"Ihr habt sicher schon erlebt, in Österreich haben wir immer ganz viele Regeln aufgeschrieben. Ich glaube, in Syrien und im Sudan gibt es auch ziemlich viele Regeln, aber ich kann mir vorstellen, dass die oft verbal weitergegeben werden und nicht unbedingt aufgeschrieben werden."
Zwei Frauen und sieben Männer sitzen auf Stühlen in einem Halbkreis. Einige von ihnen haben zu ihren Füßen längs gefaltete Namenschilder aufgestellt. Sarah, Mohammed, Mustafa und einige weitere Vornamen stehen darauf. An der Decke flimmern Leuchtstoffröhren. Vor der Gruppe steht die Kursleiterin und versucht zu erklären, was es mit österreichischen Regeln so auf sich hat. Rechts neben ihr ein Dolmetscher, der ihre Worte ins Arabische übersetzt, links ein Flipchart. Auf den großen Papierbögen stehen allerlei Begriffe wie Rechtsstaat, Verfassung oder Menschenrechte. Hier im Integrationszentrum in der Wiener Innenstadt findet an diesem Morgen ein sogenannter Werte- und Orientierungskurs statt. Er richtet sich an anerkannte Asylbewerber und subsidiär Schutzberechtigte, das sind Drittstaatsangehöriger oder Staatenlose, also Menschen, die zwar kein Recht auf Asyl erhalten, aber in ihrer Heimat Gewalt oder Tod zu befürchten haben. Der Kurs soll ihnen in acht Stunden wichtiges Alltagswissen vermitteln und - wie es im Integrationszentrum heißt - "die zentralen Grundwerte des Zusammenlebens" in Österreich.
"Es funktioniert, weil wir eine gemeinsame Basis haben. Und so lange sich alle an diese gemeinsame Basis halten, können wir frei leben. Und diese gemeinsame Basis heißt: Verfassung."
Österreich und Deutschland streiten im Moment vor allem über die von Wien verhängte Obergrenze für Flüchtlinge und die Frage, wie viele Menschen die Länder aufnehmen wollen. Aber ebenso ringen beide damit, wie die Schutzsuchenden, von denen viele bleiben werden, am besten ein Teil der für sie neuen Gesellschaft werden können. Im Grunde sind sich alle Experten einig, dass ein Mensch dafür vor allem möglichst schnell die Landessprache beherrschen, Zugang zu Bildung haben und einen Arbeitsplatz finden sollte, der angemessen bezahlt ist und dann den gesellschaftlichen Aufstieg ermöglicht. Wenn das funktioniert, läuft es schon ziemlich gut. Aber in Österreich wie in Deutschland wird vor allem seit dem gestiegenen Zuzug von Flüchtlingen im vergangenen Jahr noch mehr erwartet: Menschen, die ins Land kommen, sollen versichern, dass sie den hiesigen Regeln folgen, sie sollen die vorherrschenden Werte teilen.
Jeder bringt seine eigene kulturelle Prägung mit
"Jeder hat sein Wertegebilde, das er aufgrund seiner sozialen, kulturellen oder anderen Prägung in sich trägt und das gilt es nicht per se als gut oder schlecht zu bewerten, aber entscheidend ist, dass wir in unserer Gemeinschaft in Österreich ein Zusammenleben haben wollen auf der Basis unserer Wertefundamente und dies gilt es entsprechend zu vermitteln und natürlich gibt es gelegentlich Unterschiede zu anderen Kulturen oder anderen Wertegemeinschaften."
Franz Wolf ist der Geschäftsführer des Integrationsfonds in Österreich. Die Organisation soll für die Integration von Migranten sorgen und wird vom österreichischen Außen- und Integrationsministerium finanziert. Der zuständige Minister Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP hatte im vergangenen Herbst einen gemeinsam mit Wissenschaftlern erarbeiteten 50 Punkte-Plan für Integration vorgestellt. Die Werte- und Orientierungskurse, die im Januar in Wien und mittlerweile auch in anderen Bundesländern begonnen haben, sind ein Teil davon. Sie sind im Grunde eine Kurzform der in Deutschland angebotenen Integrationskurse. Noch ist die Teilnahme freiwillig, aber Kurz will bald all jenen die Sozialleistungen kürzen, die sich der Wertevermittlung verweigern. Schon als er vor drei Jahren noch Staatssekretär für Integration war, hatte Kurz den Österreichern eine sogenannte "Werte-Fibel" zusammengestellt. Das Problem ist aber, dass es trotz allem nicht so recht klar ist, was das überhaupt für Werte sind, die man den neuen Mitbürgern abverlangen will. Darin ähnelt die Debatte in Österreich der deutschen.
