Die bevorstehende Zeitenwende ist in den Frankfurter Messehallen schon zu sehen: Und zwar an den wesentlich kleineren Ständen im Vergleich zu früheren Jahren. Messeauftritte kosten viel Geld, und das ist aktuell nicht mehr im selben Ausmaß vorhanden wie noch vor wenigen Jahren. Hintergrund ist eben jene beginnenden Zeitenwende, respektive die hohen Investitionen in alternative Antriebe, die die Autobauer zuletzt auf den Weg gebracht haben. Beschleunigt vom selbstverschuldeten Dieselskandal, der seinerseits auch seine Spuren in manchen Bilanzen hinterlassen hat.
Doch auch atmosphärisch hat sich die IAA verändert: Durchgängig wurden die Presse-Präsentationen der Hersteller übermäßig auf Zukunft und Neuanfang getrimmt, um ihnen eine grünere Außendarstellung zu verpassen. In der Anzahl klimafreundlicher Modelle und in den Verkaufszahlen spiegelt sich das aktuelle allerdings noch kaum.
Teils wirkten die Shows bemüht, etwa bei Volkswagen: Der Konzern ließ ein junges Mädchen auftreten und erklären, wie sie sich ihre automobile Zukunft vorstellt. Elektrisch, klar, das Wort fiel. Aber es ging natürlich nicht darum, das Auto an sich in Frage zu stellen - wie es einige Umweltaktivisten und Kritiker der Branche derzeit durchaus tun.
Dennoch wollte sich die Branche auch diesen Kritikern stellen. Das sollte heute auch auf der IAA passieren, denn am Abend sollten zwei Mitglieder der Klimaschutzbewegung Fridays vor Future dort reden. Nun haben die aber abgesagt, man wolle nicht herhalten für Phrasen und Klimaschutzbekundungen, heißt es.
Wie gewinnbringend der Auftritt hätte sein können, ist in der Tat fraglich. Denn Branche und Kritiker stehen an zwei gegensätzlichen Enden eines Meinungsspektrums, die aktuell unvereinbar erscheinen: Beide Seiten ziehen sich auf Maximalforderungen zurück.
Branche tut sich schwer im Umgang mit Kritik
Die Absage der Fridays-For-Future-Redner war auch eine Reaktion auf die vermeintliche Ausladung des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann von der IAA-Eröffnung. Der Verband der Automobilindustrie VDA behauptet, Feldmann sei nie als Redner vorgesehen gewesen. Feldmann selbst hat eine "nicht gehaltene Rede zur IAA" veröffentlicht, in der er kritisch mit der Autobranche ins Gericht geht.
Das hatte er schon vor zwei Jahren getan, bei der Eröffnung der letzten IAA. Damals kritisierte er Branche und Bundesregierung scharf für ihren Umgang mit dem Dieselskandal. Ob er nun nie eingeladen oder später ausgeladen wurde, scheint daher nebensächlich: Ein Kritiker, immerhin Oberbürgermeister der Gastgeber-Stadt, durfte nicht reden.
Insgesamt scheint es, tut sich die Branche traditionell schwer damit, im Dialog mit Kritikern den richtigen Ton zu treffen. Das hat etwa der Abgasskandal gezeigt: Während in den USA Betrug am Kunden eingeräumt und Schadenersatz gezahlt wurde, gingen VW-Kunden in Deutschland bisher rhetorisch und finanziell quasi leer aus. Damit wollte sich der Konzern wohl vor Kosten schützen.
Die aktuelle Debatte ist breiter gefasst - zu Stickoxiden haben sich CO2-Ausstoß und Platzmangel in den Städten gesellt. Auch hier merkt man die Verhaftung der Branche in der eigenen Rolle, zum Schutz der eigenen Interessen und des eigenen Fortbestandes; was auch nicht verwunderlich ist. Dass das Auto die Gegenwart und Zukunft der individuellen Mobilität ist, würde kein Automanager hinterfragen.
In den Dialogrunden vor der IAA wurde das stets als Selbstverständlichkeit ausgesprochen, gelegentlich machte es den Eindruck, dass die Konzernbosse alle anderen Meinungen für nicht ganz gescheit halten. Damit verkennen sie möglicherweise die kritische Öffentlichkeit, die sich aktuell in den Großstädten formiert. Das kann sie sich auch momentan noch leisten, so eine Grundhaltung nicht als legitim anzuerkennen: Die meisten Menschen leben schließlich nicht urban.
Attraktive, umweltfreundliche Autos bauen und verkaufen
Natürlich gibt es auch Ausnahmen: In einer Diskussionsrunde vor der IAA transportierte etwa Daimler-Verstriebs-Vorständin Britta Seeger ihre Haltung sehr nachvollziehbar: Sie beharrte darauf, dass sie es als ihre Aufgabe empfindet, attraktive, umweltfreundliche Autos zu bauen und zu verkaufen. Nicht mehr, nicht weniger. Sprich: Die politischen Rahmenbedingungen müssten andere schaffen. Ordnungspolitisch ist die Haltung einwandfrei. Zudem räumte Seeger ein, dass ein Bonus-Malus-System der Durchsetzung von mehr Elektromobilität helfen kann, ein System also, das umweltfreundliche Autos bei Kauf und Steuer bevorzugt.
Auch andere Automanager haben sich in den vergangenen Tagen der Debatte gestellt. Besonders exponiert hat sich der Noch-VDA-Chef Bernhard Mattes. Das passt ins Bild: Schon als Ford-Deutschland-Chef warb er für den transatlantischen Dialog und das Gespräch mit TTIP-Gegnern, als das Freihandelsabkommen noch aktuell war. Von seinen Positionen abgerückt ist er dabei zwar nicht – aber eine gewisse Dialog-Freude hat er sich offenbar erhalten.
Gerade er hat nun überraschend am Eröffnungstag der IAA das Handtuch geworfen. Angeblich war er den großen Autokonzernen zu wenig vernetzt in der Politik. Möglich ist auch, dass ihm die widerstrebenden Kräfte unter den Mitgliedsunternehmen zuwider waren. Die Informationslage zum Rücktritt ist dünn.
Sollte die mangelnde politische Vernetzung der Grund für seinen Abtritt gewesen sein, steht zu vermuten, dass hier sich hier eine kriselnde Branche gegen die gesellschaftlichen Kräfte aufbäumt, die sich gegen sie stellen. Nach dem Motto: Es wird doch wohl einer milliardenschweren Industrie noch möglich sein, ihre Interessen durchzusetzen.