Bis beide Männer im Jahre 1915 erstmals aufeinandertrafen, sahen sie sich nicht, feuerten nur ihre Gewehre aufeinander ab und hörten durch die über den Gräben hängenden Rauchschwaden den dumpfen Klang der Kirchenglocke von Le Godat, einem kleinen französischen Dorf unweit der Marne bei Reims. Und doch legte diese feindliche Begegnung den Keim einer Freundschaft, obgleich beide Männer sich wieder als Feinde gegenüberstehen sollten – als Sieger und Besiegte.
Über 25 Jahre später, während der deutschen Besatzung Frankreichs, notierte Ernst Jünger mehrfach in seinen Tagebüchern, dass er den französischen Schriftsteller Pierre Drieu la Rochelle getroffen habe. So am 13. November 1943 im "Deutschen Institut", der drei Jahre zuvor gegründeten Kulturabteilung der Botschaft des "Deutschen Reiches" in Paris:
"Abends im Deutschen Institut. Dort der Bildhauer Breker mit seiner griechischen Frau, ferner Abetz, Abel Bonnard und Drieu la Rochelle, mit dem ich 1915 Schüsse wechselte. Das war bei Le Godat, dem Orte, wo Hermann Löns gefallen ist."
Es war kaum zufällig, dass beide Männer in der Zeit des Vichy-Regimes abermals aufeinandertrafen – an einem Ort, den häufig Kollaborateure des französischen Kulturlebens besuchten: Er, Drieu, der in Romanen wie "Das Irrlicht" und "Verträumte Bourgeoisie" die bürgerliche Gesellschaft als materialistisch, egoistisch und gefühlskalt geißelte und nun Chefredakteur der unter deutscher Ägide erscheinenden Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Française" war. Und Jünger, der Schriftsteller und Hauptmann der Deutschen Wehrmacht, der in Büchern wie "In Stahlgewittern" oder "Das abenteuerliche Herz" dem Grauen des Krieges ästhetische Formen abgewann.
Beide sahen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die westliche Zivilisation in der Krise und suchten nach einer Alternative, zu der in ihren Augen allein vom Geld bestimmten bürgerlichen Welt. Beide lehnten entschieden die liberale Demokratie ab, die ihnen als Hort von Materialismus und Dekadenz erschien, doch verwarfen sie genauso den Marxismus, der für sie auf dasselbe hinauslief.
Nahezu gleichaltrig verkörpern Drieu und Jünger auf diese Weise die Zerrissenheit der Epoche, ihre Ängste, Hoffnungen und Gefährdungen, suchten als Schriftsteller und politische Theoretiker nach einem dritten, antikapitalistischen Weg in die Moderne.
Wie der 1895 geborene Jünger wuchs auch der zwei Jahre ältere Drieu in eine Zeit großer Veränderungen hinein: Denn im 19. Jahrhundert verließen auf beiden Seiten des Rheins die Bauern ihre Dörfer, um in den Fabriken der größer werdenden Städte zu arbeiten, kämpfte die bäuerliche Mentalität, wonach Handel und Reichtum eher Gründe zum Argwohn waren, mit jener neuen, modernen, nach der dies nunmehr den Zweck des Lebens bedeutete.
Wie Jünger, dessen Vater ein Bergwerksbesitzer aus Heidelberg war, entstammte auch Drieu einer bürgerlichen Familie. Als Sohn eines Pariser Anwalts sah er sich daher genauso konfrontiert mit den Sichtweisen, zu denen die Bourgeoisie in der noch jungen Industriegesellschaft fand: mit der Angst, in der Masse zu verschwinden, angesichts einer wachsenden Arbeiterschaft, die sich in Gewerkschaften organisierte. Mit dem Pessimismus, angesichts einer unübersehbar gewordenen Kultur mit dem bürgerlichen Hang zum Kalkül vor allem, der sich in Besitzdenken und Geldheiraten manifestierte.
Und wie Jünger, der in Deutschland das Gymnasium besuchte, erhielt auch Drieu auf dem französischem Lycée eine Schulbildung, die sich dagegen unzeitgemäß ausnahm, da sie die modernen Sprachen vernachlässigte und die naturwissenschaftlichen Fächer, und sich stattdessen an der klassischen Antike orientierte.
In derart idealistischem Geist erzogen, tat sich für beide schon früh eine Kluft zur realen Welt auf, erschien ihnen die pulsierende Industriegesellschaft als seelenlos, verlachten sie ihren Materialismus und ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Komfort.
So betrachteten beide schon früh Nietzsches Philosophie als willkommene Alternative, da sie das Irrationale und Lebendige betonte, suchten beide als Jugendliche die bürgerlichen Konventionen hinter sich zu lassen und in Afrika ihren Hunger nach dem Elementaren zu stillen.
Jünger meldete sich wie viele andere Gymnasiasten im Sommer 1914 freiwillig zum Kriegsdienst. Und auch Drieu, dessen Regiment im August 1914 von Paris an die Front fuhr, wollte seinem forcierten Idealismus Ziel und Richtung geben.
Jünger wurde in den vier Jahren, die er an der Westfront verbrachte, 14 Mal verwundet und mit den höchsten Orden einschließlich des Pour le Mérite dekoriert. Und Drieu, nach Kampfeinsätzen in Frankreich und den Dardanellen ab 1916 kriegsverwendungsunfähig, versuchte sich dennoch bis Kriegsende immer wieder zur kämpfenden Truppe versetzen zu lassen.
In den Angriffen, die sie erlebten, hob sich für sie die Atomisierung auf, zu der die Massengesellschaft das Individuum verdammt zu haben schien. Der Krieg – in ihren Augen überwand er das rationalistische Universum, das sie als Schüler und Studenten vorher umgab. In seinem mörderischen Chaos sahen sie im Frontsoldaten den authentischen Menschen wiederkehren, den die künstliche, bürgerliche Welt verneinte.
Der Krieg – er erschien beiden als inhärentes Gesetz der Natur, der die Gesellschaft von ihrem Materialismus reinige und Macht und Kreativität des menschlichen Instinktes wiederherstelle.
Doch aus dem Krieg ging für beide keine neue Welt jenseits der bürgerlichen hervor. In Frankreich lief danach das gewohnte Leben weiter: samt der Affären und Geldheiraten der französischen Oberschicht, die ihren Luxus aufreizend zur Schau stellte; samt der Konflikte zwischen Arbeitern und Unternehmern, die sich in großen Streiks entluden, samt des Parlamentarismus nicht zuletzt, in dem viele Menschen nur die korrupten Machenschaften von Politikern erkannten, ganz gleich ob sie von der Linken oder Rechten waren.
So erregte 1928 die Affäre Hanau die Öffentlichkeit, in die führende Repräsentanten des parlamentarischen Linkskartells verwickelt waren und 1929 brachten die politischen Verbindungen des Bankiers Albert Oustric den konservativen Parlamentsabgeordneten Raoul Péret zu Fall.
Drieu lebte nach dem Krieg als schriftstellernder Décadent, der die Dekadenz denkt: Er kritisierte das bürgerliche Zweckdenken, doch heiratete er selbst zweimal aus finanziellem Kalkül und lebte vom Geld seiner geschiedenen Frauen; er rügte die Eigensucht der Bourgeoisie, ihr von Drogenexzessen und Bordellbesuchen durchzogenes Leben, doch er war all dem selbst verfallen. Immer wieder suchte er nach einer Alternative zur verhassten, bürgerlichen Gesellschaft.
