Die Voraussetzungen waren im Prinzip nicht schlecht: auf dem weitläufigen Campus des Indian Institute of Technology, kurz IIT, einer Elite-Universität die dem legendären MIT in den USA nachempfunden ist, stand ein zwei Meter hohes Plakat mit dem Konterfei Guido Westerwelles und dem Thema seiner Rede "Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, und wie sie Deutschland und Indien gemeinsam nutzen können". Hauptsächlich studieren hier angehende Naturwissenschaftler und Ingenieure, also genau die zukünftig hochqualifizierten Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht. Guido Westerwelle will sie nach Deutschland locken - also wirbt er im kreisrunden, oben offenen Atrium um die indischen Studierenden:
"Sie hier repräsentieren das neue, das kreative Indien, das auf Wissen baut, Sie sind die Botschafter, das fasziniert uns - in Deutschland.”"
Das Werben Westerwelles aber ist nicht ohne Widerstände - aufgrund einer kurzfristigen Änderung liegt die Einflugschneise des Flughafens von Delhi genau über dem Atrium, alle zwei Minuten ertönt ohrenbetäubender Lärm, und natürlich sind die Zuhörer abgelenkt, was auch der Außenminister mitbekommt.
Dem aber bereitet nicht nur der Lärm, sondern etwas anderes Unbehagen: Im grellen Licht der Scheinwerfer an diesem schwül-warmen Abend umtanzen ihn tausende Mücken, alles potenzielle Krankheitsüberträger:
""Sie müssen hier gar nicht in den Himmel schauen zu all den Flugzeugen, die sind nicht gefährlich - was gefährlich ist und fliegt, das sind Mücken hier. Der Rest ist nur laut."
Anders als die zahllosen Mücken haben nur wenige Elite-Studenten trotz Plakat-Aktion und großem Aufgebot den Weg ins Atrium gefunden. Deutschland mag die Inder im Blick haben - die Inder Deutschland eher nicht. Indiens Wirtschaft wächst wie verrückt, zuletzt 7,2 Prozent pro Jahr - und die indische Regierung hält wenig von ausländischen Abwerbe-Initiativen: Hochqualifizierte Fachkräfte werden nämlich selbst gebraucht. Schließlich verfügen nur fünf Prozent aller Inder, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, überhaupt über eine berufliche Qualifikation - und das sind selbst bei 1,1 Milliarden Menschen eben nicht unerschöpflich viele.
Dennoch: Etwa eine Million Ingenieure bilden die indischen Universitäten jährlich aus, alles potenzielle Kandidaten für den deutschen Arbeitsmarkt. Wären da nicht einige fundamentale Hindernisse: wie zum Beispiel die englisch-deutsche Sprachbarriere, die Guido Westerwelle in Delhi am eigenen Leib erlebt.
"Ich sollte die Sprachbarriere überwinden und Sie bestrafen, indem ich für den Rest des Abends Deutsch spreche, aber das werde ich natürlich nicht tun."
Deutsch als Strafe, das hat Westerwelle sicher so nicht gemeint, aber viele Inder empfinden es in der Tat als Zumutung. Wie anders wäre es zu erklären, dass etwa sieben Prozent der indischen Akademiker nach Deutschland und mehr als 40 Prozent ins englischsprachige Ausland gehen. Der Chefredakteur der zweitgrößten englischsprachigen indischen Zeitung "The Hindu", Siddharta Varandarajan, bedauert das:
"Leider ist das Interesse der Inder an Deutschland vor allem wegen der Sprach-Barriere viel geringer als das Interesse an den USA oder sogar an Australien.”"
Auch die Kinder-statt-Inder-Kampagne Ende der 90er-Jahre hat nicht dazu beigetragen, den Reiz Deutschlands bei indischen IT-Kräften zu vergrößern. Und die lange Jahre wogende Debatte um den Familiennachzug hatte ebenfalls eher abschreckende Wirkung, zumal Deutschland nach Ansicht von Varandarajan völlig verkannt habe, dass Inder nun mal Familienmenschen sind.
""In der Vergangenheit war es das Problem, dass Deutschland nur den einzelnen Spezial-Fachkräften die Einreise erlaubt hat, und nicht ihren Familien. Das mögen Inder ganz und gar nicht, sie sind Familienmenschen und wollen nicht ohne ihre Familie sein."
Das müssen sie auch nicht, allerdings müssen sie ein Jahreseinkommen von 66.000 Euro samt Arbeitsvertrag nachweisen, dann dürfen sie samt Familie problemlos kommen und bleiben. In den Köpfen der Inder sind die neuen Möglichkeiten jedoch noch nicht wirklich angekommen. Die jungen Männer am IIT, denn auch dort sind 90 Prozent männliche und nur 10 Prozent weibliche Studenten eingeschrieben, diese jungen Männer sind von einer Karriere und einem Leben in Deutschland noch weit entfernt. Auch wenn sich so mancher vorstellen kann, den Fachkräfte-Hunger der Bundesrepublik zu stillen - der 19-jährige Annand etwa, ein Biochemiker, überlegt durchaus, irgendwann einmal nach Deutschland zu gehen.
