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Integration durch Ausbildung
"Schwierig ist jetzt natürlich der große Andrang"

Die Arbeitgeberverbände hätten die Flüchtlingsbewegungen zu keinem Zeitpunkt als Ersatz für Fachkräfte in Mangelberufen betrachtet, sagte Barbara Dorn von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände im DLF. Um die Chancen gelungener Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu erhöhen, müssten Sprachkurse mit ersten praktischen Erfahrungen in Betrieben kombiniert werden.

Barbara Dorn im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Ein Flüchtling feilt in Dresden während einer Probearbeit an Metallwerkstücken.
    Ein Flüchtling feilt in Dresden während einer Probearbeit an Metallwerkstücken. (dpa / picture-alliance / Oliver Killig)
    Benedikt Schulz: Heute und morgen treffen in Dresden Integrationsbeauftragte von Bund, Ländern und Kommunen zusammen, um wieder zu beraten, wie man diese große Aufgabe Integration bewältigen kann. Dass die Integration am besten über Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt gelingt, das ist bekannt, macht die Sache natürlich nicht leichter. Nicht dabei in Dresden sind heute Wirtschaftsvertreter. Die deutschen Wirtschaftsverbände haben bislang die aktuelle Flüchtlingslage zuallererst als Chance begriffen, wenn man so will als Lichtblick im Kampf gegen den Fachkräftemangel, vor allem im Ausbildungssektor. Dass die Rechnung junge Flüchtlinge gleich Mehrfachkräfte so ohne Weiteres nicht aufgeht, das wissen inzwischen alle, aber warum ist das eigentlich so? Das frage ich Barbara Dorn, Leiterin der Bildungsabteilung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Ich grüße Sie!
    Barbara Dorn: Ich grüße Sie auch, Herr Schulz!
    Schulz: Warum ist die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung eigentlich so schwierig?
    Dorn: Nun, wir haben die Situation ja nicht neu, wir haben schon immer einen hohen Anteil von jungen Mitmenschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, und jetzt aktuell haben wir die Situation, dass sehr viele junge Menschen zusätzlich nach Deutschland kommen als Flüchtlinge. Aus unserer Sicht ist es sehr wichtig, hier in der Schule, in der frühkindlichen Bildung, aber auch in der Ausbildung alles zu tun, um diesen jungen Menschen ein gutes Willkommen zu bieten und egal, ob sie später bleiben oder irgendwann in ihre Biografie wieder zurückgehen, sich ein Stück weiterentwickeln. Schwierig ist jetzt natürlich der große Andrang – im Moment machen das in erster Linie die Schulen, diese Erfahrung. Wir sehen aber deutlich, dass viele tausend junge Menschen auf den Ausbildungsmarkt kommen und Ausbildungsplätze suchen. Wichtig ist aber, dass jetzt in den Schulen auch die entsprechenden Integrationsklassen geschaffen werden, um Sprachkenntnisse zu vermitteln, und dass zum anderen auch für die älteren Jugendlichen, die nicht mehr schulpflichtig sind, entsprechende Sprachkurse und Integrationskurse angeboten werden, die als Übergangsphase in den deutschen Ausbildungsmarkt, in den Arbeitsmarkt unbedingt gebraucht werden.
    Eine gute Beruforientierung schon in der Schule anbieten
    Schulz: Wenn die Schulen das jetzt ad hoc nicht so schnell leisten können, aus diversen Gründen – aus Personalmangel, Lehrermangel, überfüllte Klassen und so weiter –, was kann denn Wirtschaft, was können Arbeitgeber von ihrer Seite aus tun, um die Integration in Bildung und in den Arbeitsmarkt zu erleichtern?