Anfangs verkehrte er mit dem Maler André Breton und dem Dichter Luis Aragon, die mit dem Kommunismus sympathisierten. Doch enttäuschte ihn, dass sie nur diskutierten und nicht handelten. Später trat er dem konservativen "Redressement français" bei. Dort verdross ihn dessen unsoziales Programm. Noch später schloss er sich der sozialistischen "Parti radical" an, aber abermals frustrierte ihn, dass diese für die Demokratie eintrat und – damit den Kapitalismus verteidigte. 1934 schrieb Drieu in seinem Roman "La Comédie de Charleroi":
"Ich bin nicht von links. Ich bin auch nicht von rechts. Ich bin gegen die Alten. Sie sind alt auf der Linken und auf der Rechten. Das war alles, was ich wusste, seit ich aus dem Krieg zurückkehrte."
In Deutschland polemisierte Jünger seit 1925 auf der Seite der rechten Opposition gegen die Weimarer Republik: In seinen Schriften prangerte er ihre politische Instabilität an, die sich in Umsturzversuchen wie dem rechtsgerichteten Kapp-Putsch 1920 oder dem kommunistischen Leuna-Aufstand 1921 manifestierte. Verdammte die ideologischen Streitigkeiten ihrer Regierungen, die in 13 Jahren nicht weniger als 14 Mal wechselten. Verhöhnte ihren bürgerlichen Utilitarismus, mit dem sie unter anderem die agrarisch orientierte Landvolkbewegung bekämpften.
Vor allem in Zeitungen der nationalistischen Rechten wie "Arminius" oder "Die Standarte" erschienen die republikfeindlichen Pamphlete Jüngers. 1929, im Jahr der Wirtschaftskrise, notierte Jünger in seiner Erzählung "Das Abenteuerliche Herz":
"Unsere Hoffnung ruht in den jungen Leuten, die an Temperaturerhöhung leiden, weil in ihnen der grüne Eiter des Ekels frisst, in den Seelen von Grandezza, deren Träger wir gleich Kranken zwischen der Ordnung der Futtertröge umherschleichen sehen."
Für Jünger verkörperte diese Hoffnung ein neuer Menschentyp, den er durch die moderne Technik heraufkommen sah: der Arbeiter. Anders als der Bürger, der nur verhandele, kalkuliere, Gewinn und Sicherheit suche, so Jünger darin, strebe der Arbeiter nach dem Elementaren: Setze sich Gefahr aus und kämpfe, erteile Befehle und gehorche ihnen. Weil nur letzteres "wirkliche Herrschaft" bedeute, sei nur der Arbeiter dazu berufen.
Jünger entlehnte diese Figur dem Soldaten: Eingedenk der Erfahrungen Krieges, in dem Menschen durch industrialisierte Technik starben, sodass sich dies als Produkt einer Art Arbeit zeigte, überzeugt, die elementare Kraft der Technik breche überhaupt in der modernen Gesellschaft herein, sodass sich Menschen auch im Frieden rüsten und mobilisieren würden.
In ihr ersetzt ein Arbeitsplan die Verfassung, regelt eine straffe Organisation Wirtschaft, Bildung und Kultur, existiert Gemeinbesitz, der nur Häuser und Boden ausspart. Entstehen mit "Technikern" und "Spezialisten" neue Hierarchien. Angesichts des technischen Fortschritts sah er einen "totalen Arbeiterstaat" kommen, der sich universal ausbreitet und Nationen negiert.
Jünger beschwor die Sehnsucht aller rechten Kräfte nach Ungleichheit und Hierarchie, verband sie mit der linken Tendenz, Unterschiede zu egalisieren, paarte sie mit einem nietzscheanischen Willen zur Macht und zur Irrationalität. Aber vor allem drückte er die Idee aus, den Individualismus zu überwinden.
Wie viele andere europäische Intellektuelle war Jünger in den 1920er-Jahren gleichermaßen fasziniert vom sowjetischen Kommunismus und dem italienischem Faschismus, die die Volksmassen in einem Kollektiv mobilisierten. Er sah klar, dass die moderne Apologie des Einzelnen am Anfang all dessen stand, was er als Kapitalismus, Demokratie und Dekadenz anprangerte.
Denn die Philosophen der Aufklärung betrachteten den Menschen abstrakt, als "frei" und "gleich".
Sie gestanden damit einem jeden zu, sich wirtschaftlich und politisch frei zu betätigen – getreu der Vernunft, die für sie zuerst bedeutete, den eigenen Vorteil zu suchen, gemäß dem Recht dazu, was sie später in den bürgerlichen Verfassungen verankerten: Hierdurch drängte der moderne Mensch die Wirtschaft aus den Bauernhöfen der noch agrarisch geprägten, feudalen Epoche und schuf in den Fabriken der Städte immer mehr Wohlstand.
Aber hierdurch ließ er auch die festen Bindungen von Stand, Tradition und Religion hinter sich und fand in Nation und Klasse nur flüchtige, neue. Jünger erschien er daher nur wie ein Atom in einer Masse: haltlos, selbstsüchtig, ausgesetzt widerstreitenden politischen Interessen, die das Gemeinwohl untergruben. In "Der Arbeiter" schrieb er:
"Im engsten Verhältnis zur Gesellschaft steht endlich der Einzelne, jene wunderliche und abstrakte Figur des Menschen, die kostbarste Entdeckung der bürgerlichen Empfindungskraft und zugleich der unerschöpfliche Gegenstand ihrer künstlerischen Bildungskraft.
Praktisch allerdings sieht sich der Einzelne nicht der Menschheit gegenüber, sondern der Masse, seinem genauen Spiegelbilde in dieser höchst sonderbaren, höchst imaginären Welt. Denn die Masse und der Einzelne sind eins, und aus dieser Einheit ergibt sich das verblüffende Doppelbild von buntester, verwirrendster Anarchie und der nüchternen Gesellschaftsordnung der Demokratie, welches das Schauspiel eines Jahrhunderts war."
Der zersetzenden, atomisierenden, Chaos bringenden Freiheit stellte Jünger eine Idee der Freiheit entgegen, die schon romantische Intellektuelle wie Novalis oder Adam Heinrich Müller im 18. Jahrhundert im Munde führten. Ernüchtert von den nivellierenden Tendenzen der Moderne und bestrebt, einen dritten Weg zwischen feudaler und kapitalistischer Gesellschaft zu suchen, verwurzelten diese in Zünften und Ständen die individuelle Freiheit. Sie lösten sich damit von der Gleichheit, an die sie die Aufklärer banden; sahen sie als positive, bejahende, "organische Freiheit". Hofften, sie sichere so nicht nur die Tradition und das Wohl des Einzelnen, sondern auch das der Gemeinschaft.
Obgleich die gesellschaftliche Entwicklung diese Freiheit ad absurdum führte, prägte sie als Idee das deutsche Denken. Philosophen wie Hegel oder Historiker wie Friedrich Meinecke verankerten daher die individuelle Freiheit in metaphysisch überhöhten Kollektivgebilden wie der Nation und versöhnten sie dadurch mit ihr. Auch Jünger hing dieser Idee an: In seinen Kriegserzählungen beschwor er zwar den Heroismus des einzelnen Soldaten, doch bettete er ihn stets ein in die Gemeinschaft der "Feldgrauen". In "Der Arbeiter" schrieb er der gebundenen Freiheit planetarischen Charakter zu:
"Wir stehen in einem Prozess, durch den den allgemeinen Prinzipien Richtung gegeben wird und in dem die 'Freiheit wovon' sich wandelt in eine 'Freiheit wozu'."