"In den gewachsenen Gesellschaften, wie es die Europäischen sind, ist relativ schwierig zu definieren, was sind unsere Werte. Ich glaube, wenn man jetzt absieht von bestimmten Grundwerten wie Menschenrechte, Bekenntnis zur Demokratie, Gleichheit und so weiter, ist es schwierig, hier einen Konsens zu erzielen, der von allen maßgebenden gesellschaftlichen Gruppen unterschrieben werden könnte. Da beginnt das Ganze schon etwas kompliziert und zugleich auch skurril und etwas lächerlich zu werden, wenn man dann wirklich ins Detail geht und versucht, die Zuwanderer, die natürlich selbst aus den unterschiedlichsten Traditionen und Ländern dieser Welt kommen, hier auf ganz spezielle national oder regional spezifische Werte festzulegen."
Werner Bauer ist Migrationsforscher bei der Österreichischen Gesellschaft für Politikberatung und Politikentwicklung in Wien. Er hat in einer Studie für das Deutschlandradio, den ORF und die Bertelsmann Stiftung untersucht, wie sich die nationalen Identitäten in Österreich und Deutschland entwickelt haben und wie sie auf Zuwanderung reagieren. Die Forderungen in der Debatte heute reichen vom reinen Verfassungspatriotismus bis hin zum morgendlichen Fahneneid an Schulen, mit dem zum Beispiel der Wiener Chef der konservativen ÖVP, Gernot Blümel, die österreichischen Kinder angesichts der vielen Fremden wertefest machen will.
Heinz Faßmann ist Vizerektor der Uni Wien und sitzt dem Expertenrat für Integration vor, der die Regierungskoalition aus ÖVP und den Sozialdemokraten von der SPÖ berät. Faßmann ist der führende wissenschaftliche Kopf hinter der österreichischen Integrationspolitik.
"Man kann nicht jemandem das Grundgesetz zur Lektüre vorsetzen."
"Bei diesen Werten geht es um die grundsätzlichen Werte. Es geht genau um diese Werte, die in unseren Gesetzen vertextlicht wurden. Aber man kann ja jetzt nicht jemandem das Grundgesetz oder das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch zur Lektüre vorsetzen. Man muss das natürlich übersetzen und man muss extrahieren, was steckt hinter diesen Gesetzen, was ist das Grundsätzlichere unseres Wertesystems in einem liberal demokratischen Staat."
Um die Vermittlung von Werten als lebensnahe Übersetzung der gesetzlichen Regeln geht es also Faßmann zufolge. Dass die Gesetze alle befolgen müssen, die im Staat leben, dürfte kaum strittig sein. Doch schon Franz Wolf vom Integrationsfonds reicht das nicht aus:
"Das mit den Werten ist natürlich so eine besondere Sache, denn der liberale Staat ist ja auch davon abhängig, dass er die Werte, die er sich wünscht oder von denen er abhängig ist, des gemeinsamen Zusammenlebens, nicht verordnen kann, denn sonst wäre er kein liberaler Staat mehr. Das ist natürlich immer das Dilemma sozusagen, was nicht im Rechtsstaat klar festgeschrieben ist: Wie vermittelt man diese Wertvorstellungen, die wir haben?"
Debatte um Werte und Leitkultur
Es geht es also um mehr als reine Verfassungstreue. Aber um was? In der langen Debatte um Werte und Leitkultur wurden schon ominöse abendländische, sowie christliche und jüdische Werte beschworen, der Humanismus ebenso wie die Aufklärung. Bei Franz Wolf geht es etwas kleiner. Er nennt den Umweltschutz als Beispiel, den Respekt vorm öffentlichen Raum. Und im Werte- und Orientierungskurs in der Wiener Innenstadt wird selbst aus der Bitte, morgens pünktlich zu erscheinen, eine kleine Lektion in Wertekunde:
"Da sind wir Österreicher ziemlich strikt, weil Pünktlichkeit ist eine Respektsache. Weil, wenn ich unpünktlich bin, bedeutet das, dass ich die Zeit der anderen nicht respektiere."