    Dorn: Was die Schulen betrifft, können wir sicherlich einen Beitrag leisten, indem wir auch für die neu hinzukommenden Kinder und Jugendlichen helfen, eine gute Berufsorientierung in der Schule schon zu leisten, in Arbeitsgemeinschaften zwischen Schulen und Unternehmen, um deutlich zu machen, welche Möglichkeiten es in Deutschland gibt. Für die älteren Jugendlichen können wir natürlich auch da, wo sie noch nicht ausbildungsreif sind, schon in den Übergangsmaßnahmen praktische Beiträge leisten, indem zum Beispiel Sprachkurse schon kombiniert werden mit ersten praktischen Erfahrungen in Betrieben, die dann auch wieder einen berufsorientierenden Charakter haben und auch sicherlich zur Motivation beitragen.
    Schulz: Müssten Wirtschaft und Kommunen beziehungsweise Wirtschaft und die Bundesländer noch enger zusammenarbeiten, als das jetzt der Fall ist?
    Dorn: Wirtschaft und Kommunen und Länder, natürlich. Wir haben die Arbeitgeberorganisationen und die Gewerkschaften nicht nur auf Bundesebene, auch auf Länderebene, und auch dort wird eng zusammengearbeitet. Was aber die Einbindung in den Arbeitsmarkt und in die Ausbildung betrifft, können wir hier auch auf Bundesebene in Kooperation mit dem Bildungsministerium, mit dem Arbeitsministerium, mit dem Wirtschaftsministerium viel tun, um die richtigen Weichen zu stellen. Zum Beispiel haben wir jetzt aktuell eine wirkliche Verbesserung der Planungssituation für die Betriebe, weil mit dem Integrationsgesetz der sichere Aufenthaltsstatus geschaffen worden ist. Wer also jetzt einen jungen Menschen mit guter Bleibeperspektive, also aus einem Land mit hoher Anerkennungsquote, noch als Asylbewerber oder auch als Geduldeten in eine Ausbildung nimmt, mit ihm einen Ausbildungsvertrag abschließt als Unternehmen, hat jetzt die Sicherheit, dass sein Auszubildender auch die vollen zwei, drei oder dreieinhalb Jahre der Ausbildung im Land bleiben und das abschließen kann und anschließend auch noch zwei Jahre Berufserfahrung sammeln kann, unabhängig davon, wie sich denn sein Bleibestatus nun genau weiterentwickelt.
    Schulz: Wagen Sie mal eine Prognose – wie wird sich der Arbeitsmarkt in Bezug auf Migrantinnen und Migranten in fünf Jahren entwickelt haben?
    Dorn: Ja, das ist natürlich immer ein Blick in die Glaskugel, aber Sie kennen auch die Erfahrungswerte, die die großen Wirtschaftsinstitute zitieren, dass ein Teil der Flüchtlinge, die tatsächlich im erwerbsfähigen Alter sind, in fünf oder in zehn Jahren in den Arbeitsmarkt eingemündet sein wird, aber ein großer Teil auch nicht oder noch nicht. Es ist ein wirklich schwieriger Prozess. Und anders, als Sie es in Ihrer Anmoderation dargestellt haben, haben wir als Arbeitgeberverbände auch nie die Flüchtlingsbewegungen als Ersatz für eine koordinierte und gezielte Anwerbung für den Arbeitsmarkt, für Fachkräfte in Mangelberufen betrachtet. Natürlich ist es etwas ganz anderes, ob man Menschen mit einem Profil, das man im Herkunftsland schon feststellt, für eine Beschäftigung zum Beispiel im Pflegebereich oder in MINT-Berufen, wo es jetzt schon einen großen Mangel an Fachkräften gibt, nach Deutschland holt, oder ob man auch als Wirtschaft schaut, wie man bei der Integration von Flüchtlingen helfen kann, die ungefiltert aufgrund ihrer persönlichen Situation und nicht ihres Qualifikationsprofils nach Deutschland kommen.
    Schulz: Über Integration von Migrantinnen und Migranten in Arbeitsmarkt und Bildung und natürlich Ausbildung habe ich gesprochen mit Barbara Dorn, Leiterin der Bildungsabteilung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Ich danke Ihnen ganz herzlich!
    Dorn: Ich danke Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.