Jünger überwand damit den egalitären, bürgerlichen Individualismus, aber genauso die Ideen von Klasse und Nation und von politscher Linken und Rechten. Er ließ somit das politische Koordinatensystem der Moderne hinter sich. Das blieb zeitgenössischen Kritikern nicht verborgen: Oswald Spengler, der konservative Geschichtsphilosoph, warf Jünger vor, er habe den Arbeiter nicht aus "kommunistischer Phraseologie" befreit. Während der kommunistische Philosoph Georg Lukasz dessen fehlende "Klassenanalyse" bemängelte. Die Nationalsozialisten rügten am Vorabend ihrer Machtergreifung, dass Jünger darin die rassische Dimension unberücksichtigt lasse. Der Autor näherte sich damit für sie der "Zone der Kopfschüsse", wie es menschenverachtend im "Völkischen Beobachter" hieß.
Jünger selbst verstand sein Buch vor allem als Diagnose einer Zeit, in der sich neue Formen ankündigen würden, die aber noch keine Kontur hätten. Als Werk, das den Nihilismus der Moderne überwindet und angesichts ihrer säkularisierenden Tendenzen Ausblick gibt auf eine neue Metaphysik: Denn wie Nietzsche glaubte Jünger, dass in der Welt das ewig Gleiche wiederkehre und – dass sich unter den verstörenden Erscheinungen an ihrer Oberfläche eine ewige, harmonische Ordnung verberge.
Jünger ahnte indessen früh, dass die Nationalsozialisten Deutschland in die Katastrophe stürzen würden. Obgleich sie genauso an Irrationalität, Kollektiv und soldatische Askese appellierten wie er in seinem Buch "Der Arbeiter", waren sie für ihn Vertreter des Nihilismus, den er gerade hinter sich zu lassen suchte. Jünger glaubte, dass den Lauf der Geschichte nicht politische Aktionen bestimmen würden, sondern metaphysische Figuren, und dass der isolierte, authentische Mensch am besten den Nihilismus überwinden könne. 1933 zog er sich aus den politischen Auseinandersetzungen zurück und sah sich vor allem als politischer Beobachter.
Auch Drieu glaubte, dass die moderne Dekadenz auf die rationalistische Idee des Individuums zurückgeht, auch er verdammte sie als bürgerlich und städtisch – so in seinem Buch "Sur les écrivains" von 1927:
"Wir können das Ergebnis des spirituellen Atomismus in den großen Städten sehen, wo sich der Staub treibender Individuen manchmal zu großen tragischen Wolken erhebt. Aber dort fehlt der rettende Blitz, der den Regen auslöst, sodass der Schlamm zu Ton werden und die Staubkörner binden kann."
Wie Jünger sympathisierte auch Drieu mit dem Kommunismus, lobte seine kollektive Dimension. Doch misstraute er der Marxschen Theorie, wonach einzig das Proletariat, die kulturfernste Klasse, den Menschen vom Kapitalismus befreien könne. Glaubte, es würde genauso leben und herrschen wollen, wie die Bourgeoisie, die einst das feudale System überwand.
Der Kommunismus – er erschien Drieu noch der rationalistischen Basis der Moderne verhaftet, als Zwilling des Kapitalismus, der die Menschen genauso ermuntere, endlos Güter zu produzieren und zu konsumieren, sodass er zwangläufig zum kleinbürgerlichen System werden müsse, beherrscht von Polizei und Militär, so wie es das Russland Stalins zeige. 1929 schrieb er in der Zeitschrift "L'Européen":
"Um zu leben, muss Europa seine originäre, vitale Formel finden: zwischen Moskau und New York, zwischen dem Superkapitalismus und dem Supersozialismus."
Die Möglichkeit für einen solchen dritten Weg in Frankreich sah Drieu Mitte der 1930er-Jahre gekommen: Zu diesem Zeitpunkt machte sich die Wirtschaftskrise von 1929 auch in Frankreich bemerkbar, bangten viele Franzosen um ihre Ersparnisse, stieg die Zahl der Arbeitslosen auf 300.000. Seit 1932 versuchten sechs Regierungen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Herr zu werden und 1934 kam es erneut zu einem Finanzskandal. In die Affäre Stavisky waren Mitglieder der sozialistischen Regierung verwickelt. Einmal mehr schien die parlamentarische Demokratie kompromittiert: Am 6. Februar 1934 forderten in Paris Tausende Anhänger rechter Organisationen, wie der "Croix de feux" oder der "Action française", den Rücktritt der Regierung und die Auflösung des Parlaments. Zwölf Menschen starben und Hunderte wurden verletzt.
Drei Tage später demonstrierten die Kommunisten. Wieder waren es Tausende, wieder gab es Tote und Verletzte. Angesichts der wütenden Menschen und schießenden Polizisten in Paris erwartete Drieu inständig, dass sich die radikalsten der linken und rechten Kräfte vereinen, um in Frankreich eine antiparlamentarische Bewegung zu schaffen. Doch seine Hoffnung zerstob nach wenigen Tagen. Drieu sollte dies 1939 in seinem autobiografischen Roman Gilles verarbeiten: Sein Held Gilles Gambier ist wie Drieu ein aus dem Krieg heimgekehrter Intellektueller. Wie er verabscheut dieser die Bourgeoisie, doch gehört er ihr selber an. Wie er sympathisiert dieser mit den Kommunisten, doch stößt er sich an ihrer verkappten Bürgerlichkeit. Nach dem blutigen Aufruhr in Paris sagt er:
"Jetzt werde ich mit jedem marschieren, der dieses Regime von der Erde fegt: mit jedem und zu jeder Bedingung."
Drieus "dritter Weg" hatte fortan einen Namen: Faschismus. Trotz aller Kritik am Rassengewese der Nationalsozialisten und trotz der Vorbehalte gegenüber Mussolinis Nationalismus war er fasziniert von den totalitären Bewegungen in Italien und Deutschland, die die Menschen auf einen neuen Mythos einzuschwören schienen. 1934 skizziert er in einem Buch einen "Socialisme fasciste" – einem sozialistischen Faschismus: Darin erscheint der Kapitalismus als eine reformierte, staatliche Institution, um die sich Unternehmer gruppieren, wie früher Lehnsherren um die Monarchie. Wenden sich die Regierenden über Radio und Presse direkt an die Menge und lassen das Parlament unnütz werden. Regiert eine Partei, die Kirche und Freimauerei, Kapitalisten und Arbeiter, Linke und Rechte dynamisch miteinander vermengt – sodass es weder herrschende noch unterdrückte Klassen gibt, sondern nur eine neue Elite, die die Führer stellt.
Drieu kombinierte in seinem faschistischen Sozialismus die Wirtschaftstheorien des englischen Ökonomen John Maynard Keynes mit einem Führertum, das sich durch einen nietzscheanischen Willen zur Macht legitimiert. Einmal mehr kommt darin die Faszination totalitärer Ideen zum Ausdruck, der in den krisenhaften 1920er und 1930er-Jahren viele Intellektuelle erlagen.