Dazu gibt die Kursleiterin noch den Tipp, bei Bewerbungsgesprächen besonders überpünktlich zu sein.
"Um zu zeigen, dass mich der Job wirklich interessiert, schenke ich dem Arbeitgeber noch diese 10 bis 15 Minuten."
Auch in Syrien wird Pünktlichkeit auf der Arbeit erwartet
Bei so viel fürsorglicher Wertevermittlung fühlt sich ein syrischer Teilnehmer bemüßigt zu erwähnen, dass es auch in Syrien durchaus erwartet werde, dass man rechtzeitig zur Arbeit erscheint. Die Verfechter von Integrationsangeboten wie den Wertekursen fühlen sich missverstanden, wenn Kritiker spitz von Benimmkursen reden. Nurten Yilmaz hat diesen Begriff vor Kurzem verwendet. Sie sitzt für die SPÖ im österreichischen Nationalrat. Sie ist auch der Meinung, dass die Gesellschaft Regeln des Zusammenlebens festlegen sollte. Und sie lobt, dass Österreich – wenn auch spät – einige gute Schritte mache. Sie kritisiert aber, dass vor allem über die Geflüchteten bisweilen herablassend und pauschal behauptet werde, man müsse ihnen grundlegende Regeln des Zusammenlebens erklären, ohne etwa ihren jeweiligen Bildungshintergrund, ihren beruflichen oder gesellschaftlichen Status zu berücksichtigen.
"Das sind Menschen, die sind zum Großteil erwachsen und sozialisiert. Das ist ein Begegnen nicht auf gleicher Augenhöhe, sondern: Die verstehen es sonst nicht. Und immer diese Leitkulturdebatte ist ja: Es geht um unsere Werte, also haben die das einzuhalten. Das ist kein respektvoller Umgang. Bleibend kann nur etwas sein, was mit Respekt erarbeitet wurde, gemeinsam und ernsthaft, nicht Wischiwaschi und schlampig."
Ist Integration eine alleinige Bringschuld der Zugewanderten und wie weit muss sich die Mehrheitsgesellschaft ebenso bewegen? Das ist eine der Kernfragen, um die es immer wieder geht.
"Deutsche Integriert Euch"
Eine zugige Fußgängerzone im Hamburger Stadtteil Altona. Typisches Hamburger Schmuddelwetter. Die meisten Passanten haben den Kopf eingezogen und huschen über den hiesigen Wochenmarkt. Aber trotz des Regens merken einige auf, weil sich ihnen inmitten der Stände ein ungewohntes Bild bietet: Ein Teil des Gehwegs ist mit Bauzäunen umstellt, die den Blick ins Innere abschirmen. Über die gesamte Breite der vier Seiten sind die Bretter mit den deutschen Nationalfarben bemalt. Darauf steht in großen weißen Lettern: "Deutsche Integriert Euch". Ein kapellenartiges, schwarzes Türmchen ragt hinter dem Zaun hervor. Und über dem Vorzelt am Eingang steht auf einer gespannten Stofffahne "Integrationslager". Wer das Zelt betritt, wird von zwei Frauen und zwei Männern begrüßt, die hölzerne Klemmbretter mit je ein paar Bögen Papier darauf in der Hand halten.
"Kommen Sie näher bitte, wollen Sie integrieren oder national sozialisieren? - Was ist Ihnen lieber? - Na, integrieren. - Was halten Sie von einer Integration in Deutschland, als Deutsche? - Ich bin ja gar keine Deutsche."
Boris Ceko ist einer der Vier. Er begrüßt ein Paar, das auf das Zelt zusteuert und richtet sich, nachdem die Frau sich als Schwedin geoutet hat, ausschließlich an den Mann, einen Deutschen. Wer sich hier integrieren lassen will, muss deutsch sein.
"Würden Sie mir bitte beantworten, was bedeutet es, deutsch zu sein? - Was es bedeutet, deutsch zu sein? - Genau, was bedeutet es? - Einen deutschen Pass zu haben. - Einen deutschen Pass zu besitzen. - Und die deutsche Sprache zu sprechen."
