Im Kampf gegen Kinderpornografie müssen Ermittler regelmäßig riesige Mengen an Daten auswerten. Schließlich werden bei Hausdurchsuchungen nicht selten Dutzende Festplatten, CDs und DVDs gefunden - gefüllt mit hunderten Gigabyte an Bilder, Videos und anderen Dateien.
Warum ist es so kompliziert diese Daten auszuwerten?
Bei der Auswertung gibt es sowohl technische Hürden als auch rechtliche Fragen, die zu beachten sind. Schließlich sollen hier mit digitalen Hilfsmitteln große Datenmassen ausgewertet werden. Gerade im Umgang mit so brisanten Material wie Daten, Fotos, Videos, die Kinderpornographie zeigen, müssen Justiz und Strafermittler natürlich sehr sorgfältig vorgehen. Sie müssen Datenschutzvorschriften beachten, aber auch strafrechtliche Hürden. Denn kinderpornografisches Material darf natürlich auf keinen Fall weiterverbreitet werden. Deshalb stellt sich beispielsweise die Frage, ob die Auswertung von solchen Daten in die "Cloud" ausgelagert werden darf, also ob die Ermittler externe Rechenzentren dafür benutzen dürfen - und falls ja, unter welchen Bedingungen.
Das klingt nach einer formalen Frage - allerdings galt es bisher als eine Art juristische Leitsatz, dass sich das Cloud-System, sprich das digitale Auslagern von Material, nicht mit den Auflagen an die juristische Datensicherung verträgt.
Dieses erste Problem hat die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen, kurz ZAC NRW, die bei der Staatsanwaltschaft in Köln angesiedelt, nun wohl gelöst - in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität des Saarlands und von Microsoft.
Dafür werden die Bilder stark abstrahiert und verkleinert. Insgesamt werden dabei rund 80 Prozent der Informationen und Daten entzogen. Für die Behörden sind die Daten so immer noch auswertbar. Für Menschen, die vielleicht unberechtigt in den Besitz kommen könnten, wären sie aber salopp gesagt "Datenschrott" und würden deshalb auch nicht mehr als kinderpornographisches Material im juristischen Sinne gelten.
Mit diesem Verfahren soll es jetzt weiter gearbeitet werden: Mit Hund- und Katzen-Bildern, sowie mit pornographischem, aber strafrechtlich nicht relevantem Material, wurde bereits experimentiert. Im nächsten Schritt folgt jetzt die Testphase mit echtem kinderpornografischen Material.
Welche Probleme verursachen diese Datenmassen bisher in Ermittlungsverfahren?
Das Hauptproblem ist die schiere Menge an Daten, die perspektivisch auch noch ansteigen könnte. Allein in Nordrhein-Westfalen habe die Polizei 2018 Tausende Terabyte Kinderpornos sichergestellt. "Ein Ermittler bräuchte etwa 2000 Jahre, um diese Daten zu sichern", zitierte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) aus einem Bericht. Insgesamt seien in seinem Bundesland Ende März insgesamt 1895 Ermittlungsverfahren wegen Kinderpornographie anhängig gewesen, aber in nur 228 Verfahren konnten die Beweismittel ausgewertet werden. Und in fast 600 Fällen konnten die Durchsuchungsbeschlüsse noch gar nicht vollstreckt werden. Die Behörden kommen also kaum hinterher – hier sollen diese neuen technischen Möglichkeiten zukünftig für mehr Schnelligkeit sorgen.
Wie können Computer mit Künstlicher Intelligenz da helfen?
Die Computer sollen eine Art Assistenz-Funktion einnehmen. Es soll also keinen "Robocop" oder einen automatisierten Staatsanwalt geben, erklärt Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, der Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen: "Wir wollen ein Tool schaffen, das Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in die Lage versetzt, nur noch die Bilder bewerten zu müssen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit für Kinderpornografie vorliegt." Der Algorithmus macht also eine Vorauswahl - und sortiert sie nach Wahrscheinlichkeit, dass auf den Bildern Kinderpornografie zu sehen ist. "Der Ermittler schaut dann nicht 10.000 Urlaubsfotos durch bei denen von vornherein feststeht, dass keine Strafbarkeit vorliegt, sondern nur noch die Bilder, bei denen er mit seiner Expertise bewerten muss: Kinderpornografie und strafbar - oder nicht?", erklärt Hartmann.
Praktisch dabei: Die Auswertung der Dateien könnte parallel laufen. Sprich: Der Computer muss nicht jede Datei hintereinander abarbeiten, wie ein Mensch. Sondern er kann parallel mehrere Dateien auswerten. Und wenn die Materialmengen wachsen, können die Ermittler mehr Rechenleistung dazu schalten und somit auch das Personal entlasten. Polizistinnen und Polizisten, aber auch Menschen bei der Staatsanwalt können sich dann mit anderen Dingen beschäftigen, und müssen nicht mehr, wie es bisher oft der Fall ist ist, stundenlang Fotos und Videos durchschauen.
Wie steht es um die konkrete Umsetzung im Ermittler-Alltag?
Das Ganze ist noch ein Forschungsprojekt. Es hat zwar schon Fortschritte gegeben, aber es ist noch nicht abgeschlossen. Es muss sich sich vor allem noch zeigen, ob der Computer, die künstliche Intelligenz, diesen Auswertungsprozess tatsächlich auf dem Niveau von menschlichen Ermittlern leisten kann. Angestrebt ist zumindest eine Trefferquote im Bereich von 90 Prozent und mehr. Und erst wenn die erreicht ist, wird das Ganze praxistauglich werden und auch im Alltag der Beamten für Entlastung sorgen können.
NRWs Justizminister Biesenbach hofft, dass das System eventuell schon nächstes Jahr einsatzbar sein könnte. In der Praxis muss sich jetzt zeigen, ob das tatsächlich möglich ist, und die Genauigkeit wirklich ausreicht.