20 Suchanfragen bei Google sollen so energieintensiv sein wie eine Stunde Energiesparlampe. 60 Minuten Videostreaming sollen so viel C02 freisetzen wie ein Kilometer Autofahrt. Das klingt erst einmal nicht dramatisch, aber bei rund 4 Milliarden Internetnutzern kommt da einiges zusammen. Ralph Hintemann forscht am Borderstep-Institut zu Nachhaltigkeitsprozessen in der Digitalisierung und erklärt: "Insgesamt kann man sagen, wenn man sich alle Studien anschaut, dass wir davon ausgehen können, dass das Internet ungefähr zweieinhalb bis drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen erzeugt"
Das ist etwas mehr als die Emissionen von Deutschland. Der enorme Energieverbrauch des Internets verteilt sich grob auf drei Bereiche. Da sind die Rechenzentren, wo die Daten verarbeitet werden, dann gibt es die Netze, für deren Betrieb große Anlagen benötigt werden - und zuletzt die Endgeräte der Nutzer.
Was muss passieren?
Angesichts einer Digitalisierung, die immer mehr Lebensbereiche umfasst, stellt sich also die Frage: Was muss passieren, damit das Internet nicht zum Klimakiller Nummer eins wird? Hintemann beschäftigt sich vor allem mit Lösungsansätzen für die Rechenzentren.
"Letztendlich haben wir schon seit Jahren deutliche Effizienzverbesserungen in den Rechenzentren. Die Rechenleistung, die ich pro Kilowattstunde Strom erhalte, steigt auch sehr sehr deutlich an. Aber wir haben den Trend, dass wir immer mehr Rechenleistung brauchen und das überkompensiert letztendlich die Effizienzfortschritte, so dass der Energiebedarf der Rechenzentren ansteigt, obwohl die Technik immer effizienter wird."
Mit höherer Rechenleistung ist es also nicht getan. Einsparpotenzial sieht Hintemann aber auch bei den Anlagen selbst, zum Beispiel bei der aufwendigen Kühlung. In Deutschland müsse man dafür eigentlich kaum noch Energie aufwenden
"Die meiste Zeit des Jahres kann man einfach die Außenluft nutzen und muss nicht extra Kälte erzeugen, was sehr energieintensiv ist."
Da, wo sich Energie nicht einsparen lasse, könne man zumindest die Abwärme der Rechenzentren nutzen, zum Heizen von Wohngebieten zum Beispiel. Einige Pilotprojekte dieser Art gibt es schon.
Und natürlich spielt eine entscheidende Rolle, ob die Serverfarmen mit Strom aus fossilen oder regenerativen Energien betrieben werden. Damit alle Rechenzentren Ökostrom nutzen können, ohne dass dieser an anderer Stelle fehlt, muss sich allerdings, meint Hintemann, an der Erzeugungsstruktur in Deutschland noch vieles ändern.
E-Maildienst ohne Spamordner
Der E-Mail-Dienst Posteo ist einer der wenigen Internetanbieter, der für seine Server nur Ökostrom nutzt und versucht, die Anzahl der Server möglichst gering zu halten – durch nachhaltiges Programmieren. Mitgründer Patrik Löhr erklärt: "Also definitiv ist die Hardware der größere Faktor, aber wenn wir Sachen für unseren Dienst programmieren, ist es schon so, dass wir beeinflussen können, wie machen wir durch unsere Programmierung, die Sachen effizient, so dass viele Kunden mit der gleichen Software in kürzerer Zeit von einem Server bedient werden können."
Bei Posteo gibt es zum Beispiel keinen Spam-Ordner. Die unerwünschten Mails werden direkt abgelehnt, so dass sie nicht auf den Servern verarbeitet und gespeichert werden müssen. Um nachhaltige Software zu nutzen, programmiert Posteo außerdem viel selbst. Denn Standardsoftware sei meistens für so viele mögliche Anwendungsfälle konzipiert, dass sie überfrachtet und damit energieintensiver sei, meint Patrick Löhr. Auch Datenschutz habe viel mit Nachhaltigkeit zu tun.
"Alles was wir nicht loggen, die ganzen Sachen, um Profile von Nutzern zusammenzuführen, das braucht alles Speicher und Platz und den brauchen wir nicht. Tatsächlich ist es für Entwickler bei uns, wenn sie neu sind, sehr ungewöhnlich darauf zu achten, dass sie immer nur das speichern, was wir wollen, dass gespeichert wird. Das ist tatsächlich auch nicht ganz einfach manchmal, weil solche Entwicklungsframeworks, die es viel gibt, die legen einfach zig Datenbankfelder von sich aus an und befüllen die standardmäßig mit Daten, von denen irgendjemand mal gedacht hat, dass man die wahrscheinlich brauchen wird zur Analyse von was weiß ich."
Videos in kleiner Auflösung
Viele Internetdienste finanzieren sich allerdings genau so. Über Werbung und über das Sammeln und Weitergeben von möglichst vielen Nutzerdaten – und erzeugen dadurch besonders viel Datenverkehr.
Für die Nutzer lässt sich – abgesehen von der Werbung – von außen nur schwer erkennen, wie ressourcenschonend eine Webseite programmiert ist. Möglichkeiten den eigenen CO2-Fußabdruck beim Surfen zu verkleinern gibt es trotzdem. Wer zum Beispiel einen Adblocker benutzt und Videos möglichst in niedriger Auslösung guckt oder verschickt, reduziert Daten. Auch E-Mails zu löschen, die man nicht mehr braucht, sei sinnvoll, meint Patrick Löhr.
"Die einzelne E-Mail wird nicht dafür sorgen, dass wir irgendwie einen Server abschalten können. Aber wir haben ja nun mal mehrere hunderttausend Nutzer und ja, es bringt was, wenn man seine E-Mails löscht. Die Postfächer werden dadurch kleiner, belegen weniger Speicherplatz, wir müssen weniger schnell neue Server anschaffen und deswegen hilft das definitiv gegen Energieverbrauch, gegen Ressourcenverbrauch - um die Server herzustellen und damit gegen den Klimawandel."
Ralph Hintemann empfiehlt, darauf zu achten, Handys oder Computer zu kaufen, die wenig Strom fressen. Und wenn man sie einmal gekauft hat, nicht im nächsten Jahr gegen das neueste Modell einzutauschen. Denn:
"Diese Geräte haben den Großteil ihrer Klimawirkung in der Herstellung. Das heißt, bei einem Smartphone sind die CO2-Emissionen in der Herstellung ungefähr für 80 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks verantwortlich. Und nur 20 Prozent ist die eigentlich Nutzung, also der Strom, den das Smartphone nachher benötigt."