Boris Ceko ist Mitglied des Wiener Theater- und Performancekollektivs God’s Entertainment. Das Integrationslager in Hamburg ist eine Provokation. Die Gruppe ist für dieses Projekt nach Deutschland gekommen und will den Spieß umdrehen. Nicht Ausländer sollen integriert werden, sondern Deutsche. Am Eingang wollen die Künstler in einer ersten Befragung herausfinden, ob die Probanden Integrationsbedarf haben.
Wir kommen jetzt zur nächsten Frage: Welche Minderheitengruppen begegnen Ihnen in Ihrem Bezirk am häufigsten, ich zähle sie jetzt runter: Türkische Mitbürger; oft, manchmal, nie? - Türken, oft, ja. - Und woran erkennen Sie die? - An der Sprache erkenne ich sie, am Verhalten manchmal, am Namen. - Was ist so auffällig am Verhalten? - Ja, was ist auffällig?"
Anpassung und Eingliederung versus Chancen und Rechte
Mit den Fragen, die sie vorher auch schon bei einer Aktion in Österreich gestellt haben, wollen die Wiener Theaterleute mögliche rassistische Vorurteile hervorkitzeln. Wer solche offenbart, wird ins Lager gebeten, wo weitere Tests warten, eine Sichtfeldanalyse etwa oder eine Gehirnstrommessung. Die meisten Befragten bringen genug Sensibilität mit und werden abgewiesen, wie der gerade befragte Teilnehmer. Aber auch er sprach ohne Zögern von Türken in seiner Nachbarschaft, obwohl viele von ihnen seiner eigenen Definition nach einen deutschen Pass besitzen und somit deutsche Staatsbürger sind. Das offenbart für Boris Ceko, wie weit der Weg noch ist, bis Einwanderer und ihre Nachkommen von der deutschen Gesellschaft akzeptiert werden. Er hält den Begriff der Integration deshalb für überholt.
Wir halten uns nach wie vor an Anpassung, Eingliederung etc., aber an und für sich gehört der Begriff extrem aktualisiert, wenn nicht einfach mal komplett abgeschafft, weil ständig verlangen und ständig hören "gut integriert", ständig hören "Migrationshintergrund", leitet zu einer Kategorisierung der Menschen, also der Gesellschaft."
Der Begriff Integration wird sehr unterschiedlich verwendet. Von vielen wird er weiterhin vor allem als Aufgabe der Eingewanderten verstanden, die sich auch in der dritten Generation noch in eine vermeintlich fest stehende Gesellschaft einzufügen haben. Sozialwissenschaftlich wird Integration hingegen als Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe verstanden. Wie gut es also Einwanderern und ihren Nachkommen möglich ist, von Bildung, am Arbeits- oder Wohnungsmarkt oder in der Politik zu partizipieren. Es geht nicht um Anpassung, sondern um Chancen und Rechte. Deutschland wie Österreich wurden vor allem von der Zuwanderung der sogenannten Gastarbeiter seit Mitte der 50er-Jahre geprägt. Die größte Gruppe der Arbeitsmigranten stammte in Österreich aus dem damaligen Jugoslawien, dazu warb das Land – wie Deutschland – auch Türken an. Trotz vieler Ähnlichkeiten sei die Zuwanderung in beiden Ländern unterschiedlich verlaufen, sagt der Wiener Migrationsforscher Werner Bauer.
Gastarbeiter in Deutschland erfolgreicher als in Österreich
In Deutschland sind sehr viele dieser zum Großteil relativ ungebildeten oder unausgebildeten sogenannten Gastarbeiter in der Großindustrie, in der Automobilindustrie, der chemischen Industrie, Bergwerk und so weiter, untergekommen und kamen dann dort durch extrem harte Arbeit, Selbstausbeutung und so weiter relativ rasch zu einem kleinen Wohlstand."
In Österreich sei dieser Weg in die größere Industrie durch Gewerkschaften und Regierung verhindert worden. Dadurch sei der soziale Aufstieg seltener als in Deutschland gelungen.
Und das sieht man jetzt deutlich an den Nachkommen, den 35-, 40-, 45-jährigen Nachkommen dieser Gastarbeiter, wo man sieht, wie viele von denen es in Deutschland geschafft haben, in die mittleren, teilweise sogar in die oberen Etagen von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Sport, Kunst und so weiter aufzusteigen und man diese Menschen in Österreich vergeblich sucht, weil ihre Eltern es einfach nicht geschafft haben. Das heißt, hier hat in Österreich eine absolute soziale Unterschichtung stattgefunden, die sich dann über Generationen, mittlerweile in der dritten Generation, weitervererbt hat."
