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Integrationsgesetz
"Wer nicht einfordert, der fördert am Ende auch nicht"

Der Deutsche Städtetag unterstützt das von der großen Koalition geplante Integrationsgesetz. Dessen Präsidentin Eva Lohse sagte im Deutschlandfunk, im Grunde handele es sich um langjährige Forderungen der Kommunen. Es sei richtig, von den Asylbewerbern Eigenanstrengungen einzufordern.

Eva Lohse im Gespräch mit Peter Kapern |
    Eva Lohse (CDU), Präsidentin des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen
    Eva Lohse (CDU), Präsidentin des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen (dpa / picture-alliance / Rolf Vennenbernd)
    Sie habe den Eindruck, dass sich Flüchtlinge integrieren wollten. Die Migranten hätten ein "sehr großes Verständnis dafür", dass "eine aufnehmende Gesellschaft solche Integrationsangebote" mache, dies aber mit Auflagen verbinde, sagte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse (CDU), im Deutschlandfunk: "Das ist genau der richtige Weg, denn wer nicht wirklich einfordert, der fördert am Ende auch nicht."
    Sie verteidigte zudem die sogenannte Wohnsitzauflage. Es dürfe "keine Ghettos und keine Parallelgesellschaften" geben. In das Grundrecht der Freizügigkeit werde nicht eingegriffen, die Flüchtlinge könnten sich frei bewegen. Allerdings sollten die Asylbewerber nach ihrer Residenzpflicht nicht alle in die Ballungsräume ziehen. Auch in ländlichen Regionen könnten sie schnell integriert werden, eine Arbeit finden und die deutsche Sprache erlernen, betonte Lohse. Sie forderte Bund und Länder auf, die Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen stärker finanziell zu entlasten.

