In vier Wochen beginnt Karim Latif mit einer sechsmonatigen Einstiegsqualifzierung. Das heißt, er geht zwei Tage zur Schule und arbeitet drei Tage bei Dürr Dental in Bietigheim-Bissingen. Nach dem halben Jahr hofft er einen Ausbildungsplatz bei dem baden-württembergischen Medizintechnikunternehmen zu bekommen:
"Zum Beispiel Marketing oder Industriekaufmann."
Karim Latif heißt in Wirklicht anders. Der 25-Jährige studierte nach dem Abitur in seiner Heimat zwei Jahre lang Wirtschaft, in Syrien.
Die Situation wurde unerträglich, er und sein Bruder flüchteten über das Mittelmeer. Vor einem Jahr kamen sie in Deutschland an. Seine Eltern leben immer noch in Damaskus.
In Deutschland angekommen, beginnt er sofort zu lernen: besucht Sprachkurs und einen Integrationskurs. Im August hat er zwei Wochen bei Dürr Dental ein Praktikum gemacht.
"Ich habe viele Abteilungen besucht: Fräsabteilung und Entwicklung."
Die helfende Hand der Integrationslotsen
Für die Vermittlung von jungen Flüchtlingen wie Karim stehen in Baden-Württemberg seit Beginn des Jahres Integrationslotsen zur Verfügung. Eine davon ist Annika-Maren Gebauer. Sie ist heute zu Besuch bei der Mannheimer Personalabteilung von John Deere. Personaldirektor Ingolf Prüfer begrüßt die Fachfrau, die beiden arbeiten seit Monaten erfolgreich zusammen.
Heute wird die zweite Vermittlungsrunde besprochen, die in Kürze starten soll. Bei John Deere hat man bereits Erfahrung - vor allem mit minderjährigen und unbegleiteten Flüchtlingen:
"Also wir hatten vier Praktikanten. Einer davon ist jetzt in einer Berufsausbildung. Die drei anderen sind zurückgegangen in den Abschluss der Hauptschule."
Einstellungshindernis Bürokratie
Mit rund 2.900 Mitarbeitern ist das John Deere Werk Mannheim Deutschlands größter Hersteller und Exporteur landwirtschaftlicher Traktoren. Das Unternehmen werde auch künftig gerade minderjährigen Flüchtlingen eine Chance geben. Wie mittlerweile viele baden-württembergische Firmen, setzt man hier bei Vermittlung der Flüchtlinge auf Integrationslotsen. Unabhängig von den Betriebsgrößen, vielen Personalchefs sind die bürokratischen Hürden bei der Beschäftigung von Flüchtlingen einfach zu hoch.
Jedes Unternehmen hat spezielle Anforderungen und dadurch ergeben sich auch jeweils sehr individuelle Fragen, erklärt Personaldirektor Prüfer:
"Welche rechtlichen Grundvoraussetzungen müssen wir erfüllen? Gerade bei den Jugendlichen, die brauchen einen Vormund, die sind häufig unter 18 Jahre. Wir regelt man überhaupt einen Arbeitsvertrag, einen Ausbildungsvertrag, einen Praktikantenvertrag, das muss ein Vormund mitunterschreiben. Da kann uns Frau Gebauer natürlich helfen, mit dem Jugendamt die Kontakte aufzunehmen, mit den Pflegefamilien. Dann geht es darum, die Ausländerbehörde einzuschalten, wie ist das Bleiberecht.
Einzelne Personalabteilungen seien überfordert, diese ganzen Themen aufzugreifen, ist sich Prüfer sicher.
Die Arbeit der Integrationslotsen beginnt jedoch wesentlich früher. Angestellt ist Lotsin Gebauer bei dem Unternehmen BBQ, einem Bildungsträger, der mit dem Arbeitgeberverband Südwestmetall kooperiert. Südwestmetall wiederum finanziert mit einer Million Euro fünf Integrationslotsen in Baden-Württemberg. BBQ ist auch Anlaufstelle für viele Flüchtlinge, unter anderem werden dort Deutschkurse angeboten:
"Und die Kollegen wiederum kennen natürlich die einzelnen Personen sehr gut und können die natürlich wiederum mir empfehlen, wenn ich von offenen Positionen weiß. Das funktioniert bisher eigentlich ganz gut."
Die Lotsen selbst sind in der Regel sehr gut ausgebildete Fachleute. Frau Gebauer ist Geistes- und Sozialwissenschaftlerin und hat zuvor bei der Stiftung der Deutschen Wirtschaft gearbeitet.
Kommunikation ist das A und O
Vor jeder Vermittlung steht ein intensives Gespräche mit dem Arbeitsuchenden:
"Und oft gehe ich auch zu Vorstellungsgesprächen mit, um ihn da zu unterstützen und zu begleiten. Danach schauen wir, wenn er dann im Betrieb ist, fragen mal nach, wie läuft das?"
Die Wirtschaft zeige großes Interesse, doch nahezu alle Flüchtlinge brauchen im Moment vor allem noch etwas Zeit, um die Sprache zu lernen. Das Tempo, das der Syrer Karim Latif vorgelegt hat, ist wohl doch eher die Ausnahme.