Gute Vorbilder seien aber wichtig, um zu zeigen, dass es in den lange relativ geschlossenen Gesellschaften wie Deutschland und Österreich möglich sei, den Aufstieg zu schaffen. Gleich ist in beiden Ländern, dass viele Nachkommen der Einwanderer sich trotz ihrer Geburt in Deutschland oder Österreich, trotz ihrer Erfolge und ihrer oft selbstverständlichen Identifizierung mit ihrem Land nicht als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt fühlen.
Das Problem in der ganzen Geschichte ist immer: ihr und wir. Und das schon in der dritten Generation. Dass wir noch die Generationen zählen, ist wirklich ein Kardinalfehler. Auf der einen Seite wollen wir etwas Gutes tun und geben Geld aus, Energie und machen Integrationsleitbilder für diese Kommune, für jene Stadt und dann wieder: Der ist schon in der dritten Generation, spricht super deutsch, seine Mutter noch immer nicht. Und man sagt ihm wieder: Äh-äh."
Sagt die Wiener SPÖ-Abgeordnete Nurten Yilmaz, die als Kind mit ihren Eltern aus der Türkei nach Österreich kam. Wie sie kritisieren auch die Nachfahren von Einwanderern in Deutschland, dass sie kaum berücksichtigt würden, wenn über die Gesellschaft, ihre Werte und ihre Aufnahmebereitschaft gesprochen wird. Die Aufnahmegesellschaft sei aber nicht mehr dieselbe wie zuzeiten der sogenannten Gastarbeiter. Breschkai Ferhad ist Koordinatorin der Neuen Deutschen Organisationen, einem Verbund verschiedener Gruppen, deren Mitglieder meist einen Migrationshintergrund haben, sich aber nicht mehr allein über die Herkunft ihrer Eltern definieren lassen wollen. Sie kritisiert, dass von Einwanderern zwar Regeltreue verlangt werde, dass es aber weniger Aufsehen errege, wenn autochthone Deutsche das Recht und die Regeln des Zusammenlebens brechen.
"Anerkannt zu werden, ist ein ganz wichtiger Bestandteil von Integration."
Es gibt nicht nur 'nach Köln', es gibt nach Rostock-Lichtenhagen, es gibt nach Mölln, es gibt nach Solingen, es gibt nach NSU, es gibt nach Clausnitz - das in den Fokus zu rücken, zu sagen, was ist eigentlich damit? Auch wir sind besorgte Bürger, wir sind Teil der Aufnahmegesellschaft. Und wir sind die Lösung und nicht das Problem."
Jutta Aumüller vom Berliner Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration, kurz DESI, hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass junge Deutsche mit Migrationshintergrund sich oft mehr oder weniger subtil ausgeschlossen fühlen. Das sei ein Problem auch für die Gesellschaft."
"Anerkannt zu werden, ist ein ganz wichtiger Bestandteil von Integration."
Das gelte auch für die Menschen, die heute nach Deutschland kommen. Eine gute Aufnahmegesellschaft dürfe nicht nur Regeln aufstellen, sondern müsse offen sein für diejenigen, die hinzukommen.
"Menschen, die hier herkommen, bringen natürlich ihre ganz eigene Prägung mit, eigene Vorstellungen eines richtigen Lebens, sie gehören unterschiedlichen Religionen an, haben bestimmte Vorstellungen, wie ein Familienleben beispielsweise sein könnte, was eben sozialen Zusammenhalt prägt. Und es ist natürlich wichtig, darin anerkannt oder zumindest wahrgenommen zu werden, ohne gleich abgeurteilt zu werden, dass man anders ist, als das, was hier als Mehrheitsgesellschaft verstanden wird."
Nicht nur die Neuankömmlinge, auch die angestammte Bevölkerung – so scheint es – hat noch viel über die eigene Gesellschaft zu lernen. Von einem großen Versuchslabor sprechen deshalb manche. Die Macher der Wertekurse in Österreich übrigens haben sich vorgenommen auch über die Werte zu sprechen, die die verschiedenen Teilnehmer mitbringen. Und zwar ganz wertfrei.