Und – für Drieu war es nur in einem geeinten Europa möglich, der modernen Dekadenz entgegen zu treten, künftig Kriege zu verhindern. Denn in der Idee der Nation manifestierte sich für ihn genauso die Idee des rationalistischen Individuums, die er bewältigen wollte: der bürgerliche Egoismus. So beschwor er die Eliten der europäischen Staaten, sich aus ihrem engstirnigen Nationalismus zu befreien, ein Europa der Faschismen zu bilden – so wie es auch Gilles vorschwebt, dem Helden aus seinem gleichnamigen Roman:
"Was war Europa, wie sollte es werden? Verschiedene Mächte müssen miteinander verbunden werden, ohne dabei eine zu verletzen, jede muss respektiert und ihr Eigenleben erhalten werden. Der Völkerbund war nur eine Abstraktion gewesen, eine Demütigung für die verschiedenen mächtigen Existenzen. Die Nationen müssen sich zusammentun unter einem umfassenden Begriff, einem Zeichen, das die Autonomie aller Quellen – der jeweils besonderen und universellen – garantiert."
Die französische Presse reagierte bestürzt auf Drieus Konzept eines sozialistischen Faschismus, das gefährliche Anleihen an den totalitären Bewegungen in Deutschland und Italien nahm und in dem Autonomie und Freiheit des Individuums einzig und allein Nietzsches Willen zur Macht bannte. Der sozialistische Faschismus schien sich gegen alle und jeden zu richten: gegen die konservativen Eliten, die Besitzbürger, die Mittelschichten, die Kommunisten und Reformisten. Trotz seiner ethischen Dimension musste er in den Augen vieler zwangsläufig in den Kult des Führers, der Aktion und der Dynamik münden, war dazu verdammt, politisch korrumpiert zu werden. Der liberale Schriftsteller Julien Benda beispielsweise schrieb 1934 über Drieu:
"Sein Faschismus ist weniger ein politisches Konzept, denn eine moralische Einstellung. Sein Faschismus hat ein sozialistisches Herz. Das ist sein Drama. Von moralischer Leidenschaft ergriffen, kann Drieu für das nicht belangt werden, was man gemeinhin politische Vernunft nennt."
Drieu war stets von der Vorstellung eines politischen Engagements getrieben, aber eines, was über die rationalistischen Kategorien von Verhandlung und Kalkül hinausging; was existenziell ist und absolut. Anders als bei Jünger, der die metaphysische Gewissheit besaß, dass das nihilistische Zeitalter des Individualismus sich seinem Ende nähere und der sich deshalb fern aller Politik hielt, schien sich bei Drieu das schlechte Gewissen des Bourgeois zu rühren: Seine zumeist autobiografischen Romane aus dem bürgerlichen Milieu erzählen denn auch stets von Menschen, die niemals "wir", aber immer "ich" sagen. Von Alain, dem des bürgerlichen Lebens überdrüssigen Protagonisten aus "Das Irrlicht", von Gilles, dem selbstsüchtigen, Frauen ausnutzenden Dandy. Selbst Dirk Raspe, den Helden eines dem Schicksal van Goghs nachempfundenen Künstlerromans, lässt Drieu sagen:
"Das ewige Heulen des Egoismus kommt vom Grunde meines Herzens."
Drieu, als Franzose zu sehr der rationalistischen Kultur der Aufklärung verhaftet, schien das "freie und gleiche Ich", das er an sich selbst erlitt und das er anders als Jünger nicht organisch in einem Kollektiv eingebettet denken konnte, in der nihilistischen Epoche immer wieder praktisch überwinden zu wollen.
So trat er denn 1936 mit anderen Intellektuellen wie dem Philosophen Bertrand de Jouvenel in die faschistische "Parti populaire français", des ehemaligen Kommunisten Jaques Doriot ein, begeistert von dessen sozialem Programm und überzeugt, dass nur ein starkes Frankreich eine Chance im kommenden Krieg habe. Über drei Jahre griff er als Chefredakteur der Parteizeitung "L'émancipation nationale" den Kapitalismus an, doch schon bald machte sich bei ihm Enttäuschung breit, dass Doriot die sozialistische Sache vernachlässigte. Im Januar 1939 verließ er die Partei.
Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen 1940 wurde Drieu zum leidenschaftlichen Kollaborateur. Für ihn hatte der moderne, kollektivistische Nationalsozialismus die alte, individualistische Kultur des bürgerlichen Frankreichs zerschlagen und war dabei, auch die anderen kapitalistischen Demokratien in die Knie zu zwingen.
Als Chefredakteur der Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Française" verhöhnte er die strategische Unfähigkeit der Armee Frankreichs, verfluchte die Uneinigkeit seiner politischen Klasse und prangerte die moralische Verkommenheit seines Bürgertums an. Nunmehr sah er Frankreichs Platz an der Seite Deutschlands. Und er hetzte gegen die Juden. Wie vielen anderen Menschen seiner Zeit galten sie ihm als Repräsentanten des modernen selbstsüchtigen Individuums.
Im Oktober 1941 begegnete Pierre Drieu la Rochelle im besetzten Paris zum ersten Mal Ernst Jünger. Beide Schriftsteller schätzten sich und trafen sich oft im Deutschen Institut oder im Salon der Amerikanerin Florence Gould, wo zu dieser Zeit namhafte Vertreter des literarischen Frankreichs verkehrten: etwa Jean Cocteau, Marcel Jouhandeau oder Pau Léautaud. Einige der Werke Jüngers wurden während des Krieges ins Französische übersetzt und befanden sich in Drieus Bibliothek.
Doch "Der Arbeiter", in dem Jünger die Idee einer organischen, dem Gemeinwohl verpflichteten Freiheit skizziert, war nicht darunter. Im Januar 1942 lobte Drieu Jünger daher zu Unrecht als einen "Repräsentanten des deutschen Rationalismus".
Zu diesem Zeitpunkt dauerte es nur noch wenige Monate bis Drieu nicht mehr an den Sieg Hitlers glaubte. Ernüchtert von den militärischen Misserfolgen und enttäuscht von seiner Politik, die die europäischen Völker versklavte, statt sie zu gleichberechtigten Partnern Deutschlands zu machen, stellte er im Juli 1943 seine Arbeit bei der "Nouvelle Revue Française" ein.
Fortan hoffte er auf den Sieg des Kommunismus. Er erschien ihm nunmehr als der einzige Garant, die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft zu überwinden. Nach der Befreiung von Paris im August 1944 wurde er als Kollaborateur verfolgt. Kurz darauf versuchte er sich erfolglos das Leben zu nehmen, einige Monate später, im März 1945, gelang es. Zuvor rechtfertigte er in Briefen und Tagebüchern sein Engagement in der Kollaboration:
"Seit 1929 war ich definitiv Sozialist und ich hoffte, der Hitlerismus würde den Sozialismus bringen, ob er wollte oder nicht. Ich glaubte, dass der Krieg ihn dazu zwingen würde und es war der Krieg, der dies verhinderte. Ich bin nicht nur Franzose, ich bin Europäer. Auch ihr seid es, unbewusst oder bewusst. Aber wir haben gespielt, ich habe verloren, ich beantrage den Tod."
Als Jünger in Deutschland im September 1944 vom vermeintlichen Tod Drieus erfuhr, notierte er in sein Tagebuch:
"Es scheint ein Gesetz zu geben, nach dem gerade jene, die aus edlen Gründen die Freundschaft zwischen den Völkern fördern wollten, fallen müssen, während die niederen Geschäftemacher davonkommen."
Drieus Romane, in dem Menschen an der Dekadenz und dem Egoismus der Bourgeoisie leiden und zerbrechen, werden in Frankreich bis heute gelesen. Nicht zuletzt trug dazu die rückhaltlose Offenheit bei, mit der der Schriftsteller sein Engagement in der Kollaboration rechtfertigte. Mit Jüngers "Arbeiter" hingegen setzte sich nach dem Krieg der Philosoph Martin Heidegger auseinander. Über seinen Versuch, darin Individuum und Kollektiv organisch miteinander zu versöhnen, sagte er, dass dafür noch Denken und Sprache fehlen würden.
