Der Grundtenor der Bedürfnisse von Lehrer, Sozialarbeitern, Erziehern auf der Jenaer Tagung war: Sprache, Sprache, Sprache. Daran mangelt es, an Deutschkenntnissen der Flüchtlinge, daraus entstehen Probleme, Missverständnisse, Konflikte. Lehrer, die Deutsch als Zweitsprache anbieten, werden zwar ausgebildet, sind aber noch Mangelware. Im Großen und Ganzen aber zogen die Jenaer eine recht positive Bilanz von den ersten Monaten mit deutlich mehr Migrantenkindern als bisher. Stefanie Teichmann ist Bildungskoordinatorin der Stadt.
"Wir arbeiten sehr gut mit dem staatlichen Schulamt zusammen, die haben sehr schnell, denke ich, reagiert, um Vorschaltklassen einzurichten. Wir haben sehr viele freie Träger der Jugendhilfe, die hier sehr schnell reagiert haben, Angebote im außerschulischen Bereich, aber auch in der Sprachförderung zur Unterstützung von Schule aufzusetzen."
Auch Silke Gitter, stellvertretende Leiterin eine Jenaer Grundschule, hängt die Probleme mit Schülern eher tief:
"Im normalen Schulalltag gibt’s die Probleme, die jedes Kind macht: Ein Kind, was im Spiel in Streit gerät und löst den Konflikt auf seine Art und Weise. Aber Probleme an sich, dass das ein Kind einer anderen Herkunftssprache ist, gibt es einfach nicht."
Umgang mit den Eltern
Probleme sieht sie eher im Umgang mit den Eltern, die ihre Kinder behütet wissen wollen, mitunter auch überwacht, und die ihre Kultur mitbringen.
"Die speziellen kulturellen Probleme hast du, wenn du als Lehrerin einem Mann gegenüber stehst, der dir nicht den Respekt zollt, den du erwartest. Aber das ist einfach ein Prozess, auch für mich. Ich muss einfach lernen, mit dieser Kultur umzugehen. Aber ich bin schließlich jemand, ich bin stellvertretende Schulleiterin, und kann das auch so rüberbringen. Und sobald du deinen Posten in das Gespräch einbaust, dann ist das plötzlich eine ganz andere Verhandlungsbasis. Aber ich muss auch für meine Klassenlehrerin sprechen – die haben den gleichen Anspruch zu haben."
Die Frage, wer hier wem wie weit entgegenkommt, auch beim Sportunterricht oder Klassenfahrten für Mädchen, war eine der zentralen des Fachtages mit dem sprechenden Titel "Unterschiede wagen – Gemeinsamkeiten profilieren". Michael Wermke, Professor für Religionspädagogik, ist da gelassen.
"Warum reagiert die Frau, die Lehrerin, irritiert beim Verhalten eines Schülers, wenn er ihr nicht die Hand gibt? Und andererseits müssen wir uns auch fragen: Was soll sich eigentlich ein Vater denken, ein muslimischer Vater, der von einer Frau die Hand gereicht bekommt? Die Irritationen sind da beidseitig, und wichtig ist, dass wir auf beiden Seiten erklären, was dieses Handschütteln in unserer Kultur bedeutet und was wir damit transportieren. Wie wir das mit dem Händeschütteln dann eines Tages regeln wollen, das ist noch eine ganz andere Frage."
Eine praktische Lösung etwa für ein Problem: vollverschleierte Mütter, die ihre Kinder abholen wollen, aber nicht als Erziehungsberechtigte identifizierbar sind. Abhilfe schafft der Gang in einen Raum ohne Männer, in dem sich die Frauen zeigen dürfen.
Zu wenig Sprachkurse
Dennoch bleiben die Probleme: Zu wenig Sprachkurse gerade für ältere ausländische Schüler, der Übergang von der Schule in den Beruf, der so wichtig für die Integration ist, der eklatante Mangel an arabisch-sprechenden Bezugspersonen in den Schulen. Ein Lichtblick in Jena ist Vera Omar, seit einem viertel Jahr Schulsozialarbeiterin für Flüchtlinge. Sie stammt aus Palästina und vermittelt oft zwischen Schülern, Lehrern und Eltern.
"Die meisten Probleme, die zu mir kommen, sind, dass die Eltern das System in Deutschland nicht sehr gut kennen. Sie wissen nicht, was bedeutet Schulsystem in Deutschland. Die Eltern haben keine Ahnung, dass es Anwesenheitspflicht in Deutschland gibt, dass man nicht einfach in die Schule kommen kann. Das ist das Problem mit den Eltern: Sie kannten das System nicht. Ich muss manchmal viel mehr mit den Eltern arbeiten als mit den Kindern. Das ist am meisten das Problem bei uns."