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Internationale Zusammenarbeit
Globale Herausforderungen global lösen

Eine Konferenz an der Universität Duisburg-Essen hat sich mit den Voraussetzungen für eine wirkungsvolle internationale Kooperation befasst. In komplexen Fragen wie dem Weltklima sei Zusammenarbeit schwierig, meint der Jurist und Umweltforscher Markus Bockenförde. Oft gelinge Zusammenarbeit erst, wenn die Lösung für ein Problem besonders simpel sei.

    Eine beleuchtete Weltkugel (Globus) mit Blick auf Afrika und Europa.
    In Sonntagsreden betonen Politiker gerne die Notwendigkeit verstärkter internationaler Zusammenarbeit. (picture alliance / dpa - Caroline Seidel)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Wir haben es gemeinsam in der Hand, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Wir haben es in der Hand, extreme Armut gänzlich zu überwinden. Globale Herausforderungen können auch nur global gelöst werden. " US-Präsident Barack Obama: "They require allies who will listen to each other, learn from each other and most of all: trust each other." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: "Heute kann kein Zweifel mehr daran bestehen, dass länderübergreifende Gesundheitsgefahren nach neuen Formen der internationalen Zusammenarbeit verlangen. Wenn wir nicht handeln, meine Damen und Herren, werden die Folgen auch für uns in Deutschland unkalkulierbar werden."
    In Sonntagsreden betonen Politiker gerne die Notwendigkeit verstärkter internationaler Zusammenarbeit. Auch wenn Präsident Obamas Formel von den Verbündeten, die einander zuhören und einander vertrauen müssten, angesichts der Spionagepraxis der NSA ein wenig zweideutig wirkt. Doch wie steht es wirklich um die Bereitschaft zur globalen Kooperation in Menschheitsfragen? Ein rascher Blick auf die Hauptthemen stimmt da wenig optimistisch. Ein neues, für alle verbindliches Klimaabkommen, das diesen Namen auch verdient - weit und breit nicht in Sicht. Hunger und Armut auf der Welt - keineswegs gelöste Probleme. Und schweigen etwa irgendwo die Waffen, weil die Weltgemeinschaft es erzwungen hat? Globale Zusammenarbeit - nur eine Chimäre oder können wir in Zukunft darauf bauen?
    "Ja, wir müssen! Was bleibt, wenn man nicht versucht, in unterschiedlichen Dynamiken und Prozessen zu Lösungen zu kommen und Inhalten, die dann auch alle betreffen?" Natürlich weiß auch Markus Bockenförde vom Käthe Hamburger Kolleg an der Universität Duisburg-Essen um die Schwierigkeiten, die es dabei gibt. Die Aufgabe der Forschung sieht er deshalb vor allem darin, konkrete Ansatzpunkte für eine verbesserte Kooperation zu finden. "Wir versuchen die Bereiche zu finden, wo es dann doch ein bisschen einfacher ist und das andere eben weiter zu bearbeiten."
    Skepsis im Hinblick auf die Weltklimakonferenz in Paris
    Einfacher, so Bockenförde, sei die Zusammenarbeit immer dann, wenn das Problem ziemlich konkret und seine Lösung relativ simpel sei: "Wenn der Bedarf an Kooperation hoch ist, weil die Gefahr immens ist, wenn nicht kooperiert wird, dann scheint es zu funktionieren. Einfach zwei Beispiele: Das Ozonloch, wo man tatsächlich schon gemerkt hat, die Leute kriegen Hautkrebs und das weitet sich weiter aus. In dem Moment war es möglich, am Abgrund stehend, und, ich sag jetzt provokativ, übers Reflexzentrum was zu unternehmen. Noch unmittelbarer ist die Eindämmung der asiatischen Vogelpest. Alle arbeiteten zusammen, um das einzudämmen."
    In Hinsicht auf die Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Paris ist der Forscher aber skeptisch. "Das was beim Klimawandel ja die Herausforderung ist, a) das es wesentlich komplexer ist und b) dass die Bedrohungsszenarien nicht so unmittelbar sind, wie jetzt beim Ozonloch. Also die Fotos sehe ich noch vor mir, das sah man und da konnte man schnell eins und eins zusammenzählen, wann das möglicherweise einen selber erreicht. Beim Klimawandel die ganzen Diskussionen auch, dass das eben nicht menschenverursacht ist und die natürlichen Schwankungen usw. prägten diese Debatten und dieser Druck, das über Reflex gehandelt werden muss, war eben nicht da."
    Auch hier gäbe es aber Ansatzpunkte für Teillösungen, die - auch das hochinteressant - oft von Staaten der dritten Welt, oder wie man heute sagt, des globalen Südens, ausgingen. Als Beispiele wurden auf der Duisburger Konferenz der seit dem Jahr 2005 existierende globale Mechanismus zum Schutz der Wälder genannt. Eine Initiative, die ursprünglich von Costa Rica, den beiden Kongos und einigen anderen Dritte-Welt-Staaten ausging. Noch aktueller ist eine 2013 gestartete Initiative von Bangladesh, Ghana, Mexiko, Kanada und Schweden zur Reduktion kurzlebiger Klimagase wie Ruß oder Methan. In die richtige Richtung ginge auch die Orientierung an Prinzipien wie gemeinsame Verantwortung, unterschiedliche Verpflichtungen. Bezogen auf die Klimaverhandlungen ist damit gemeint, dass zwar alle Länder eine gemeinsame Verantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels haben, die daraus folgenden Verpflichtungen (etwa was CO-2-Einsparungen angeht) aber durchaus unterschiedlich sein könnten. Allerdings:
    China im Mittelpunkt einer künftigen Weltordnung
    "Was jetzt natürlich stattfindet und das ist das Beispiel China, dass die, obwohl sie die zweitstärkste Wirtschaftsnation der Erde sind, immer noch unter dem Label Entwicklungsland fahren wollen. Während die USA dann im Gegenschluss sagen, wenn die jetzt nicht machen, also wir lassen uns von denen doch nicht überholen, weil wir jetzt zurückfahren, um den Klimaschutz voranzutreiben und die dann weitermachen dürfen. Das heißt, vom Konzept her ist das schon gedacht, es ist jetzt dieses politische Machtspiel und dann eben die Selbstbezogenheit."
    Apropos China. Dass das Reich der Mitte in jeder künftigen Weltordnung eine zentrale Rolle spielen wird, dürfte außer Frage stehen. Doch wie könnte eine solche Weltordnung aussehen? Westliche Forscher verwenden hier gerne den englischen Begriff "Global Governance". Der ist mit "Weltregierung" oder "Weltinnenpolitik" nur unzureichend übersetzt. Gemeint ist ein Zustand, in dem die globalen Probleme eben nicht nur von der Regierungen, sondern im Zusammenwirken von Staaten und Zivilgesellschaft, vertreten etwa durch Nichtregierungsorganisationen, angegangen werden. Ein Konzept, das, so Professor Manjiao Chi von der Xiamen Universität, so gar nicht ins Weltbild der aktuellen chinesischen Führung passe: "Regierung hieß in China immer: von oben nach unten. Wir kennen keine klare Unterscheidung zwischen dem Staat und den Kräften der Zivilgesellschaft. Daher ist der Begriff 'Governance' ein Schock für diese Tradition des staatlichen Zentralismus."