Archiv

Internationalisierung an Hochschulen
Niederlande treten auf die Bremse

Immer mehr ausländische Studierende, Englisch als führende Sprache: Die Niederlande sind in Europa Vorreiter der Internationalisierung. Doch an den Hochschulen bildet sich zunehmend Widerstand. Sie haben nun ein Papier vorgelegt, wie diese Entwicklung aufgehalten werden soll.

Von Andrea Lueg |
    Globus mit Doktorhut
    Niederländische Unis klagen über Probleme bei der Internationalisierung (imago / Blickwinkel)
    Die Universität Twente in Enschede, nahe der deutschen Grenze, zählt zu den niederländischen Vorreitern in Sachen Internationalisierung. Vierzig Prozent der Studierenden hier kommen aus dem Ausland - und 30 Prozent des Mitarbeiterstabes. Aber nicht nur das: Bis zum Jahr 2020 will die Uni Twente komplett englischsprachig werden.
    "Wenn die ganze Uni englischsprachig wird, heißt das eigentlich, dass die Sprache, in der wir im formalen Setting miteinander kommunizieren werden, Englisch ist. Dass heißt nicht, dass jeder beim Kaffeeautomaten, dass Holländer da jetzt Englisch sprechen müssen. Aber das heißt eben auch, dass wir uns entschieden haben, Englisch als führende Sprache einzuführen."
    Erklärt Sander Lotze, Leiter der Abteilung Internationalisierung an der Uni Twente.
    Twente ist eine technische Hochschule, die Talente aus aller Welt anziehen will. Bei den Studierenden ebenso wie bei den Lehrenden. Deshalb sollen nicht nur alle Studiengänge komplett auf Englisch angeboten werden, auch alle Versammlungen und die Mitsprache von Mitarbeitern und Studierenden sollen in der Fremdsprache stattfinden.
    "Unsere Vision ist, dass wir sogenannte global citizens ausbilden, weil Studenten auch in einem Umfeld arbeiten werden in der Zukunft, wo die in internationalen Teams zusammenarbeiten."
    Sorge um die niederländische Sprache
    Doch genau gegen diese Entwicklung an den Hochschulen hat sich in den letzten Monaten viel Widerstand formiert. Kritiker wie Ad Verbrugge, Vorsitzende von Beter Onderwijs Nederland, auf deutsch etwa "Bessere Bildung für die Niederlande", bemängeln zum Beispiel, dass die Internationalisierung auf Kosten des Niederländischen gehe.
    "Wir sehen jetzt schon, dass nicht nur ausländische Studierende, sondern auch die aus unserem eigenen Land die Sprache nicht mehr wirklich beherrschen. Die erleben dann auf der Hochschule auch kein gutes Niederländisch mehr."
    Befürchteter Qualitätsverlust
    Zudem sei die Qualität des englischsprachigen Unterrichts schlecht, so ein Kritikpunkt vor allem von Studierendenvertretern wie Jasper ten Napel von der Uni Twente.
    "Weil die Qualität der Ausbildung teilweise abnimmt, weil sich die Dozenten in einer fremden Sprache doch nicht so ausdrücken können wie in ihrer Muttersprache."
    Je mehr das Englisch auch in die Privatsphäre vordringe, desto schwieriger werde das Thema.
    "Da gibt es Diskussionen, ob ein Wohnheim mit niederländischen Studenten einen internationalen Studenten aufnehmen will, denn dann muss natürlich teilweise auch dort Englisch gesprochen werden. Diese Diskussion ist sehr emotional und die wird auch sehr hart geführt."
    Ad Verbrugge kritisiert zudem, dass für das Englisch an den Unis überwiegend wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend seien.
    "Dem liegen also keine pädagogischen oder gesellschaftlichen Überlegungen zugrunde, sondern nur wirtschaftliche: Mehr Studierende bringen mehr Geld."
    Papier zur Einschränkung der Internationalisierung
    Nun haben die Vereinigung der Universitäten und die Vereinigung der Hochschulen der Niederlande reagiert und Bildungsministerin Ingrid van Engelshoven ein Papier überreicht. Darin steht, wie sie die Internationalisierung aufhalten wollen: zum Beispiel mit einem Numerus Fixus für englischsprachige Studiengänge. Das heißt: Es soll nur noch eine beschränkte Zahl von Plätzen an ausländische Studierende verlost werden. Außerdem sollen die Studiengebühren für außereuropäische Studierende deutlich steigen. Die liegen schon jetzt bei etwa 10.000 Euro pro Jahr. Ihre Zahl soll zudem gedeckelt werden.
    Bessere Englischkenntnisse von Dozenten gefordert
    Einige Kritikpunkte kann Sander Lotze von der Uni Twente durchaus nachvollziehen. Zum Beispiel, dass die Dozenten nicht immer so gut Englisch sprechen, wie sie sollten. In Twente werden sie deshalb in der Fremdsprache geschult.
    "Nichtsdestotrotz bleibt eine Anzahl von Dozenten, wo das nicht klappen wird und da muss man überlegen, ob das dann Leute sind, die man weiterhin in der Lehre einsetzt oder mehr in Forschung."
    Auch die Hochschulvereinigung will, dass Dozenten in Zukunft mindestens das Niveau C1 nachweisen, wenn sie auf Englisch unterrichten. Das ist das zweithöchste Niveau, wenn man eine Fremdsprache lernt. Und schließlich sollen die niederländischen Studierenden mobiler werden. Denn die studieren immer noch am liebsten zuhause.