Über 25 Jahre später, während der deutschen Besatzung Frankreichs, notierte Ernst Jünger mehrfach in seinen Tagebüchern, dass er den französischen Schriftsteller Pierre Drieu la Rochelle getroffen habe. So am 13. November 1943 im "Deutschen Institut", der drei Jahre zuvor gegründeten Kulturabteilung der Botschaft des "Deutschen Reiches" in Paris:
"Abends im Deutschen Institut. Dort der Bildhauer Breker mit seiner griechischen Frau, ferner Abetz, Abel Bonnard und Drieu la Rochelle, mit dem ich 1915 Schüsse wechselte. Das war bei Le Godat, dem Orte, wo Hermann Löns gefallen ist."
Es war kaum zufällig, dass beide Männer in der Zeit des Vichy-Regimes abermals aufeinandertrafen – an einem Ort, den häufig Kollaborateure des französischen Kulturlebens besuchten: Er, Drieu, der in Romanen wie "Das Irrlicht" und "Verträumte Bourgeoisie" die bürgerliche Gesellschaft als materialistisch, egoistisch und gefühlskalt geißelte und nun Chefredakteur der unter deutscher Ägide erscheinenden Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Française" war. Und Jünger, der Schriftsteller und Hauptmann der Deutschen Wehrmacht, der in Büchern wie "In Stahlgewittern" oder "Das abenteuerliche Herz" dem Grauen des Krieges ästhetische Formen abgewann.
Beide sahen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die westliche Zivilisation in der Krise und suchten nach einer Alternative, zu der in ihren Augen allein vom Geld bestimmten bürgerlichen Welt. Beide lehnten entschieden die liberale Demokratie ab, die ihnen als Hort von Materialismus und Dekadenz erschien, doch verwarfen sie genauso den Marxismus, der für sie auf dasselbe hinauslief.
Nahezu gleichaltrig verkörpern Drieu und Jünger auf diese Weise die Zerrissenheit der Epoche, ihre Ängste, Hoffnungen und Gefährdungen, suchten als Schriftsteller und politische Theoretiker nach einem dritten, antikapitalistischen Weg in die Moderne.
Wie der 1895 geborene Jünger wuchs auch der zwei Jahre ältere Drieu in eine Zeit großer Veränderungen hinein: Denn im 19. Jahrhundert verließen auf beiden Seiten des Rheins die Bauern ihre Dörfer, um in den Fabriken der größer werdenden Städte zu arbeiten, kämpfte die bäuerliche Mentalität, wonach Handel und Reichtum eher Gründe zum Argwohn waren, mit jener neuen, modernen, nach der dies nunmehr den Zweck des Lebens bedeutete.
Wie Jünger, dessen Vater ein Bergwerksbesitzer aus Heidelberg war, entstammte auch Drieu einer bürgerlichen Familie. Als Sohn eines Pariser Anwalts sah er sich daher genauso konfrontiert mit den Sichtweisen, zu denen die Bourgeoisie in der noch jungen Industriegesellschaft fand: mit der Angst, in der Masse zu verschwinden, angesichts einer wachsenden Arbeiterschaft, die sich in Gewerkschaften organisierte. Mit dem Pessimismus, angesichts einer unübersehbar gewordenen Kultur mit dem bürgerlichen Hang zum Kalkül vor allem, der sich in Besitzdenken und Geldheiraten manifestierte.
Und wie Jünger, der in Deutschland das Gymnasium besuchte, erhielt auch Drieu auf dem französischem Lycée eine Schulbildung, die sich dagegen unzeitgemäß ausnahm, da sie die modernen Sprachen vernachlässigte und die naturwissenschaftlichen Fächer, und sich stattdessen an der klassischen Antike orientierte.
In derart idealistischem Geist erzogen, tat sich für beide schon früh eine Kluft zur realen Welt auf, erschien ihnen die pulsierende Industriegesellschaft als seelenlos, verlachten sie ihren Materialismus und ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Komfort.
So betrachteten beide schon früh Nietzsches Philosophie als willkommene Alternative, da sie das Irrationale und Lebendige betonte, suchten beide als Jugendliche die bürgerlichen Konventionen hinter sich zu lassen und in Afrika ihren Hunger nach dem Elementaren zu stillen.
Jünger meldete sich wie viele andere Gymnasiasten im Sommer 1914 freiwillig zum Kriegsdienst. Und auch Drieu, dessen Regiment im August 1914 von Paris an die Front fuhr, wollte seinem forcierten Idealismus Ziel und Richtung geben.
Jünger wurde in den vier Jahren, die er an der Westfront verbrachte, 14 Mal verwundet und mit den höchsten Orden einschließlich des Pour le Mérite dekoriert. Und Drieu, nach Kampfeinsätzen in Frankreich und den Dardanellen ab 1916 kriegsverwendungsunfähig, versuchte sich dennoch bis Kriegsende immer wieder zur kämpfenden Truppe versetzen zu lassen.
In den Angriffen, die sie erlebten, hob sich für sie die Atomisierung auf, zu der die Massengesellschaft das Individuum verdammt zu haben schien. Der Krieg – in ihren Augen überwand er das rationalistische Universum, das sie als Schüler und Studenten vorher umgab. In seinem mörderischen Chaos sahen sie im Frontsoldaten den authentischen Menschen wiederkehren, den die künstliche, bürgerliche Welt verneinte.
Der Krieg – er erschien beiden als inhärentes Gesetz der Natur, der die Gesellschaft von ihrem Materialismus reinige und Macht und Kreativität des menschlichen Instinktes wiederherstelle.
Doch aus dem Krieg ging für beide keine neue Welt jenseits der bürgerlichen hervor. In Frankreich lief danach das gewohnte Leben weiter: samt der Affären und Geldheiraten der französischen Oberschicht, die ihren Luxus aufreizend zur Schau stellte; samt der Konflikte zwischen Arbeitern und Unternehmern, die sich in großen Streiks entluden, samt des Parlamentarismus nicht zuletzt, in dem viele Menschen nur die korrupten Machenschaften von Politikern erkannten, ganz gleich ob sie von der Linken oder Rechten waren.
So erregte 1928 die Affäre Hanau die Öffentlichkeit, in die führende Repräsentanten des parlamentarischen Linkskartells verwickelt waren und 1929 brachten die politischen Verbindungen des Bankiers Albert Oustric den konservativen Parlamentsabgeordneten Raoul Péret zu Fall.
Drieu lebte nach dem Krieg als schriftstellernder Décadent, der die Dekadenz denkt: Er kritisierte das bürgerliche Zweckdenken, doch heiratete er selbst zweimal aus finanziellem Kalkül und lebte vom Geld seiner geschiedenen Frauen; er rügte die Eigensucht der Bourgeoisie, ihr von Drogenexzessen und Bordellbesuchen durchzogenes Leben, doch er war all dem selbst verfallen. Immer wieder suchte er nach einer Alternative zur verhassten, bürgerlichen Gesellschaft.