"Um dort zu leben, zu arbeiten, und auch um die deutsche Gesellschaft zu verstehen, und zwar besser als ich sie jetzt verstehe."
"Sie hier repräsentieren das neue, das kreative Indien, das auf Wissen baut, Sie sind die Botschafter, das fasziniert uns - in Deutschland.”"
Das Werben Westerwelles aber ist nicht ohne Widerstände - aufgrund einer kurzfristigen Änderung liegt die Einflugschneise des Flughafens von Delhi genau über dem Atrium, alle zwei Minuten ertönt ohrenbetäubender Lärm, und natürlich sind die Zuhörer abgelenkt, was auch der Außenminister mitbekommt.
Dem aber bereitet nicht nur der Lärm, sondern etwas anderes Unbehagen: Im grellen Licht der Scheinwerfer an diesem schwül-warmen Abend umtanzen ihn tausende Mücken, alles potenzielle Krankheitsüberträger:
""Sie müssen hier gar nicht in den Himmel schauen zu all den Flugzeugen, die sind nicht gefährlich - was gefährlich ist und fliegt, das sind Mücken hier. Der Rest ist nur laut."
Anders als die zahllosen Mücken haben nur wenige Elite-Studenten trotz Plakat-Aktion und großem Aufgebot den Weg ins Atrium gefunden. Deutschland mag die Inder im Blick haben - die Inder Deutschland eher nicht. Indiens Wirtschaft wächst wie verrückt, zuletzt 7,2 Prozent pro Jahr - und die indische Regierung hält wenig von ausländischen Abwerbe-Initiativen: Hochqualifizierte Fachkräfte werden nämlich selbst gebraucht. Schließlich verfügen nur fünf Prozent aller Inder, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, überhaupt über eine berufliche Qualifikation - und das sind selbst bei 1,1 Milliarden Menschen eben nicht unerschöpflich viele.
Dennoch: Etwa eine Million Ingenieure bilden die indischen Universitäten jährlich aus, alles potenzielle Kandidaten für den deutschen Arbeitsmarkt. Wären da nicht einige fundamentale Hindernisse: wie zum Beispiel die englisch-deutsche Sprachbarriere, die Guido Westerwelle in Delhi am eigenen Leib erlebt.
"Ich sollte die Sprachbarriere überwinden und Sie bestrafen, indem ich für den Rest des Abends Deutsch spreche, aber das werde ich natürlich nicht tun."
Deutsch als Strafe, das hat Westerwelle sicher so nicht gemeint, aber viele Inder empfinden es in der Tat als Zumutung. Wie anders wäre es zu erklären, dass etwa sieben Prozent der indischen Akademiker nach Deutschland und mehr als 40 Prozent ins englischsprachige Ausland gehen. Der Chefredakteur der zweitgrößten englischsprachigen indischen Zeitung "The Hindu", Siddharta Varandarajan, bedauert das:
"Leider ist das Interesse der Inder an Deutschland vor allem wegen der Sprach-Barriere viel geringer als das Interesse an den USA oder sogar an Australien.”"
Auch die Kinder-statt-Inder-Kampagne Ende der 90er-Jahre hat nicht dazu beigetragen, den Reiz Deutschlands bei indischen IT-Kräften zu vergrößern. Und die lange Jahre wogende Debatte um den Familiennachzug hatte ebenfalls eher abschreckende Wirkung, zumal Deutschland nach Ansicht von Varandarajan völlig verkannt habe, dass Inder nun mal Familienmenschen sind.
""In der Vergangenheit war es das Problem, dass Deutschland nur den einzelnen Spezial-Fachkräften die Einreise erlaubt hat, und nicht ihren Familien. Das mögen Inder ganz und gar nicht, sie sind Familienmenschen und wollen nicht ohne ihre Familie sein."
Das müssen sie auch nicht, allerdings müssen sie ein Jahreseinkommen von 66.000 Euro samt Arbeitsvertrag nachweisen, dann dürfen sie samt Familie problemlos kommen und bleiben. In den Köpfen der Inder sind die neuen Möglichkeiten jedoch noch nicht wirklich angekommen. Die jungen Männer am IIT, denn auch dort sind 90 Prozent männliche und nur 10 Prozent weibliche Studenten eingeschrieben, diese jungen Männer sind von einer Karriere und einem Leben in Deutschland noch weit entfernt. Auch wenn sich so mancher vorstellen kann, den Fachkräfte-Hunger der Bundesrepublik zu stillen - der 19-jährige Annand etwa, ein Biochemiker, überlegt durchaus, irgendwann einmal nach Deutschland zu gehen.
"Um dort zu leben, zu arbeiten, und auch um die deutsche Gesellschaft zu verstehen, und zwar besser als ich sie jetzt verstehe."