Zur Begründung erklärten die Richter in Den Haag, die Militäroffensive könne zur "vollständigen oder teilweisen Auslöschung" der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen führen. Von einem Rückzug israelischer Truppen aus dem gesamten Gazastreifen war in dem Urteil nicht die Rede. Das höchste UNO-Gericht wies Israel zudem an, den Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten offen zu halten. Dieser Schritt sei nötig, um die dringend benötigte Grundversorgung und humanitäre Hilfe in großem Umfang ungehindert zu gewährleisten. Die südafrikanische Regierung hatte in dem Eilantrag argumentiert, es gehe darum, einen Völkermord an Palästinensern zu verhindern.
Die Entscheidungen des IGH haben zwar große Tragweite, dem Gericht fehlen aber die Möglichkeiten, die Umsetzung seiner Urteile auch zu erzwingen. Israel hatte bereits im Vorfeld signalisiert, dass es einer Anordnung nicht Folge leisten würde.
Geteiltes Echo auf Gerichtsentscheidung
Südafrika begrüßte die Entscheidung. Man werde sich nun an den UNO-Sicherheitsrat wenden, kündigte das Außenministerium an. Die Anweisung des IGH sei bindend und müsse von Israel befolgt werden. Die Palästinensische Autonomiebehörde erklärte, das Urteil stehe für einen "internationalen Konsens", dass der Krieg im Gazastreifen beendet werden müsse. Ähnlich äußerte sich die Terrororganisation Hamas. Sie betonte, ein Rückzug aus Rafah reiche nicht aus. Der gesamte Einsatz im Gazastreifen müsse beendet werden.
Ein Sprecher der israelischen Regierung sagte, keine Macht der Welt werde Israel davon abhalten, seine Bürger zu schützen und gegen die Hamas im Gazastreifen vorzugehen. Der dem israelischen Kriegskabinett angehörende Minister Gantz erklärte, man werde sich bei der Offensive im Gazastreifen an internationales Recht halten und soweit wie möglich die Zivilbevölkerung schützen.
UNO-Gericht zum wiederholten Mal ersucht
Südafrika ersucht das UNO-Gericht bereits zum dritten Mal um zusätzliche Maßnahmen gegen Israel. Im Dezember hatte Südafrika vor dem IGH gegen Israel den Vorwurf eines Völkermords im Gazastreifen erhoben. Der Gerichtshof wies Israel daraufhin im Januar an, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Handlungen im Zusammenhang mit einem "Völkermord" im Gazastreifen zu verhindern. Israel hat den Vorwurf des Völkermords in einer Anhörung zurückgewiesen.
Die Kritik an Israels Kriegsführung hatte zuletzt zugenommen. Selbst der engste Verbündete USA warnte die Regierung Netanjahu vor einer großangelegten Offensive gegen Rafah. In der Stadt haben hunderttausende Palästinenser vor den Kämpfen Schutz gesucht.
Diese Nachricht wurde am 25.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.