Anfangs verkehrte er mit dem Maler André Breton und dem Dichter Luis Aragon, die mit dem Kommunismus sympathisierten. Doch enttäuschte ihn, dass sie nur diskutierten und nicht handelten. Später trat er dem konservativen "Redressement français" bei. Dort verdross ihn dessen unsoziales Programm. Noch später schloss er sich der sozialistischen "Parti radical" an, aber abermals frustrierte ihn, dass diese für die Demokratie eintrat und – damit den Kapitalismus verteidigte. 1934 schrieb Drieu in seinem Roman "La Comédie de Charleroi":
"Ich bin nicht von links. Ich bin auch nicht von rechts. Ich bin gegen die Alten. Sie sind alt auf der Linken und auf der Rechten. Das war alles, was ich wusste, seit ich aus dem Krieg zurückkehrte."
In Deutschland polemisierte Jünger seit 1925 auf der Seite der rechten Opposition gegen die Weimarer Republik: In seinen Schriften prangerte er ihre politische Instabilität an, die sich in Umsturzversuchen wie dem rechtsgerichteten Kapp-Putsch 1920 oder dem kommunistischen Leuna-Aufstand 1921 manifestierte. Verdammte die ideologischen Streitigkeiten ihrer Regierungen, die in 13 Jahren nicht weniger als 14 Mal wechselten. Verhöhnte ihren bürgerlichen Utilitarismus, mit dem sie unter anderem die agrarisch orientierte Landvolkbewegung bekämpften.
Vor allem in Zeitungen der nationalistischen Rechten wie "Arminius" oder "Die Standarte" erschienen die republikfeindlichen Pamphlete Jüngers. 1929, im Jahr der Wirtschaftskrise, notierte Jünger in seiner Erzählung "Das Abenteuerliche Herz":
"Unsere Hoffnung ruht in den jungen Leuten, die an Temperaturerhöhung leiden, weil in ihnen der grüne Eiter des Ekels frisst, in den Seelen von Grandezza, deren Träger wir gleich Kranken zwischen der Ordnung der Futtertröge umherschleichen sehen."
Für Jünger verkörperte diese Hoffnung ein neuer Menschentyp, den er durch die moderne Technik heraufkommen sah: der Arbeiter. Anders als der Bürger, der nur verhandele, kalkuliere, Gewinn und Sicherheit suche, so Jünger darin, strebe der Arbeiter nach dem Elementaren: Setze sich Gefahr aus und kämpfe, erteile Befehle und gehorche ihnen. Weil nur letzteres "wirkliche Herrschaft" bedeute, sei nur der Arbeiter dazu berufen.
Jünger entlehnte diese Figur dem Soldaten: Eingedenk der Erfahrungen Krieges, in dem Menschen durch industrialisierte Technik starben, sodass sich dies als Produkt einer Art Arbeit zeigte, überzeugt, die elementare Kraft der Technik breche überhaupt in der modernen Gesellschaft herein, sodass sich Menschen auch im Frieden rüsten und mobilisieren würden.
In ihr ersetzt ein Arbeitsplan die Verfassung, regelt eine straffe Organisation Wirtschaft, Bildung und Kultur, existiert Gemeinbesitz, der nur Häuser und Boden ausspart. Entstehen mit "Technikern" und "Spezialisten" neue Hierarchien. Angesichts des technischen Fortschritts sah er einen "totalen Arbeiterstaat" kommen, der sich universal ausbreitet und Nationen negiert.
Jünger beschwor die Sehnsucht aller rechten Kräfte nach Ungleichheit und Hierarchie, verband sie mit der linken Tendenz, Unterschiede zu egalisieren, paarte sie mit einem nietzscheanischen Willen zur Macht und zur Irrationalität. Aber vor allem drückte er die Idee aus, den Individualismus zu überwinden.
Wie viele andere europäische Intellektuelle war Jünger in den 1920er-Jahren gleichermaßen fasziniert vom sowjetischen Kommunismus und dem italienischem Faschismus, die die Volksmassen in einem Kollektiv mobilisierten. Er sah klar, dass die moderne Apologie des Einzelnen am Anfang all dessen stand, was er als Kapitalismus, Demokratie und Dekadenz anprangerte.
Denn die Philosophen der Aufklärung betrachteten den Menschen abstrakt, als "frei" und "gleich".
Sie gestanden damit einem jeden zu, sich wirtschaftlich und politisch frei zu betätigen – getreu der Vernunft, die für sie zuerst bedeutete, den eigenen Vorteil zu suchen, gemäß dem Recht dazu, was sie später in den bürgerlichen Verfassungen verankerten: Hierdurch drängte der moderne Mensch die Wirtschaft aus den Bauernhöfen der noch agrarisch geprägten, feudalen Epoche und schuf in den Fabriken der Städte immer mehr Wohlstand.
Aber hierdurch ließ er auch die festen Bindungen von Stand, Tradition und Religion hinter sich und fand in Nation und Klasse nur flüchtige, neue. Jünger erschien er daher nur wie ein Atom in einer Masse: haltlos, selbstsüchtig, ausgesetzt widerstreitenden politischen Interessen, die das Gemeinwohl untergruben. In "Der Arbeiter" schrieb er:
"Im engsten Verhältnis zur Gesellschaft steht endlich der Einzelne, jene wunderliche und abstrakte Figur des Menschen, die kostbarste Entdeckung der bürgerlichen Empfindungskraft und zugleich der unerschöpfliche Gegenstand ihrer künstlerischen Bildungskraft.
Praktisch allerdings sieht sich der Einzelne nicht der Menschheit gegenüber, sondern der Masse, seinem genauen Spiegelbilde in dieser höchst sonderbaren, höchst imaginären Welt. Denn die Masse und der Einzelne sind eins, und aus dieser Einheit ergibt sich das verblüffende Doppelbild von buntester, verwirrendster Anarchie und der nüchternen Gesellschaftsordnung der Demokratie, welches das Schauspiel eines Jahrhunderts war."
Der zersetzenden, atomisierenden, Chaos bringenden Freiheit stellte Jünger eine Idee der Freiheit entgegen, die schon romantische Intellektuelle wie Novalis oder Adam Heinrich Müller im 18. Jahrhundert im Munde führten. Ernüchtert von den nivellierenden Tendenzen der Moderne und bestrebt, einen dritten Weg zwischen feudaler und kapitalistischer Gesellschaft zu suchen, verwurzelten diese in Zünften und Ständen die individuelle Freiheit. Sie lösten sich damit von der Gleichheit, an die sie die Aufklärer banden; sahen sie als positive, bejahende, "organische Freiheit". Hofften, sie sichere so nicht nur die Tradition und das Wohl des Einzelnen, sondern auch das der Gemeinschaft.
Obgleich die gesellschaftliche Entwicklung diese Freiheit ad absurdum führte, prägte sie als Idee das deutsche Denken. Philosophen wie Hegel oder Historiker wie Friedrich Meinecke verankerten daher die individuelle Freiheit in metaphysisch überhöhten Kollektivgebilden wie der Nation und versöhnten sie dadurch mit ihr. Auch Jünger hing dieser Idee an: In seinen Kriegserzählungen beschwor er zwar den Heroismus des einzelnen Soldaten, doch bettete er ihn stets ein in die Gemeinschaft der "Feldgrauen". In "Der Arbeiter" schrieb er der gebundenen Freiheit planetarischen Charakter zu:
"Wir stehen in einem Prozess, durch den den allgemeinen Prinzipien Richtung gegeben wird und in dem die 'Freiheit wovon' sich wandelt in eine 'Freiheit wozu'."
