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Internationale Fachkräfte
Deutschland bei Expats nur noch Mittelmaß

Deutschland hat unter sogenannten Expats an Beliebtheit verloren. Das geht aus der jüngsten Studie eines globalen Netzwerks für internationalen Fachkräfte, die in Deutschland leben, hervor. Viele Befragten finden es vor allem schwierig, Freunde und sozialen Anschluss zu finden.

Von Afanasia Zwick |
Ein junger Mann vor einem Computer
Ausländische Fachkräfte in Deutschland schätzen die Karrierechancen und die Lebensqualität - allerdings mit Abstrichen (dpa / Robert B. Fishman)
"Ich habe mich damals einsam und hilflos gefühlt und hatte das Gefühl, dass es sicherlich anderen Menschen genauso geht, weil eigentlich ist es egal ob man jetzt aus Deutschland kommt oder aus Amerika oder aus Frankreich. Wenn man im Ausland ist, macht man immer wieder die gleiche Erfahrung, dass man sich dort neu orientieren und zurecht finden muss."
Freundschaften mit Deutschen seien schwierig
Und so gründete Malte Zeeck, nachdem er 2004 beruflich in Neu-Delhi war, das globale Netzwerk "InterNations": Eine Austauschplattform für Expats, auf der man sich zum Beispiel Tipps gibt, in welchen Supermärkten heimische Lebensmittel zu finden sind. Oder sich zum gemeinsamen Kochen nach Feierabend verabredet – das Interesse der Expats sei groß, gerade in einem Land wie Deutschland, das hätte die Studie gezeigt:
"Über die Hälfte der Studienteilnehmer fällt es schwer, sich mit Deutschen anzufreunden. Und nur 52 Prozent beschreiben die deutsche Bevölkerung als generell freundlich. Da liegt der globale Durchschnitt bei 68 Prozent. Das ist also ein Thema, wo Deutschland zu kämpfen hat. Deutlich besser schneiden in dieser Kategorie südliche Länder ab, auch lateinamerikanische Länder, wo die Menschen sich einfach viel leichter zu Hause fühlen."
Lebensqualität leidet unter schlechter digitaler Infrastruktur
Malte Zeeck befragt die User seiner Plattform "InterNations" seit 2014 jährlich. Zum Beispiel: "Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeitszeit im Gastland?" Oder: "Wie bewerten Sie die Qualität der medizinischen Versorgung?" Auf einer Skala von 1-7 bewerten die teilnehmenden Expats so ihr Gastland. Deutschland liegt dieses Jahr auf Platz 33, vor fünf Jahren rangierte es noch auf Platz 12 der 64 untersuchten Länder.
"Ein anderes Thema, was zwar besser als der weltweite Durchschnitt ist, ist die Lebensqualität, aber diese leidet vor allem unter einer sehr schlechten digitalen Infrastruktur. Hier sagt ein Teilnehmer: ‚Das ist ja wie in der Steinzeit.’", berichtet Zeeck.
Während besonders die Eingewöhnung in Deutschland nur als suboptimal bewertet wird, punktet das Gastland bei Expats, wenn es um den Arbeitsplatz geht: Karrierechancen und eine gute Integration in deutschen Unternehmen seien hervorragend.
Vielfältige Unterstützung für deutsche Exptas
Wenn deutsche Unternehmen ihrerseits eigene Mitarbeiter ins Ausland schicken, wird diesen ordentlich unter die Arme gegriffen. Die KfW beispielsweise entsendet pro Jahr 20 bis 30 Expats, die Straßenbauprojekte in Afghanistan oder den Ausbau von Schulen in Malawi unterstützen. Damit sich die Expats dort wie zu Hause fühlen, kümmert sich Birgit Liede um jeden einzelnen Entsandten:
"Er hat ungefähr ein halbes Jahr lang Vorbereitungszeit, in dem wird er fachlich fit gemacht. Gleichzeitig bekommt er aber auch kulturelle Schulungen: Wie verhalte ich mich, um mit der Bevölkerung vor Ort klarzukomme? Was sind die kulturellen Feinheiten in diesem Land? Wenn es Sicherheitsaspekte in einem Land gibt, dann werden alle Familienmitglieder in diesen geschult."
Expats in Entwicklungsländern gelten als reich
Von der Wohnungssuche über die Steuernummer bis zur Business-Etikette begleitet Liede die Expats. Alles Administrative regelt sie. Doch im Umgang mit den Menschen vor Ort kann sie den Entsandten kaum helfen:
"In den Ländern, wo wir Entwicklungshilfe leisten, da sind die Unterschiede zwischen Arm und Reich oft sehr groß. Da gelten Sie als Expat erst mal als reich, auch wenn Sie das vielleicht im eigenen Kontext gar nicht sind. Und schon dadurch bekommt man schwieriger Kontakt zu Einheimischen."
Expats mit Einheimischen in Kontakt bringen
Wie sich das verbessern ließe, hat sich auch das Netzwerk "InterNations" gefragt. Denn insgesamt 31 Prozent der befragten Expats seien unzufrieden, weil sie im Gastland keine Freunde finden. Deswegen bringt Theresa Häfner gezielt Entsandte mit Einheimischen zusammen, die sich freiwillig über das Netzwerk gemeldet haben:
"Das Wichtigste ist sicherlich die Komponente im realen Leben. Also er bekommt am Anfang schon einen ‚Newcomer-Buddy zur Seite gestellt, der ihn begrüßt auf Englisch, also nicht zwangsläufig in der Landessprache, die er vielleicht noch nicht spricht. Und dedizierte Ansprechpartner, um auch so eine Hemmschwelle zu senken.
Mit dieser Hilfestellung kann vielleicht auch Deutschland auf der Beliebtheitsskala bei Expats wieder steigen. Mit den Arbeitsbedingungen hierzulande sind die meisten ja bereits sehr zufrieden.