das große Problem der berechtigten Asylsuchenden lösen"
Barenberg: Nun schlagen die Grünen vor, beispielsweise Arbeitssuchenden Visa auszustellen, die sechs Monate gültig sind, und solange sie sich selbst finanzieren können und ausreichend krankenversichert sind, Menschen die Möglichkeit zu geben, hier einen Arbeitsplatz zu suchen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Fuchs: Ich halte nichts davon, jetzt Sonderregelungen zu machen. Wir müssen jetzt erst mal das große Problem der berechtigten Asylsuchenden lösen. Das ist die drängendste Aufgabe. Die Kanzlerin hat das ganz deutlich gemacht. Aber Länder, nach EU-Recht sichere Länder, da sollten wir dann auch ganz klar machen, dass wir kein Asyl gewähren können, und dementsprechend die Leute auch zurückführen.
Barenberg: Nehmen wir einen anderen Vorschlag; der kommt vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Da sagt der Präsident Eric Schweitzer, es soll einen Abschiebestopp für Flüchtlinge geben, die in Deutschland gerade eine Ausbildung machen. Er fordert auch, dass danach mindestens zwei Jahre im Beruf keine Abschiebung erfolgt, und wenn sich jemand zu einer Fachkraft dann weiterbilden lässt, dann soll er auch ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen. Sind Sie dafür zu haben?
Fuchs: Das muss man überlegen bei all den Vorschlägen, die zurzeit gemacht werden. Für mich ist der wesentliche Punkt der, dass wir für die Leute, die da sind und die bleiben können und dürfen und wollen und müssen, weil sie in ihren Ländern verfolgt werden, für die müssen wir an erster Stelle Lösungen schaffen und dann können wir uns um die anderen von Ihnen genannten Probleme kümmern, wenn es denn wirklich Bereiche gibt, in denen wir erheblichen Fachkräftebedarf haben.
Barenberg: Aber auch für die, die bleiben dürfen, gilt ja, dass sie oft erst nach 15 Monaten überhaupt sich auf die Suche machen können nach einem Arbeitsplatz, weil so lange muss geprüft werden, ob nicht auch ein Deutscher oder ein EU-Bürger diesen Job übernehmen kann. Das ist die sogenannte Vorrangprüfung. Auch da verlangt die Wirtschaft ja oder regt an, dass man das noch mal überdenkt. Sind Sie dazu bereit?
Fuchs: Dazu bin ich durchaus bereit und wir müssen sehen, dass wir die Leute so schnell wie möglich integrieren in Deutschland. Dazu gehört Sprache an erster Stelle, aber natürlich auch die Chance auf einen Arbeitsplatz. Und gerade da, wo wir erheblichen Bedarf haben - da gibt es ja eine ganze Reihe von Bereichen in Deutschland. Wir haben eine sehr niedrige, jedenfalls im internationalen Bereich sehr niedrige Arbeitslosigkeit -, da sehe ich durchaus Chancen und das sollten wir dann auch tun. Weil nur wenn die Leute vernünftig integriert werden, wird das dann auch zu Lösungen für diese Leute in Deutschland führen.
"Einwanderungsgesetz, falls nötig"
Barenberg: Wenn es auf Flexibilität ankommt und auf durchaus pragmatische Lösungen in der jetzigen Situation, ist es dann nicht umso mehr Zeit, auch darüber zu diskutieren, ob man all das nicht in ein Einwanderungsgesetz gießt, damit allen klar ist, wie die Spielregeln in Deutschland sind?
Fuchs: Am Ende kann man das machen, aber wir sollten erst mal die Gesetze, die wir bereits haben, wie das Aufenthaltsrecht, in Deutschland anwenden und die vernünftig diskutieren, wie weit wir da noch Veränderungen machen können und müssen. Ich gehe mal davon aus, dass das, was wir bis jetzt haben, eigentlich reicht. Aber wenn es dann am Ende des Tages sich als notwendig erweist, auch noch ein Einwanderungsgesetz zu machen, so werden wir sicherlich darüber diskutieren können und dann was Vernünftiges dazu machen.
Barenberg: Die Kanzlerin hat ja gestern gesagt, das hielte sie nicht für vordringlich, ein Einwanderungsgesetz.
Fuchs: Genau.
Barenberg: Andere in der Partei sehen das anders, beispielsweise der stellvertretende Parteichef Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen. Der will das im Vorstand bei der Sitzung am 14. September diskutieren, dafür werben. Was werden Sie ihm am 14. September sagen? Hat alles noch Zeit?
Fuchs: Ich werde mir das bis dahin sehr genau überlegen. Wir werden es ja auch noch in der Fraktion diskutieren. In der nächsten Sitzungswoche werden wir ganz sicherlich dazu Diskussionen haben. Wir wissen alle, dass auch überraschend eine Aufgabe auf uns zugekommen ist, mit der wir so nicht gerechnet haben. Ich rufe einfach mal ins Gedächtnis, dass wir am Jahresanfang von 200.000 Leuten gesprochen haben. Ich habe gestern eine Zahl von einer Million gehört. Das geht ja in einer Weise rasant nach oben, wie wir uns das haben nicht vorstellen können. Und wir dürfen auch nicht glauben, dass am Jahresende dieser Zustrom beendet ist. Das könnte durchaus im nächsten Jahr so weitergehen.
Deswegen hat die Kanzlerin auch zurecht gesagt, wir brauchen eine europäische Lösung. Wir können nicht als Deutschland das Problem Europas alleine lösen. Das wird nicht funktionieren. Wir müssen mit den anderen Ländern reden und werden mit den anderen Ländern auch Lösungen finden müssen und wir müssen gemeinsam dann die Situation in Deutschland schultern. Eine schwere Aufgabe, aber Deutschland ist stark genug dafür, wir können das.
Barenberg: Michael Fuchs, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fuchs.
Fuchs: Danke Ihnen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.