Jünger überwand damit den egalitären, bürgerlichen Individualismus, aber genauso die Ideen von Klasse und Nation und von politscher Linken und Rechten. Er ließ somit das politische Koordinatensystem der Moderne hinter sich. Das blieb zeitgenössischen Kritikern nicht verborgen: Oswald Spengler, der konservative Geschichtsphilosoph, warf Jünger vor, er habe den Arbeiter nicht aus "kommunistischer Phraseologie" befreit. Während der kommunistische Philosoph Georg Lukasz dessen fehlende "Klassenanalyse" bemängelte. Die Nationalsozialisten rügten am Vorabend ihrer Machtergreifung, dass Jünger darin die rassische Dimension unberücksichtigt lasse. Der Autor näherte sich damit für sie der "Zone der Kopfschüsse", wie es menschenverachtend im "Völkischen Beobachter" hieß.
Jünger selbst verstand sein Buch vor allem als Diagnose einer Zeit, in der sich neue Formen ankündigen würden, die aber noch keine Kontur hätten. Als Werk, das den Nihilismus der Moderne überwindet und angesichts ihrer säkularisierenden Tendenzen Ausblick gibt auf eine neue Metaphysik: Denn wie Nietzsche glaubte Jünger, dass in der Welt das ewig Gleiche wiederkehre und – dass sich unter den verstörenden Erscheinungen an ihrer Oberfläche eine ewige, harmonische Ordnung verberge.
Jünger ahnte indessen früh, dass die Nationalsozialisten Deutschland in die Katastrophe stürzen würden. Obgleich sie genauso an Irrationalität, Kollektiv und soldatische Askese appellierten wie er in seinem Buch "Der Arbeiter", waren sie für ihn Vertreter des Nihilismus, den er gerade hinter sich zu lassen suchte. Jünger glaubte, dass den Lauf der Geschichte nicht politische Aktionen bestimmen würden, sondern metaphysische Figuren, und dass der isolierte, authentische Mensch am besten den Nihilismus überwinden könne. 1933 zog er sich aus den politischen Auseinandersetzungen zurück und sah sich vor allem als politischer Beobachter.
Auch Drieu glaubte, dass die moderne Dekadenz auf die rationalistische Idee des Individuums zurückgeht, auch er verdammte sie als bürgerlich und städtisch – so in seinem Buch "Sur les écrivains" von 1927:
"Wir können das Ergebnis des spirituellen Atomismus in den großen Städten sehen, wo sich der Staub treibender Individuen manchmal zu großen tragischen Wolken erhebt. Aber dort fehlt der rettende Blitz, der den Regen auslöst, sodass der Schlamm zu Ton werden und die Staubkörner binden kann."
Wie Jünger sympathisierte auch Drieu mit dem Kommunismus, lobte seine kollektive Dimension. Doch misstraute er der Marxschen Theorie, wonach einzig das Proletariat, die kulturfernste Klasse, den Menschen vom Kapitalismus befreien könne. Glaubte, es würde genauso leben und herrschen wollen, wie die Bourgeoisie, die einst das feudale System überwand.
Der Kommunismus – er erschien Drieu noch der rationalistischen Basis der Moderne verhaftet, als Zwilling des Kapitalismus, der die Menschen genauso ermuntere, endlos Güter zu produzieren und zu konsumieren, sodass er zwangläufig zum kleinbürgerlichen System werden müsse, beherrscht von Polizei und Militär, so wie es das Russland Stalins zeige. 1929 schrieb er in der Zeitschrift "L'Européen":
"Um zu leben, muss Europa seine originäre, vitale Formel finden: zwischen Moskau und New York, zwischen dem Superkapitalismus und dem Supersozialismus."
Die Möglichkeit für einen solchen dritten Weg in Frankreich sah Drieu Mitte der 1930er-Jahre gekommen: Zu diesem Zeitpunkt machte sich die Wirtschaftskrise von 1929 auch in Frankreich bemerkbar, bangten viele Franzosen um ihre Ersparnisse, stieg die Zahl der Arbeitslosen auf 300.000. Seit 1932 versuchten sechs Regierungen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten Herr zu werden und 1934 kam es erneut zu einem Finanzskandal. In die Affäre Stavisky waren Mitglieder der sozialistischen Regierung verwickelt. Einmal mehr schien die parlamentarische Demokratie kompromittiert: Am 6. Februar 1934 forderten in Paris Tausende Anhänger rechter Organisationen, wie der "Croix de feux" oder der "Action française", den Rücktritt der Regierung und die Auflösung des Parlaments. Zwölf Menschen starben und Hunderte wurden verletzt.
Drei Tage später demonstrierten die Kommunisten. Wieder waren es Tausende, wieder gab es Tote und Verletzte. Angesichts der wütenden Menschen und schießenden Polizisten in Paris erwartete Drieu inständig, dass sich die radikalsten der linken und rechten Kräfte vereinen, um in Frankreich eine antiparlamentarische Bewegung zu schaffen. Doch seine Hoffnung zerstob nach wenigen Tagen. Drieu sollte dies 1939 in seinem autobiografischen Roman Gilles verarbeiten: Sein Held Gilles Gambier ist wie Drieu ein aus dem Krieg heimgekehrter Intellektueller. Wie er verabscheut dieser die Bourgeoisie, doch gehört er ihr selber an. Wie er sympathisiert dieser mit den Kommunisten, doch stößt er sich an ihrer verkappten Bürgerlichkeit. Nach dem blutigen Aufruhr in Paris sagt er:
"Jetzt werde ich mit jedem marschieren, der dieses Regime von der Erde fegt: mit jedem und zu jeder Bedingung."
Drieus "dritter Weg" hatte fortan einen Namen: Faschismus. Trotz aller Kritik am Rassengewese der Nationalsozialisten und trotz der Vorbehalte gegenüber Mussolinis Nationalismus war er fasziniert von den totalitären Bewegungen in Italien und Deutschland, die die Menschen auf einen neuen Mythos einzuschwören schienen. 1934 skizziert er in einem Buch einen "Socialisme fasciste" – einem sozialistischen Faschismus: Darin erscheint der Kapitalismus als eine reformierte, staatliche Institution, um die sich Unternehmer gruppieren, wie früher Lehnsherren um die Monarchie. Wenden sich die Regierenden über Radio und Presse direkt an die Menge und lassen das Parlament unnütz werden. Regiert eine Partei, die Kirche und Freimauerei, Kapitalisten und Arbeiter, Linke und Rechte dynamisch miteinander vermengt – sodass es weder herrschende noch unterdrückte Klassen gibt, sondern nur eine neue Elite, die die Führer stellt.
Drieu kombinierte in seinem faschistischen Sozialismus die Wirtschaftstheorien des englischen Ökonomen John Maynard Keynes mit einem Führertum, das sich durch einen nietzscheanischen Willen zur Macht legitimiert. Einmal mehr kommt darin die Faszination totalitärer Ideen zum Ausdruck, der in den krisenhaften 1920er und 1930er-Jahren viele Intellektuelle erlagen.
Und – für Drieu war es nur in einem geeinten Europa möglich, der modernen Dekadenz entgegen zu treten, künftig Kriege zu verhindern. Denn in der Idee der Nation manifestierte sich für ihn genauso die Idee des rationalistischen Individuums, die er bewältigen wollte: der bürgerliche Egoismus. So beschwor er die Eliten der europäischen Staaten, sich aus ihrem engstirnigen Nationalismus zu befreien, ein Europa der Faschismen zu bilden – so wie es auch Gilles vorschwebt, dem Helden aus seinem gleichnamigen Roman:
"Was war Europa, wie sollte es werden? Verschiedene Mächte müssen miteinander verbunden werden, ohne dabei eine zu verletzen, jede muss respektiert und ihr Eigenleben erhalten werden. Der Völkerbund war nur eine Abstraktion gewesen, eine Demütigung für die verschiedenen mächtigen Existenzen. Die Nationen müssen sich zusammentun unter einem umfassenden Begriff, einem Zeichen, das die Autonomie aller Quellen – der jeweils besonderen und universellen – garantiert."
