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Interkultureller Dialog
Imame als Streitschlichter im Freibad

Freibäder gelten nicht gerade als Ort ausufernder Gewalt. Dennoch kommt es auch dort hin und wieder zu Konflikten. Ein Bad in Berlin-Neukölln diskutiert nun darüber, Imame als externe Streitschlichter einzusetzen - um kulturelle Missverständnisse zu vermeiden.

Von Kemal Hür |
    Ein Junge springt in Berlin im Sommerbad Neukölln vom Sprungturm ins erfrischende Wasser.
    Das Neuköllner Sommerbad musste bereits einen Tag geschlossen werden, weil Gruppen von Jugendlichen den Sprungturm und die Rutsche belagerten. (picture-alliance/ dpa - Johannes Eisele)
    Ein heißer Sommertag. Das Freibad Neukölln ist gut besucht. Am Ende dieses Tages werden 6.000 Menschen hier gewesen sein – ohne, dass es Konflikte gab. Das ist nicht immer so. Das Bad musste auch schon mal einen Tag geschlossen werden, weil Gruppen von Jugendlichen den Sprungturm und die Rutsche belagerten. Das Badepersonal war überfordert und musste die Polizei einschalten. Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Bäderbetriebe, Ole Bested Hensing, hat eine einfache Erklärung, warum solche Probleme oft von Jugendlichen aus Migrantenfamilien verursacht werden.
    "Es sind an den Konflikten mehrheitlich Migranten beteiligt. Das liegt natürlich auch daran, dass in diesen Bezirken mehrheitlich Migranten wohnen."
    Das Neuköllner Sommerbad liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft einer großen Moschee. Wenn das Plätschern und das Gemurmel der Kinder und Jugendlichen nicht so laut wären, könnte man den Imam hören, der nach dem Mittagsgebet aus dem Koran rezitiert.
    Ender Çetin ist der Vorsitzende des Moscheevereins. Der 38-Jährige weiß um die Konflikte im benachbarten Freibad. Aber als Moschee könne man nicht überall helfen, sagt er.
    "Immer wenn ein Vorfall auftaucht, sei es Gewalt, sei es Ehrenmord, sei es Zwangsheirat, dass sofort die Moschee im Blickwinkel ist und sofort man denkt, die Moschee muss das lösen, oder kann das lösen. Sicherlich können wir da mithelfen. Aber die Gesellschaft muss auch verstehen, dass die ganzen Probleme auf einer Moschee nicht lasten können, weil sie nicht tragbar sind."
    Das Vorhaben hat auch Kritiker
    Über den Bericht einer Berliner Tageszeitung, Imame sollen im Neuköllner Freibad Streit oder Schlägereien schlichten, schmunzelt Çetin.
    "Ich glaube nicht, dass da was gemacht werden kann. Der Imam wird jetzt auch nicht seine Imamkutte und seine Gebetskappe anziehen und dorthin laufen. Das wäre nicht möglich. Denn das ist eine Sache, die er nur in der Moschee anzieht. Das heißt, die Jugendlichen würden erst gar nicht wissen, ist das jetzt überhaupt ein Imam oder nicht."
    "Niemand hat einen Imam angefragt zum Streitschlichten",
    sagt Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäderbetriebe. Die neue Leiterin des Neuköllner Freibades habe die Şehitlik Moschee besucht und sich als neue Nachbarin vorgestellt.
    "Bei der Gelegenheit hat sie bei der Şehitlik Moschee auch mal gefragt: 'Sagen Sie mal, warum sind es denn vor allem Jugendliche mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund, die partout nicht auf das hören, was ich sage. Und wenn ich denen 50 Mal sage, springt nicht zu vierzigst vom Sprungturm, das gefährdet dich und andere. Dann hören die nicht einfach und machen's nochmal. Was kann man da machen?"
    Warum die Jugendlichen nicht auf die Badeleiterin hören, weiß auch der Moscheeleiter nicht. Das Gespräch macht aber eines deutlich: es gibt interkulturelle Missverständnisse. Ender Çetin:
    "Die Wahrnehmung von außen, das kann nur eine Moschee lösen, ist ja auch letztendlich falsch. Da müssten viele andere Akteure rangezogen werden. Die Badeleiterin wusste gar nicht, dass ein religiös praktizierender Mensch gar nicht in ein Schwimmbad gehen würde, wo Männer und Frauen gemischt in einem Schwimmbad sind."
    Aber das nachbarschaftliche Gespräch hat trotzdem schnell gefruchtet: Moschee und Freibad vereinbarten eine Zusammenarbeit. Çetin unterbreitete der Badeleiterin das Angebot, ihr Personal in interkultureller Kompetenz zu schulen. Und aktuell arbeitet die Moschee bereits an einem Handzettel, den jeder Badegast mit der Eintrittskarte zusammen bekommen soll. Auf diesem werden die Badegäste in Deutsch, Türkisch und Arabisch mit einem Koranvers oder einem Zitat des Propheten Mohammed zum friedlichen gemeinschaftlichen Verhalten aufgerufen. Gute Idee, findet der Sprecher der Badebetriebe, Matthias Oloew.
    "Na, wenn das hilft, ist doch wunderbar. Dann machen wir das gerne."