Sexualisierte Gewalt
Debatte über EU-Vorschlag zum Kinderschutz

Bei der Fahndung nach Kinderpornografie im Internet stoßen Ermittler an Grenzen, auch technischer Art. Kriminelle tarnen, tricken und täuschen. Sie setzen Verschlüsselungstechnologien ein und verstecken sich in Untiefen des Internets. Die EU-Kommission hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Ermittler weitreichende Befugnisse bekämen. Dagegen fomiert sich Widerstand.

24.05.2022
    Ein bayerischer Kriminalbeamter sitzt in seinem Büro vor einem Bildschirmen, auf denen fast nackte minderjährige Mädchen zu sehen sind. Die Aufnahme ist verschwommen.
    Beamte des Landeskriminalamts München ermitteln wegen Kinderpornografie im Internet. (dpa / Peter Kneffel)
    Demnach sollen Onlineplattformen wie Google oder Facebook verpflichtet werden, pornografisches Material oder Kontaktversuche aufzuspüren, zu entfernen und zu melden. Als Zentralstelle dafür will die EU-Behörde ein europaweites Zentrum zum Kampf gegen Kindesmissbrauch schaffen. Die Regelung soll eine im Juli 2021 verabschiedete und auf drei Jahre befristete Übergangsverordnung ablösen.

    Datenschützer und Computer-Experten schlagen Alarm

    So warnt die Organisation Campact vor einem Eingriff in die Grundrechte. Befürchtet wird eine Massenüberwachung von Messengerdiensten und Online-Kommunikation.

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    Der Chaos-Computer-Club nennt die Pläne der EU eine "Chatkontrolle". Mit Hilfe künstlicher Intelligenz würden im Verdachtsfall alle "Nachrichteninhalte und Bilder direkt auf unseren Geräten" geprüft. Der Verein spricht von einer "überzogenen und fehlgeleiteten Überwachungsmethode". Die Computer-Experten weisen zudem daraufhin, dass die Kontrolle "leicht zu umgehen" sei. Ohne erwartbaren Erfolg im Sinne des eigentlichen Ziels solle ein nie dagewesenes Überwachungswerkzeug eingeführt werden.
    Mit den Kommissionsvorschlägen befassen sich nun das Europäische Parlament und die einzelnen Mitgliedstaaten. Derweil steigt der Druck auf die politisch Verantwortlichen.

    Erste Politiker in Deutschland rudern (vorerst) zurück

    Bundesinnenministerin Faeser sieht die Pläne der EU-Kommission nicht in Stein gemeißelt und mahnt eine "Modifizierung" an. Der Rechtsstaatsgedanke müsse so verankert werden, dass private geschützte Kommunikation auch geschützt bleibe, sagte die SPD-Politikerin in Wiesbaden bei einem Besuch des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Politk dürfe "nicht in verschlüsselte Privatkommunikation eingreifen und damit viele Menschen treffen, die mit diesen Taten überhaupt nichts zu tun haben, sagte Faeser. Die anlasslose Kontrolle jeder privaten Nachricht lehnte sie ab. Details nannte sie nicht.
    Gleichzeitig sicherte die SPD-Politikerin dem Bundeskriminalamt zu, die Behörde im Kampf gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder zu stärken. "Kinder zu schützen hat für mich höchste Priorität", schrieb Faeser auf Twitter.

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    Auch Bundesjustizminister Buschmann sieht die Vorschläge der EU-Kommission krtisch. Digitale Bürgerrechte seien keine Bürgerrechte zweiter Klasse, schrieb der FDP-Politiker auf seinem Twitter-Account. Eine generelle flächendeckende Überwachungsmaßnahme privater Korrespondenz gerade auch im digitalen Raum lehne sein Ministerium ab.

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    Warnung vor Angriff auf Demokratien

    Der Chaos-Computer-Club befürchtet, dass die Überwachungsinstrumente auch für andere Bereiche genutzt werden könnten. Als Beispiel nennt der Verein die Rechteverwertungsgesellschaften ebenso wie demokratiefeindliche Regierungen. Die Chatkontrolle sei deshalb als fundamental fehlgeleitete Technologie grundsätzlich abzulehnen, heißt es.

    Europol bekommt mehr Befugnisse

    Doch die Möglichkeiten der Fahnder werden bereits jetzt ausgebaut. So darf die europäische Polizeibehörde Europol ab Ende Juni Chatprotokolle auswerten und speichern, wenn sie dem Verdacht auf Terrorismus und Kindesmissbrauch nachgeht. Eine entsprechende Stärkung des Mandats der europäischen Polizeibehörde nahm der Rat der Europäischen Union (24.05.22) an.
    Als Kontrolle bekommt Europol einen Grundrechtebeauftragten an die Seite gestellt. Die Verarbeitung personenbezogener Daten wird zudem vom Europäischen Datenschutzbeauftragten überwacht. Bürger können bei ihren nationalen Behörden oder bei Europol direkt Auskunft über die Verwendung sie betreffender Informationen verlangen.

    Aufsicht greift ein - Europol reagiert später

    Noch Anfang Januar forderte der EU-Datenschutzbeauftragte Wiewiorowski die Polizeibehörde Europol zur massenhaften Löschung persönlicher Daten von Verdächtigen auf. Die europäischen Ermittler würden mit ihrem derzeitigen Umgang mit persönlichen Daten ihren eigenen Regeln nicht gerecht, erklärte Wiewiorowski. Eigentlich müssten Daten von Verdächtigen nach sechs Monaten gelöscht werden, wenn keine Verbindung zu einer kriminellen Aktivität nachgewiesen werden konnte.
    Das Büro des EU-Datenschutzbeauftragten hatte 2019 eine Untersuchung des Umgangs von Europol mit persönlichen Daten eingeleitet. Im September 2020 hatte Wiewiorowski in der Folge eine erste Warnung an die Polizeibehörde übermittelt.