Für den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt ist es wie ein Lottogewinn: Intel will sich in Magdeburg ansiedeln und dort einen Fertigungskomplex für Computerchips errichten. Das US-Unternehmen will dafür 30 Milliarden Euro in die Hand nehmen, hat aber zugleich auch erhebliche staatliche Subventionen herausgehandelt: Der deutsche Steuerzahler beteiligt sich an dem Projekt mit knapp zehn Milliarden Euro.
- Was plant das Unternehmen Intel in Magdeburg?
- Was kostet die Chipfabrik und wie viel staatliche Förderung gibt es?
- Warum zahlt der Staat so hohe Subventionen an Intel?
- Welche Probleme sind mit solchen milliardenschweren Ansiedlungen verbunden?
- Welche Kritik gibt es an den hohen Fördergeld-Summen?
- Werden auch noch andere Unternehmen aus der Chipindustrie in Deutschland gefördert?
Was plant das Unternehmen Intel in Magdeburg?
Intel - einer der führenden Chip-Produzenten der Welt - will in Magdeburg zwei moderne Fertigungsanlagen für Halbleiter bauen. Das erste der zwei geplanten Werke soll etwa vier bis fünf Jahre nach der Genehmigung des kompletten Subventionspakets durch die EU in Betrieb gehen.
Dem Unternehmen zufolge werden in dem auch als "Silicon Junction" bezeichneten Komplex rund 3000 qualifizierte Arbeitsplätze im Hightechbereich geschaffen, Tausende zusätzliche Jobs sollen bei Zulieferern und Dienstleistern entstehen. Gleiches wird auch für die Baubranche erwartet.
Was kostet die Chipfabrik und wie viel staatliche Förderung gibt es?
Der US-Chipkonzern investiert mehr als 30 Milliarden Euro in den Komplex in Magdeburg und bekommt dafür staatliche Gelder in Höhe von maximal 9,9 Milliarden Euro. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz ist es die höchste Direktinvestition eines ausländischen Unternehmens in der Geschichte der Bundesrepublik.
Die Höhe der Subventionen war einer der Knackpunkte bei den Verhandlungen zwischen Staat und Unternehmen. Die Bundesregierung stockte ihre Förderzusage von ursprünglich 6,8 Milliarden Euro auf 9,9 Milliarden Euro auf, nachdem Intel die Investitionssumme von anfänglich 17 Milliarden Euro auf die nun zugesagten mehr als 30 Milliarden Euro erhöhte.
Ist die Produktion einmal angelaufen, könnte das Unternehmen noch von weiteren Subventionen profitieren. Laut dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), soll es unter anderem Absprachen über möglichst niedrige Stromkosten für die Chipfabrik geben.
Dazu zähle auch die Entwicklung eines Konzeptes für wettbewerbsfähigen Industriestrom, so Haseloff. Dies sei bereits mit dem Unternehmen und einer Arbeitsgruppe im Kanzleramt besprochen worden. Laut dpa steht Intel in Verhandlungen mit einem örtlichen Energieversorger über einen durchschnittlichen Strompreis von zehn Cent je Kilowattstunde für 20 Jahre.
Warum zahlt der Staat so hohe Subventionen an Intel?
Die Bundesregierung will nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gezielt Branchen fördern, die strategisch wichtig sind. Vor dem Hintergrund abgebrochener Lieferketten durch Pandemien oder Kriege hat sich in den Industriestaaten die Überzeugung durchgesetzt, dass man lebenswichtige oder zukunftsträchtige Produkte und Güter - wie beispielsweise Medikamente oder Computerchips - nicht ausschließlich in Ländern wie China produzieren lassen kann.
Das Gießkannenprinzip will die Regierung aber vermeiden. Es werde keine Förderungen für alle Unternehmen geben, sondern nur für ausgewählte Projekte, sagt Habeck. Halbleiter hätten eine besondere Bedeutung: "Sie werden in Zukunft überall sein." Gleichzeitig seien die Produktionskapazitäten in Deutschland und Europa überschaubar. Deswegen seien die Intel-Subventionen auch eine Investition in die Wirtschaftssicherheit.
So ähnlich wird das auch auf europäischer Ebene gesehen. Die Europäische Union will die Produktion von Halbleitern massiv erhöhen und damit unabhängiger von Asien werden. Das sieht der sogenannte Chips Act vor. Die EU strebt an, ihren Weltmarktanteil von zehn Prozent auf "mindestens 20 Prozent bis 2030" zu steigern.
Da weltweit immer mehr Chips nachgefragt werden, müsste die Union ihre Produktion dafür laut Prognosen vervierfachen. Die EU-Kommission hatte bereits vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine im Februar 2022 vorgeschlagen, 43 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln zu mobilisieren.
Welche Probleme sind mit solchen milliardenschweren Ansiedlungen verbunden?
Intel bringt mit seinem Mikrochip-Projekt viele Arbeitsplätze nach Sachsen-Anhalt. Das Unternehmen benötigt aber zugleich auch viele Ressourcen. Es entschied sich unter anderem deswegen für Magdeburg, weil die Kommune große Flächen für den Bau der beiden Werke bieten konnte. Aus Umweltsicht ist aber die nötige Versiegelung des Bodens problematisch, ebenso der künftige Wasserverbrauch. Denn der ist enorm.
