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"Integration durch Dialog"
DFB diskutiert Mittel gegen Rassismus

Wie kann der Umgang mit den Themen Integration und Rassismus im Sport verbessert werden? Darüber haben Vertreter des DFB mit Haupt- und Ehrenamtlichen während einer fünfteiligen Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Integration durch Dialog" diskutiert. Ein Fazit: Integration ist eine Daueraufgabe.

Von Bastian Brandau | 01.06.2019
    DFB-Trikot mit dem UEFA Respect Schriftzug und der Kapitänsbinde mit Unite Against Racism Schriftzug.
    Der Rassismus nimmt zu, auch auf und neben dem Fußballplatz (imago/Kolvenbach)
    Integration hat beim DFB ein Gesicht, das des früheren Fußballprofis Cacau, gebürtiger Brasilianer und deutscher Nationalspieler. Der DFB-Integrationsbeauftragte Cacau hatte die ersten vier Dialog-Veranstaltungen mitgemacht, in Leipzig war an seiner Stelle DFB-Botschafter Thomas Hitzlsperger angekündigt. Doch nach dem Abstieg seines VfB Stuttgart sah er sich als VfB-Sportvorstand mit noch wichtigeren Aufgaben konfrontiert - und sagte kurzfristig ab.
    Cacau wird am 22.11.2016 in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main (Hessen) als neuer DFB-Integrationsbeauftragter vorgestellt. 
    Cacau, DFB-Integrationsbeauftragter (dpa / picture alliance / Boris Roessler)
    Ohne große Namen diskutierten die rund 50 Teilnehmenden - darunter ein knappes Dutzend Frauen - in Leipzig. In Kleingruppen ging es zunächst um Erfahrungen und Ziele für Integration im Sport. Wie schnell kommen Spielerpässe für Geflüchtete, wie kann der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte auch in Vereinsführungen erhöht werden? Wie umgehen mit Gewalt auf dem Platz und wie mit Vereinen, die sich schlicht weigern, Ausländer aufzunehmen? Das Thema, das wurde deutlich, ist an einem Tag in seinen vielen Facetten nicht ansatzweise umfassend zu besprechen.
    "Es ist ja nicht so, dass wenn wir über Integration reden, wir mit einem temporären Problem zu tun hätten", sagt Eugen Gehlenborg, Vizepräsident des DFB, zuständig für Sozial- und Gesellschaftspolitik. Er selbst war bei drei der fünf Veranstaltungen dabei. Für ein umfassendes Fazit sei es noch zu früh. Aber es sei richtig gewesen, das Thema in den Regionen zur Diskussion gebracht zu haben:
    "Für mich ist Integration eine Daueraufgabe über Generationen hinweg. Und es hat mit Flüchtlings- oder Migrationshintergrund im Grunde nichts zu tun. Selbst behinderte Menschen integrieren wir ja. Wir haben Blindenfußball, wir haben die Beinamputierten."
    Eugen Gehlenborg Vizepräsident des DFB für Sozial-/Gesellschaftspolitik 
    Eugen Gehlenborg Vizepräsident des DFB für Sozial-/Gesellschaftspolitik  (imago sportfotodienst)
    Stolz verweist man beim DFB auf die große Rolle des Fußballs bei der Integration in Deutschland. Doch worum eigentlich geht es genau, wenn von Integration die Rede ist? Eine Frage, die sich wiederum nicht wenige Teilnehmende in Leipzig stellten. Mehmet Matur, Präsidialmitglied des Berliner Fußballverbands, beantwortet sie so:
    "Wichtig ist, dass die Integration keine Einbahnstraße ist. Die Mehrheitsgesellschaft hat auch ihre Aufgabe. Sie muss die aufnehmende Gesellschaft sein, sich öffnen. Durch die Akzeptanz kommt auch dieses Wohlfühlen. Wenn ich mich in einem Verein wohlfühle, dann kann ich auch gemeinsam gestalten."
    Mehmet Matur, Präsidiumsmitglied des Berliner Fußballverbands
    Mehmet Matur, Präsidiumsmitglied des Berliner Fußballverbands (imago sportfotodienst)
    Zu diesem Integrationsverständnis – das eben nicht Assimilierung bedeutet – hatte sich der DFB bereits 2008 bekannt, in seinem damals verabschiedeten Integrationskonzept. Der Alltag allerdings sieht oft anders aus. Auch der Berliner Mehmet Matur begegnet immer wieder Rassismus auf und neben dem Spielfeld. Bei Auswärts-Spielen seines Sohnes in der Regionalliga Nordost komme es vor, dass er in der Getränkeschlange von mehreren Männern abgedrängt und beleidigt werde. Und die Rathenower Mannschaft seines Sohnes werde regelmäßig mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert:
    "Einige Familien waren vor uns und die haben gefragt, Rathenow, ist das nicht ein Ost-Verein? - Jaja, ist ein Ost-Verein. - Aber da spielen ja über die Hälfte nur Türken und 'Kanaken' und 'Neger' und so weiter. Es werden auch die dunkelhäutigen Spieler beschimpft. Was kann man da machen? Ich versuche meinerseits auch die Meldung zu machen, ich suche den Kontakt mit dem Verein, dass ich die darauf aufmerksam mache. Die sind alle sehr offen. Aber in der Fankultur muss sich auch etwas ändern, da muss ein Umdenken stattfinden."