Die französische Presse reagierte bestürzt auf Drieus Konzept eines sozialistischen Faschismus, das gefährliche Anleihen an den totalitären Bewegungen in Deutschland und Italien nahm und in dem Autonomie und Freiheit des Individuums einzig und allein Nietzsches Willen zur Macht bannte. Der sozialistische Faschismus schien sich gegen alle und jeden zu richten: gegen die konservativen Eliten, die Besitzbürger, die Mittelschichten, die Kommunisten und Reformisten. Trotz seiner ethischen Dimension musste er in den Augen vieler zwangsläufig in den Kult des Führers, der Aktion und der Dynamik münden, war dazu verdammt, politisch korrumpiert zu werden. Der liberale Schriftsteller Julien Benda beispielsweise schrieb 1934 über Drieu:
"Sein Faschismus ist weniger ein politisches Konzept, denn eine moralische Einstellung. Sein Faschismus hat ein sozialistisches Herz. Das ist sein Drama. Von moralischer Leidenschaft ergriffen, kann Drieu für das nicht belangt werden, was man gemeinhin politische Vernunft nennt."
Drieu war stets von der Vorstellung eines politischen Engagements getrieben, aber eines, was über die rationalistischen Kategorien von Verhandlung und Kalkül hinausging; was existenziell ist und absolut. Anders als bei Jünger, der die metaphysische Gewissheit besaß, dass das nihilistische Zeitalter des Individualismus sich seinem Ende nähere und der sich deshalb fern aller Politik hielt, schien sich bei Drieu das schlechte Gewissen des Bourgeois zu rühren: Seine zumeist autobiografischen Romane aus dem bürgerlichen Milieu erzählen denn auch stets von Menschen, die niemals "wir", aber immer "ich" sagen. Von Alain, dem des bürgerlichen Lebens überdrüssigen Protagonisten aus "Das Irrlicht", von Gilles, dem selbstsüchtigen, Frauen ausnutzenden Dandy. Selbst Dirk Raspe, den Helden eines dem Schicksal van Goghs nachempfundenen Künstlerromans, lässt Drieu sagen:
"Das ewige Heulen des Egoismus kommt vom Grunde meines Herzens."
Drieu, als Franzose zu sehr der rationalistischen Kultur der Aufklärung verhaftet, schien das "freie und gleiche Ich", das er an sich selbst erlitt und das er anders als Jünger nicht organisch in einem Kollektiv eingebettet denken konnte, in der nihilistischen Epoche immer wieder praktisch überwinden zu wollen.
So trat er denn 1936 mit anderen Intellektuellen wie dem Philosophen Bertrand de Jouvenel in die faschistische "Parti populaire français", des ehemaligen Kommunisten Jaques Doriot ein, begeistert von dessen sozialem Programm und überzeugt, dass nur ein starkes Frankreich eine Chance im kommenden Krieg habe. Über drei Jahre griff er als Chefredakteur der Parteizeitung "L'émancipation nationale" den Kapitalismus an, doch schon bald machte sich bei ihm Enttäuschung breit, dass Doriot die sozialistische Sache vernachlässigte. Im Januar 1939 verließ er die Partei.
Nach der Besetzung Frankreichs durch deutsche Truppen 1940 wurde Drieu zum leidenschaftlichen Kollaborateur. Für ihn hatte der moderne, kollektivistische Nationalsozialismus die alte, individualistische Kultur des bürgerlichen Frankreichs zerschlagen und war dabei, auch die anderen kapitalistischen Demokratien in die Knie zu zwingen.
Als Chefredakteur der Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Française" verhöhnte er die strategische Unfähigkeit der Armee Frankreichs, verfluchte die Uneinigkeit seiner politischen Klasse und prangerte die moralische Verkommenheit seines Bürgertums an. Nunmehr sah er Frankreichs Platz an der Seite Deutschlands. Und er hetzte gegen die Juden. Wie vielen anderen Menschen seiner Zeit galten sie ihm als Repräsentanten des modernen selbstsüchtigen Individuums.
Im Oktober 1941 begegnete Pierre Drieu la Rochelle im besetzten Paris zum ersten Mal Ernst Jünger. Beide Schriftsteller schätzten sich und trafen sich oft im Deutschen Institut oder im Salon der Amerikanerin Florence Gould, wo zu dieser Zeit namhafte Vertreter des literarischen Frankreichs verkehrten: etwa Jean Cocteau, Marcel Jouhandeau oder Pau Léautaud. Einige der Werke Jüngers wurden während des Krieges ins Französische übersetzt und befanden sich in Drieus Bibliothek.
Doch "Der Arbeiter", in dem Jünger die Idee einer organischen, dem Gemeinwohl verpflichteten Freiheit skizziert, war nicht darunter. Im Januar 1942 lobte Drieu Jünger daher zu Unrecht als einen "Repräsentanten des deutschen Rationalismus".
Zu diesem Zeitpunkt dauerte es nur noch wenige Monate bis Drieu nicht mehr an den Sieg Hitlers glaubte. Ernüchtert von den militärischen Misserfolgen und enttäuscht von seiner Politik, die die europäischen Völker versklavte, statt sie zu gleichberechtigten Partnern Deutschlands zu machen, stellte er im Juli 1943 seine Arbeit bei der "Nouvelle Revue Française" ein.
Fortan hoffte er auf den Sieg des Kommunismus. Er erschien ihm nunmehr als der einzige Garant, die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft zu überwinden. Nach der Befreiung von Paris im August 1944 wurde er als Kollaborateur verfolgt. Kurz darauf versuchte er sich erfolglos das Leben zu nehmen, einige Monate später, im März 1945, gelang es. Zuvor rechtfertigte er in Briefen und Tagebüchern sein Engagement in der Kollaboration:
"Seit 1929 war ich definitiv Sozialist und ich hoffte, der Hitlerismus würde den Sozialismus bringen, ob er wollte oder nicht. Ich glaubte, dass der Krieg ihn dazu zwingen würde und es war der Krieg, der dies verhinderte. Ich bin nicht nur Franzose, ich bin Europäer. Auch ihr seid es, unbewusst oder bewusst. Aber wir haben gespielt, ich habe verloren, ich beantrage den Tod."
Als Jünger in Deutschland im September 1944 vom vermeintlichen Tod Drieus erfuhr, notierte er in sein Tagebuch:
"Es scheint ein Gesetz zu geben, nach dem gerade jene, die aus edlen Gründen die Freundschaft zwischen den Völkern fördern wollten, fallen müssen, während die niederen Geschäftemacher davonkommen."
Drieus Romane, in dem Menschen an der Dekadenz und dem Egoismus der Bourgeoisie leiden und zerbrechen, werden in Frankreich bis heute gelesen. Nicht zuletzt trug dazu die rückhaltlose Offenheit bei, mit der der Schriftsteller sein Engagement in der Kollaboration rechtfertigte. Mit Jüngers "Arbeiter" hingegen setzte sich nach dem Krieg der Philosoph Martin Heidegger auseinander. Über seinen Versuch, darin Individuum und Kollektiv organisch miteinander zu versöhnen, sagte er, dass dafür noch Denken und Sprache fehlen würden.