Die Mikrochipfabriken von Intel in Irland - ein vergleichbares Werk - verbrauchen 600.000 Kubikmeter Wasser im Monat. Über das Jahr hochgerechnet sind das knapp zwei Drittel des jährlichen Wasserverbrauchs der ganzen Stadt Magdeburg. Und Sachsen-Anhalt leidet seit Jahren unter anhaltender Trockenheit. Die Folge: Das Grundwasser ist im Durchschnitt um 60 Zentimeter abgesunken und steht so tief wie seit 30 Jahren nicht mehr. Das zeigen Zahlen des Landesamts für Umweltschutz.
Der Wasserverbrauch ist nicht die einzige offene Frage bei der Ansiedlung der Mikrochipfabriken. Ebenfalls noch ungeklärt: Wo sollen die ganzen Fachkräfte für Intel herkommen? Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat dem US-Unternehmen versprochen, die Fachkräfte für die Chipfabriken zu liefern - oder rechtzeitig auszubilden. Aber bislang gibt es in Magdeburg noch keine Mikrochip-Industrie, und an der Universität Magdeburg sind Studierende in Masterstudiengängen mit Halbleiter-Bezug eher eine Rarität.
Welche Kritik gibt es an den hohen Fördergeld-Summen?
Ökonomen haben skeptisch bis sehr kritisch auf die Fördersumme von knapp zehn Milliarden Euro für Intel in Magdeburg reagiert. Der stellvertretende Leiter des Ifo-Instituts Dresden, Joachim Ragnitz, wirft der Politik sogar vor, dass sie sich über den Tisch hat ziehen lassen: "Weil sie gesagt hat, wir wollen euch unbedingt." Damit sei das Unternehmen eingeladen worden, die Forderungen hochzutreiben.
Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Reint Gropp, sieht in den Subventionen für Intel eine Verschwendung von Steuergeldern. Man könnte das Geld "deutlich besser anderweitig" ausgeben, meint er. Es sei außerdem fraglich, ob die geostrategischen Ziele der Ansiedlung überhaupt erreicht würden. Und mittel- und langfristig könne Deutschland im globalen "Subventionswettlauf" sowieso nicht mithalten.
"Die überwiegende Menge an Chips wird weiterhin woanders produziert werden. Die Vorprodukte für die Chip-Produktion in Magdeburg werden weiterhin aus Asien kommen. Wir werden also auch nicht unabhängiger sein. Und wir subventionieren mit großen Mengen Geld Arbeitsplätze in einem Arbeitsmarkt, wo Arbeitskräftemangel herrscht", sagt Gropp.
Auch einige Wirtschaftsvertreter sehen die Milliarden für das US-Unternehmen sehr kritisch. "Die astronomische Summe, die Intel als Subventionen von der Bundesregierung zugesagt bekommen hat, ist kaum noch zu rechtfertigen", schimpft der Vorsitzende des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger. Es sei eine bedenkliche Entwicklung, dass sich Großinvestoren scheinbar nur noch bei erheblicher öffentlicher Kofinanzierung für den Standort Deutschland entschieden.
Für den geschäftsführenden Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bundes (DMB), Marc Tenbieg, ist die Ansiedlung des Chipherstellers in Magdeburg "extrem teuer erkauft". Der Mittelstand in Deutschland kämpfe ums Überleben, sagt er: "Maßlose Subventionierungen US-amerikanischer Unternehmen helfen nicht der deutschen Wirtschaft und brüskieren den innovativen Mittelstand."
Werden auch noch andere Unternehmen aus der Chipindustrie in Deutschland gefördert?
Weltweit pumpen Halbleiter-Konzerne Milliarden in neue Fabriken, um die rasant wachsende Nachfrage zu bedienen. Dabei fließen oft hohe staatliche Hilfen, weil die Regierungen die Produktion dieser im Technologie-Zeitalter besonders wichtigen Güter ins eigene Land holen wollen.
Neben Intel in Magdeburg investiert auch Infineon in Deutschland. Der deutsche Chip-Hersteller erweitert sein Werk in Dresden für fünf Milliarden Euro. Das ist nach Angaben von Infineon die größte Einzel-Investition der Firmengeschichte. Die neue Fabrik soll 2026 den Betrieb aufnehmen. Infineon strebt eigenen Angaben zufolge einen staatlichen Zuschuss von rund einer Milliarde Euro an.
Im Saarland zieht der US-Spezialist für Leistungshalbleiter Wolfspeed für fast drei Milliarden Euro ein Werk hoch - das Unternehmen hofft darauf, dass 20 bis 25 Prozent davon vom Steuerzahler getragen werden. Die Produktion soll 2027 starten. Außerdem baut der Autozulieferer Bosch für drei Milliarden Euro seine Chip-Produktion aus. Dazu sollen die Fabriken in Dresden und Reutlingen bis 2026 erweitert werden.
Und auch das Unternehmen TSMC denkt über den Bau einer Halbleiter-Fabrik in Dresden nach. Der taiwanische Chip-Hersteller sieht sich dabei auf einem guten Weg. Laut TSMC werden gerade Gespräche geführt, wie stark der Bau des Werks von der deutschen Regierung unterstützt werden kann.
Niklas Ottersbach, ahe, rtr, dpa, afp