    "Durch die AfD wieder hoffähig"
    Dass dies auch schon ein Problem im Jugendbereich ist, darauf wies in den Leipziger Diskussionsrunden Stefan Heidrich vehement hin. Er ist Jugendkoordinator und Trainer beim FC Erfurt Nord. Spieler seiner Mannschaften würden regelmäßig rassistisch beschimpft:
    "Erfurt als Landeshauptstadt im städtischen Bereich, da kommt das auch vor. Aber nicht so massiv. Wir haben die meisten Probleme im ländlichen Bereich, wo auch der Ausländeranteil gering ist. In den Städten ist das ja deutlich höher, da sind die Menschen das vielleicht mehr gewohnt, als das im ländlichen Bereich ist. Und ja, es nimmt zu, Alltagsrassismus, faschistische Parolen etc. am Sportplatz, das wird durch die AfD und die Meinungsmache, die die Partei betreibt, wieder hoffähig und salonfähig und wir erleben das regelmäßig auf den Sportplätzen am Wochenende."
    Als Trainer habe er nur wenige Optionen - und die seien meist unbefriedigend: "Ich kann versuchen, auf das Umfeld einzuwirken, sich da zurückzuhalten. Ich kann im Zweifelsfall meine Mannschaft vom Platz nehmen und sagen, wir brechen für uns hier das Spiel ab. Das hat dann sportrechtliche und finanzielle Konsequenzen für unseren Verein. Ich kann mich im Nachgang an die entsprechenden Ebenen wenden, Kreisfachausschuss, Landesverband. Ich kann versuchen Hilfe zu bekommen aber das ist natürlich schwierig."
    "Die Vereine sind gefragt"
    Heidrich sieht hier Nachholbedarf. Und natürlich geht ein verheerendes Signal von solchen Vorfällen aus. Wie also damit umgehen? Man werde nie alle rassistischen Pöbler auf den Tribünen erreichen und dazu bringen aufzuhören, sagt DFB-Vizepräsident Eugen Gehlenborg. Und beschreibt seine Erfahrungen:
    "Häufig ist es auch so - und das wird in den Vereinen auch so gemacht, jedenfalls wo ich Rückkopplung hatte - dass man dem Mohammed, oder wie auch immer er heißen mag sagt: Pass mal auf, es kann sein, dass da irgendwelche Bemerkungen kommen. Das ist so – nimm das nicht persönlich, wir können das nicht verhindern. Wir können jetzt also nicht sagen, die Menschen werden jetzt aus dem Stadion verwiesen. Da sind wieder die Vereine gefragt, und die Fankultur. Darüber reden wir ja auch mit den Fans, was läuft da ab?"
    Neues Integrationskonzept im September
    Wie zuletzt, als Nationalspieler Leroy Sané beim Länderspiel in Tschechien von deutschen Fans beleidigt wurde. Rund 30 Prozent aller rassistisch motivierten Vorfälle würden angezeigt, davon geht der DFB aus. Doch die Dunkelziffer sei viel höher, denkt Jugendtrainer Stefan Heidrich. Er erwartet Konsequenzen bei rassistischen Vorfällen. Und hat konkrete Wünsche an den DFB:
    "Ob man in der Lizenzierung der Trainer schon dieses Thema mit aufbringt und sagt, jeder Trainer, der eine Trainerlizenz macht, sollte sich mit dem Thema Integration auseinandersetzen, mit dem Thema Rassismus: Wie gehe ich damit um? Dass es ein Schwerpunkt in der Schiedsrichterausbildung werden könnte, dass es eine Möglichkeit gibt, Integrationsstützpunkte beim DFB zu schaffen, so wie das bei den Landessportbünden schon der Fall ist. Und solche Vereine auch verstärkt materiell und ideell zu unterstützen.
    Fünf Wochen lang hat der DFB nun zugehört. Bis September will der Verband aus den gesammelten Ideen und Eindrücken ein neues Integrationskonzept vorstellen, über das dann der DFB-Bundestag abstimmen wird.