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Internationale Konferenz
Es gibt noch viel zu tun beim Umgang mit NS-Raubkunst

Deutschland bekam bei der Fachkonferenz „20 Jahre Washingtoner Prinzipien“ viel Lob für den Umgang mit dem Thema NS-Raubkunst. Zu kurz gekommen seien aber Perspektiven für die Zukunft, berichtete Raubkunst-Experte Stefan Koldehoff im Dlf. Eine noch größere Enttäuschung sei, dass sich keine Lösung für Bilder in Privatbesitz abzeichne.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
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    Dieses geraubte Bild wurde zurückgegeben (Bild: Fredrik von Erichsen/dpa) (Fredrik von Erichsen dpa/lhe (zu dpa-lhe 7137)
    Doris Schäfer-Noske: Am kommenden Montag ist es genau 20 Jahre her, dass über 40 Staaten die Washingtoner Erklärung unterzeichnet haben. Sie haben sich darin verpflichtet, die Verbrechen der Nationalsozialisten gegenüber Kunstsammlern und Kunsthändlern aufzuklären und eine Einigung mit den Nachfahren der Opfer zu suchen, also die geraubten Kunstwerke zum Beispiel an die Erben der Eigentümer zurückzugeben.
    Diese Erklärung sollte Gerechtigkeit schaffen, sie ist aber rechtlich nicht bindend – das ist eine große Schwierigkeit. Außerdem gilt sie bisher nicht für Privatleute, die zum Beispiel Eigentümer eines geraubten Kunstwerks geworden sind.
    Auf einer internationalen Konferenz in Berlin haben jetzt – zum 20. Jahrestag - mehrere hundert Experten drei Tage lang über die Frage gesprochen, wie es denn weitergehen soll mit der Provenienzforschung und der Rückgabe von NS-Raubkunst. Und unser Raubkunst-Experte Stefan Koldehoff war dabei.
    Sie haben auch zum Auftakt der Konferenz schon berichtet. Was ist denn jetzt dabei herausgekommen?
    Vergangenheit: gut, Zukunft: sehr ausbaufähig
    Stefan Koldehoff: Also, zunächst mal viel Lob für Deutschland von ganz vielen Vertreterinnen und Vertretern aus anderen Staaten. Aus den USA, aus Frankreich und aus Polen, die alle bescheinigt haben: Es ist viel geschehen in den letzten 20 Jahren. Und das stimmt auch. Es sind viele faire und gerechte Lösungen, wie es in der Erklärung heißt, gefunden worden. Aber was eigentlich versprochen worden war, was der Titel dieser Tagung war, nämlich auch Perspektiven für die Zukunft zu eröffnen, das ist ein bisschen kurz gekommen. Man hat sehr viel "Best Practice" gehört, was läuft wie gut, wie funktioniert es da, wie funktioniert es dort. Der Fall Gurlitt ist noch einmal in epischer Breite erzählt worden aus verschiedenen Perspektiven. Aber für die Zukunft, wie gesagt, herzlich wenig.
    Schäfer-Noske: Da war ja erwartet worden unter anderem eine Debatte darüber, wie man die Situation der Provenienzforscherinnen und –forscher in den Museen verbessern kann. Gab es denn da irgendwelche Ideen oder auch Forderungen?
    Koldehoff: Es gab klare Forderungen, übrigens auch symbolisiert durch einen grünen Button, mit dem viele der freien Provenienforscherinnen und –forscher dort rumgelaufen sind. Da stand drauf "Befristet bis", und dann standen Daten darunter oder "Unbezahlt", um darauf hinzuweisen, dass es häufig nur Zwei-Jahres-Verträge sind, die an den Museen vergeben, höchstens einmal verlängert werden. Da gab es die ganz klare Forderung an die Träger, Bund, Länder und Kommunen: Ihr müsst kontinuierliche Arbeitsverhältnisse schaffen! In zwei Jahren lässt sich keine Museumssammlung erforschen.
    Aber auch da gibt es natürlich keine konkreten Antworten bis auf die: Das Geld haben wir leider nicht.
