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Internationale Walfangkommission wird infrage gestellt

Um Ja-Stimmen für den Walfang zu sammeln, hat Japan andere Länder mit "Fischereientwicklungshilfe" ausgestattet und Reisespesen der Delegierten bezahlt, sagt Wissenschaftsjournalist Detlev Reepen. Zurzeit findet die jährliche Tagung der Internationalen Walfangkommission statt - Walschützer halten sie für nutzlos.

Detlev Reepen im Gespräch mit Jule Reimer | 12.07.2011
    Jule Reimer: Jedes Jahr im Sommer treffen sie sich, die Delegierten der Internationalen Walfangkommission IWC. Diese wurde 1946 gegründet und von der UN als selbstständige überstaatliche Organisation anerkannt, um der drohenden Ausrottung der Wale Einhalt zu gebieten, damals weniger aus Gründen des reinen Artenschutzes, sondern weil Walfleisch und andere Walbestandteile in der Ernährung vieler Länder als wichtige Eiweisquelle dienten. Heute ist die Kommission tief gespalten in die Walfangnationen Japan, Island und Norwegen und ihre Unterstützer und den Staaten, die die Meeressäuger schützen wollen. – Mein Kollege Detlef Reepen beobachtet seit Jahren die Konferenzen der IWC. Seit Montag tagt das Gremium auf der britischen Insel Jersey, und da ist zum Beispiel die Rede von dicken Geldbündeln, die vertraulich vor Abstimmungen die Hände wechseln. Herr Reepen, sind diese Treffen der Walfangkommission eigentlich noch etwas anderes als absurdes Theater?

    Detlef Reepen: Ja, das kann man sich langsam fragen, zumal sich die Walfangkommission seit Jahren eigentlich jetzt zu keinem Walschutz oder zum Beispiel zur Wiederzulassung des Walfangs offiziell durchringen kann. Es ist in der Vergangenheit so gewesen, dass Japan eine ganze Reihe von Karibik-, Pazifikstaaten und afrikanischen Staaten großzügig mit Fischereientwicklungshilfe ausgestattet hat. Da wurden schon mal neue Kaianlagen für die Fischereiflotte gebaut und im Gegenzug wurde dann eben erwartet, dass sie bei der IWC mit Japan zusammen abstimmen für den Walfang. Da sind dann so berühmte Walfangländer wie der Tschad dabei, die haben zum Beispiel gar keine Küste, die bekommen natürlich eine andere Art von Entwicklungshilfe von Japan.

    Reimer: Aber Entwicklungshilfe ist nicht gleich Korruption?

    Reepen: Ja, aber zum Beispiel im vergangenen Jahr ist bekannt geworden, dass auch die Spesen, also die Reise selbst und die Spesen, die Delegierte aus Pazifik- oder Karibikstaaten verursachen, von Japan übernommen worden sind, und deswegen hatte jetzt die britische Delegation einen Antrag gestellt, dass mehr Transparenz herrschen soll, dass zum Beispiel die Gebühr, die Mitgliedsgebühr, einige Zehntausend Dollar im Jahr, nicht mehr bar bezahlt werden kann, sondern dass es überwiesen wird, sodass man dann eben auch sehen kann, woher das Geld überhaupt stammt.

    Reimer: Stehen denn außer der Korruptionsbekämpfung noch inhaltliche Entscheidungen zum Walschutz an?

    Reepen: Nein. Man will Frieden finden, man will zueinanderfinden, das heißt Cool-down-Phase. Also man will aus den hitzigen gegenseitigen Beschuldigungen rauskommen, sodass eigentlich weitere Beschlüsse außer diesem britischen Antrag gar nicht zu erwarten sind.

    Reimer: Wie groß ist denn überhaupt weltweit das Interesse an Walfleisch, an Walfang?

    Reepen: Ja, und das ist jetzt der Punkt, dass man erwarten kann, dass der Walfang sich mehr oder minder von alleine erledigt und nicht durch die Beschlüsse der Internationalen Walfangkommission. Es sind ja nur drei Länder, die Wale fangen: Island und Norwegen dürfen das unter Vorbehalt, weil sie damals gegen das Moratorium Einspruch eingelegt haben.

    Reimer: Das Moratorium von 1986.

    Reepen: ... von 1986. Japan behauptet, es wäre wissenschaftlicher Walfang und fängt selber um die 1000 Wale im Jahr. Und nun ist es so, dass Japan im vergangenen Winter nur noch 30 Wale in der Antarktis fangen konnte - die Antarktis ist ja auch sehr weit von Japan entfernt – durch die Arbeit der Organisation Seashepherd, einer Walschutzorganisation, statt 900 Wale. Nun ist eben die Antarktis so weit von Japan entfernt, da werden sehr große Kosten verursacht. Das sind bestimmt die teuersten 30 Wale in der japanischen Geschichte. Dazu kommt, dass die UNO festgelegt hat, dass ab nächsten Winter nur noch Schiffe in die Antarktis fahren dürfen, die kein Schweröl als Treibstoff an Bord haben, und dieses Fangschiff der Japaner, dieses wissenschaftliche Fangschiff, arbeitet auf Schweröl als Treibstoff und müsste aufwendig für mehrere Hunderttausend Dollar umgebaut werden. Das kann sich die japanische Regierung nicht mehr leisten. Also da wird der Walfang erheblich zurückgehen. Norwegen hat zwar einen legalen Walfang, auch ungefähr 1300 Tiere, aber die meisten davon befinden sich vor Spitzbergen. Hier spielt auch wieder das Kostenargument eine große Rolle. Vom norwegischen Festland nach Spitzbergen zu fahren, kostet eine Menge Treibstoff, und der wird zurzeit immer teurer, sodass sich auch der norwegische Walfang von alleine reduziert hat, von 1300 Tieren auf ungefähr 500 Tiere in den letzten zwei Wintern jeweils. Und bei Island ist es so: Die möchten ja auch wegen ihrer Finanzkrise in die EU und da ist der isländische Walfang ein erheblicher Stolperstein, und so hat man vorsichtshalber sozusagen als Goodwill-Aktion im letzten Winter nur noch 20 Wale gefangen, auch unter hohen Subventionen - das kann sich die isländische Regierung ja auch gar nicht leisten -, statt 200. Also der Walfang scheint sich in diesen drei Ländern quasi von selbst zu erledigen.

    Reimer: Könnte sich die Internationale Walfangkommission also auflösen?

    Reepen: Ja, das würden einige ganz gerne haben, zum Beispiel der Chef von Seashepherd. Der meinte, die die sind völlig nutzlos. Die Walschutzländer meinen, es gibt noch wirklich genug zu tun, es sterben sehr viele Wale durch Zusammenstöße mit Schiffen, in den Netzen der großen Fischereinationen einfach so als Beifang, die Verlärmung der Ozeane macht den Walen zu schaffen, und nicht zuletzt ist es so, dass auch der Klimawandel – da ist man ziemlich sicher – den Walen zusetzen wird, sodass es noch genug zu tun gibt, um die Wale zu schützen.

    Reimer: Das waren Informationen zur Tagung der Internationalen Walfangkommission auf der britischen Insel Jersey von meinem Kollegen Detlef Reepen.

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