    Peter Kapern: Am Telefon die Chef-Lobbyistin der Großstädte, die Präsidentin des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen am Rhein, Eva Lohse. Guten Morgen, Frau Lohse.
    Eva Lohse: Guten Morgen, Herr Kapern.
    Kapern: Frau Lohse, das Integrationsgesetz, ist das tatsächlich so, wie es Sigmar Gabriel gesagt hat, ein großer Wurf?
    Lohse: Zunächst einmal begrüßen wir sehr, dass es zu diesem Integrationsgesetz kommt. Wir haben all die Maßnahmen, die angedacht sind, immer schon dem Grunde nach eingefordert. Deswegen sind das gute Beschlüsse, gute Ergebnisse, und wir finden auch richtig, dass man dieses Integrationsgesetz an den Grundsätzen des Förderns und Forderns orientiert und dass man die Integration fördert, und zwar umfangreich, aber dass man auch zugleich von den Asylbewerbern Eigenanstrengungen einfordert.
    "Die meisten Asylbewerber wollen sich integrieren"
    Kapern: Haben Sie den Eindruck, dass Flüchtlinge, wesentliche Teile der zu uns gekommenen Flüchtlinge gar nicht bereit sind, diese Eigenanstrengungen aufzubringen?
    Lohse: Habe ich nicht. Im Gegenteil! Ich hatte beispielsweise gestern Abend einen Neubürgerempfang, zu dem ich jährlich einlade. Da waren auch viele Asylbewerber und Flüchtlinge. Und wir haben darüber diskutiert, dass sie sich gerne integrieren wollen. Wir haben viele Angebote in meiner Stadt. Und ich habe auch nachgefragt, wie sie dazu stehen, dass wir dies auch einfordern, und ich kann nur berichten, dass die meisten Asylbewerber sich integrieren wollen und dass sie sehr großes Verständnis dafür haben, dass eine aufnehmende Gesellschaft solche Integrationsangebote, die die Flüchtlinge fördern, dann aber auch verbindlich machen wollen. Ich denke, das ist genau der richtige Weg, denn wer nicht wirklich einfordert, der fördert am Ende auch nicht.
    Kapern: Aber, Frau Lohse, wenn es tatsächlich so ist, wie Sie sagen, dass die allermeisten Flüchtlinge sehr wohl sehr schnell sehr weitgehend integriert werden, warum dann ein Gesetz, das ja möglicherweise, so wie es auch Kritiker sagen, dem Vorurteil Vorschub leistet, die wollen sich eben doch nicht integrieren?
    Lohse: Ich finde, das ist ein falscher Vorwurf, denn wenn auch nur wenige sich vielleicht nicht integrieren wollen, hätte dieses Gesetz schon einen Sinn, weil es auch sehr deutlich macht, welchen Weg wir gehen wollen. Wir wollen den Menschen Angebote machen, aber wir wollen am Ende auch keine Ghettos und keine Parallelgesellschaften. Wir möchten Menschen, die integriert sind in die Gesellschaft, in den Arbeitsmarkt, und da sind solche Maßnahmen richtig. Es stellt ja auch keiner eine grundsätzliche Schulpflicht bei deutschen Kindern in Frage.
    "Keine Wohnsitzauflage ist integrationsfeindlich"
    Kapern: Schauen wir mal auf einige der Eckpunkte, die da vereinbart worden sind, von denen Sie sagen, die Städte hätten die schon lange gefordert. Dazu zählt zum Beispiel das Recht, Flüchtlingen einen Wohnort zuzuweisen. Nun soll das so kommen. Was ist damit gewonnen?
    Lohse: Das ist eine lange Forderung, die haben wir schon im Herbst aufgestellt, nämlich die sogenannte Wohnsitzauflage. Und sie soll diejenigen Flüchtlinge treffen, die Sozialhilfe beziehen oder später Hartz IV beziehen und die keine Arbeit haben, dass diejenigen, die in periphereren Räumen sind, die verteilt sind über Deutschland, nicht nach dem Wegfall der Residenzpflicht dann unmittelbar in die Ballungsräume ziehen, weil wir brauchen dringend eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge. Es dürfen sich keine Ghettos bilden. Die großen Städte und Ballungsräume haben schon sehr viel mit den ihnen zugewiesenen Asylbewerbern und Flüchtlingen zu tun und können das dann gar nicht mehr leisten, so dass keine Wohnsitzauflage integrationsfeindlich ist, weil durch die Wohnsitzauflage sind die Flüchtlinge eher verteilt über Deutschland und da kann man sich dann auch viel besser um den einzelnen Menschen kümmern.
    Kapern: Jetzt sitzen dann demnächst mit dieser Wohnsitzauflage - so muss man sich das ja wohl vorstellen - Flüchtlinge auch in der tiefsten deutschen Provinz, in Dörfern, in denen es möglicherweise nicht mal eine Kirche und einen Schützenverein gibt. Wie soll da Integration gelingen?
    Lohse: Die Menschen leben dort, wo auch die einheimische Bevölkerung lebt, nämlich schön verteilt über das Land, und auch dort kann man sehr gut leben. Man kann nicht nur in Ballungsräumen gut leben; man kann auch in kleineren Städten gut leben. Und gerade auch dort vor Ort in kleineren Städten gibt es unglaublich viele Integrationsangebote, auch freiwillige, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Ich glaube am Ende, dass sogar diejenigen, die nicht in den großen Ballungsräumen sich wiederfinden, deutlich schneller die Sprache erlernen können und vielleicht auch einen Arbeitsplatz finden, denn wir haben viele Mittelständler, die gerade nicht in den Ballungsräumen ihre Arbeitsplatzangebote haben.
    Kapern: Nun sagen Experten, die sich da auskennen, dass eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge in Konflikt steht mit der Genfer Flüchtlingskonvention, dieser Flüchtlingskonvention widerspricht. Kümmert Sie das?
    Lohse: Wir werden sicherlich auf der Bundesebene keine Gesetze erlassen, die der Genfer Flüchtlingskonvention widersprechen, sondern es gibt Einschränkungen. Es gibt eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der in diesen Sonderfällen eine Wohnsitzauflage zulässt, und an dieser Rechtsprechung muss man sich orientieren. Und es wird ja auch nicht eingegriffen in das Grundrecht der Freizügigkeit. Selbstverständlich können sich auch die Flüchtlinge mit Wohnsitzauflage frei bewegen. Aber ich glaube, eine Gesellschaft darf verlangen, wenn sie Sozialleistungen gibt und wenn sie Angebote macht, dass die auch verlässlich angenommen werden und dass sie dann auch weiß, wo die Menschen leben.
    "Möglichst schnell einen strukturierten Arbeitstag"
    Kapern: Das Gesetz soll ja auch den Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt erleichtern, Frau Lohse, zum Beispiel dadurch, dass 100.000 Jobs geschaffen werden, die, sagen wir mal, Ein-Euro-Jobs gleichen. Welche Rolle spielen dabei Kommunen? Was hat Ludwigshafen, Ihre Stadt da im Petto an Ein-Euro-Jobs, die man Flüchtlingen anbieten kann?
    Lohse: Das ist ein ganz guter Weg, ganz niederschwellig die Menschen in Arbeit zu bringen. Wir haben auch schon begonnen mit ersten Angeboten. Es ist für uns ganz wichtig, dass die vor allem jungen Männer, die im Moment in diesen Notaufnahme-Einrichtungen leben, möglichst schnell einen strukturierten Arbeitstag haben und dass sie nicht langweilig in den Notunterkünften sitzen. Deswegen haben wir auch diese Arbeitsgelegenheiten jetzt begonnen einzuführen und auch parallel Sprachkurse, so dass sich der Tag für die Flüchtlinge strukturiert.
    Kapern: Frau Lohse, nun beklagen sich die Kommunen ja sehr, sehr häufig darüber, dass Bund und Länder Gesetze erlassen, deren Folgekosten dann die Kommunen zu tragen haben. Wittern Sie eine solche Kostenfalle auch bei diesem Gesetz?
    Lohse: Über dieses Gesetz ist jetzt viel gesprochen worden, über die Kosten überhaupt nicht. Das ist eine unserer Dauerforderungen, nämlich, dass die Kommunen unbedingt finanziell entlastet werden müssen. Man darf nicht die Kosten für Asylbewerber und Flüchtlinge sozusagen kommunalisieren, denn der Kostenersatz, den wir bislang erhalten, der ist einfach viel zu niedrig. Wir wollen integrieren vor Ort. Integration funktioniert vor Ort. Wir brauchen aber dringend auch eine deutliche Kostenentlastung und da richten wir unsere Forderungen an Bund und Länder, ganz konkret an den Bund mit der Forderung, dass man uns entlastet von den Kosten der Unterkunft. Wenn nämlich die Flüchtlinge anerkannt sind und Hartz-IV-Leistungen erhalten, dann erhalten sie auch die Kosten der Unterkunft. Das ist ein ganz großer Anteil an den Kosten. Davon trägt die Kommune einen erheblichen Anteil und wir fordern, dass die flüchtlingsbedingten Anstiege bei den Kosten der Unterkunft erstattet werden.
    Kapern: … sagt Eva Lohse, die Präsidentin des Deutschen Städtetages, heute Morgen im Deutschlandfunk. Frau Lohse, danke, dass Sie Zeit für uns hatten. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und sage auf Wiederhören.
    Lohse: Auf Wiederhören! Danke schön!