    Knackpunkt föderalistisches System in Deutschland
    Schäfer-Noske: Die Washingtoner Erklärung ist ja, ich habe es schon angesprochen, nur eine moralische Selbstverpflichtung. Und in anderen Ländern, zum Beispiel in Österreich, da gibt es durchaus verbindliche Raubkunstgesetze. Gab es dazu denn Initiativen auf der Konferenz?
    Koldehoff: Hermann Parzinger, der Chef, der Präsident der großen, mächtigen "Stiftung Preußischer Kulturbesitz" hat sich nochmal vehement dafür ausgesprochen, da doch wenigstens drüber zu diskutieren. In Österreich beispielsweise, gibt es so ein Raubkunstgesetz. Da darf eine Kommission, egal, ob den Museen das passt oder nicht, in die Häuser rein, auch in die Archive, und gucken, was da ist, daraus dann Berichte schreiben, die direkt dem Kulturministerium vorgelegt werden. Und Parzinger sagt: "Wir müssen wenigstens mal darüber diskutieren, ob so etwas auch für Deutschland sinnvoll wäre." Bayern hat ja im Zuge der Gurlitt-Affaire mal einen Vorstoß im Bundesrat unternommen, der schlummert seitdem aber auch in der Schublade. Problem allerdings: Österreich oder auch Frankreich, wo es ja eine Entscheidung im Moment in Hinblick auf Güter aus der Kolonialzeit gibt, das sind zentralistisch organisierte Staaten. Da kann eine Bundesregierung so etwas entscheiden, während wir in Deutschland föderal organisiert sind, also auch 16 Bundesländer dem zustimmen müssten, weil die auch die Träger von Museen sind.
    Schäfer-Noske: Ein anderer wichtiger Punkt sind ja die Bilder in Privatbesitz. Gibt es da denn Lösungsansätze?
    Koldehoff: Leider überhaupt nicht. Und das ist eigentlich die größte Enttäuschung. Denn nachdem man nun bestätigt bekommen hat, es ist viel passiert, was die öffentlichen Museen angeht – denn nur auf die bezieht sich ja die Washingtoner Erklärung – hätte man sich ja da einigermaßen beruhigt nicht zurücklehnen, aber doch fühlen können und sagen können: So, jetzt schauen wir mal, wenn wir das ganz gut im Griff haben für die öffentlichen Museen, wie sieht es bei den privaten Sammlungen aus?
    Aufarbeitung von DDR-Geschichte
    Koldehoff: Es gab ein sehr schönes Beispiel: Rainer Stamm, der Direktor des Landesmuseums in Oldenburg, hat ein Beispiel vorgestellt, da dürfen Bürger Dinge hinbringen, von denen sie wissen, dass sie in der NS-Zeit angekauft worden sind von Opa oder Onkel oder vielleicht auch selbst, aber keine Ahnung haben, wo die Sachen herkommen. Und das Museum forscht auch zu diesen Dingen aus privatem Besitz und guckt, was es darüber herausfinden kann, und gibt Empfehlungen ab. Das ist aber auch nur wieder vorgestellt worden und nicht weiter diskutiert worden. Das ist eigentlich die ganz dringende Notwendigkeit für die folgenden Jahre.
    Schäfer-Noske: Frankreich haben Sie schon angesprochen. Frankreich hat ja bei der Rückgabe afrikanischer Kunst einen neuen Kurs eingeschlagen und damit ja auch eine heftige Debatte ausgelöst. Müsste man den Raubkunstbegriff nicht eigentlich erweitern vor dem Hintergrund dieserDebatte?
    Koldehoff: Das geschieht auch schon. Und auch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, das Monika Grütters gegründet hat in Magdeburg, wird sich jetzt um dieses Thema kümmern. Dafür wird es eigene Mittel geben. Drittes Thema, dass dann irgendwann noch ansteht, ist der Umgang der DDR mit Kunst und Kunstsammlern. Aber es ist auch ganz klar gesagt worden, es wird nicht gegeneinander ausgespielt. Die Zeit des Nationalsozialismus und was dort geschehen ist, lässt sich mit nichts anderem vergleichen. Also, man erkennt, es gibt auch andere wichtige Themenfelder wie die Kolonialzeit, aber man stellt es nicht auf eine Stufe.