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"Intervenieren darf der Staat nicht"

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Laurenz Meyer, hat sich angesichts der internationalen Finanzkrise gegen ein Eingreifen des Staates ausgesprochen. Es könne nicht sein, dass die Banken nach der Hilfe des Staates riefen, wenn sie sich in unkalkulierbare Risiken stürzten, sagte Meyer. Um wieder Vertrauen in die Märkte zu schaffen, müsse man für mehr Transparenz sorgen.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Wir schauen wie so oft in diesen Tagen auf die Entwicklung an den Finanzmärkten. Die amerikanische Notenbank (die Federal Reserve) hat gestern Abend wie erwartet noch einmal den Leitzins gesenkt, wenn auch nicht ganz so stark wie erwartet: nicht um einen, sondern um 0,75 Prozentpunkte. Die Börsen reagierten tendenziell erleichtert.
    Die Frage nach den angezeigten Reaktionen auf die Finanzmarktkrise führt im Augenblick zu einer Kontroverse darüber, wie die Krise an den Finanzmärkten zu bewältigen sei beziehungsweise welche Rolle der Staat dabei zu spielen habe. Insbesondere dass ein eingefleischter Marktwirtschaftler, wie man vielleicht unterstellen darf, wie der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann eine konzertierte Aktion unter Einschluss der Regierungen verlangt hat, hat dann doch aufhorchen lassen. Darüber möchte ich jetzt sprechen mit Laurenz Meyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Ich grüße Sie Herr Meyer!

    Laurenz Meyer: Ich grüße Sie Frau Klein!

    Klein: Soll der Staat intervenieren, wenn die Banken derart in die Krise geraten?

    Meyer: Nein, intervenieren darf der Staat nicht. Ich will Ihnen auch ganz offen sagen: Im Prinzip bin ich zunächst mal, was die Vorgehensweise der Banken angeht, ausgesprochen ärgerlich. Wenn ich mir mal vorstelle, dass jeder von uns ja um die Risiken des amerikanischen Immobilienmarktes seit Jahren wusste und dieselben Banken, die bei jedem Mittelständler hingeguckt haben, ob nach Basel II die Risiken auch wirklich überschaubar sind, die haben sich hier in völlig unkalkulierbare Risiken gestürzt, da kann man nicht anschließend nach dem Staat rufen.
    Andererseits bin ich froh über diese Forderung von Herrn Ackermann, weil jetzt damit die Banken auch nicht mehr heraus kommen aus dieser Zusammenarbeit. Frau Merkel hat doch im letzten Jahr schon beim G8-Gipfel eines der Hauptthemen dahingelegt, dass wir mehr Transparenz brauchen, was diese ganzen Finanzmarktaktivitäten angeht, und da bin ich völlig bei Herrn Weber. Wir müssen die Verpflichtung haben - und zwar international gesichert - für all diese Akteure, für die Fonds, für die Private-Equity-Unternehmen, auch die Hedgefonds, dass hier die Risiken, die in ihren Büchern enthalten sind, für jeden ihrer Anleger sichtbar und offengelegt werden.

    Klein: Herr Meyer, klingt das nicht mit Verlaub gesagt ein wenig naiv? Wer soll denn freiwillig über so heikle Geschäftsinterna gegenüber Konkurrenten berichten wollen?

    Meyer: Wir verpflichten heute unsere Aktiengesellschaften, dass sie über ihre Risiken berichten, dass sie in den Geschäftsberichten offengelegt werden, damit die Aktionäre wissen, was für Aktien sie da kaufen. Und das gleiche muss man haben für solche Anlagemöglichkeiten, etwa in Fonds und ähnlichem. Die Strukturen müssen also transparent sein - nicht nur für die Regierung, sondern auch für die Anleger. Anders wird Vertrauen auch nicht wieder her kommen und wir sehen ja im Moment, dass die Vertrauenskrise das eigentliche ist. Die Banken trauen sich ja nicht mal mehr untereinander und dadurch kommt es dann dazu, dass die eine Bank nicht bereit ist, der anderen Geld zu leihen.

    Klein: Mehr Transparenz herstellen fordern auch Sie. Wer soll das durchsetzen?

    Meyer: Das kann nur - und dazu sind jetzt die Bedingungen vielleicht einmalig gut aufgrund der Krisenerfahrungen, die alle gemacht haben - international im Zusammenwirken geschehen. Deswegen wäre es sicher sinnvoll, wenn jetzt vor dem Hintergrund dieser Krise sich auch die politisch Verantwortlichen mit den in der Wirtschaft Verantwortlichen zusammensetzen - und zwar international -, um hier Regeln aufzustellen, die in Zukunft verpflichtend einzuhalten sind, wenn man in den einzelnen Ländern als solche Fonds, als Banken und Ähnliches aktiv werden will.

    Klein: Eine Regel haben Sie genannt. Das ist das Stichwort Basel II. Dahinter verbergen sich mal grob gesagt Vorschriften für die Höhe des Eigenkapitals einer Bank, was im Lichte der tatsächlichen Risiken notwendig ist, die bei der Kreditvergabe eingegangen werden. Das ist eine Idee, die ursprünglich ja aus den USA stammt, aber in Europa inzwischen auch weitaus intensiver umgesetzt wird. Wie soll dieser Prozess jetzt weiter intensiviert werden, vielleicht auch unter Einschluss der Vereinigten Staaten?

    Meyer: Wir in Europa und auch in Deutschland können ja froh sein, dass wir diese Regeln haben. Man stelle sich vor, dass es noch ungeregelter zugegangen wäre. Und man wundert sich ja auch wirklich nur darüber, wo und an welchen Stellen im Bankensystem hier diese Risiken in so unkalkulierbarer Form eingegangen worden sind. Offensichtlich ist es aber so, dass das wichtigste ist, Transparenz zu schaffen - und das ist ja auch ein Hauptanliegen von Basel II - über die in den Gesellschaften und in den Systemen enthaltenen Risiken. Da darf es eben nicht vorkommen, dass solche Risiken ausgelagert werden. Ich will auch dazu sagen, dass jetzt nicht spontan, aber in aller Ruhe in Deutschland überlegt werden muss, ob es bei den Zuständigkeiten, die wir haben mit der Bankenaufsicht und der Bundesbank, ein Nebeneinander gibt, ob man dort nicht über eine verstärkte Koordination und Zusammenarbeit reden muss, denn auch das leuchtet ja dem, der sich das von außen auch aus der Politik betrachtet, nicht ein, dass hier die Kontrolleure von diesen ganzen Vorgängen überhaupt nichts mitbekommen haben wollen.

    Klein: Den globalisierten Turbobänkern ist es binnen Monaten gelungen, das marktwirtschaftliche System in einem Maße zu diskreditieren, wie es überzeugte Marxisten nie geschafft hätten. Die Marktwirtschaft steckt in der tiefsten Vertrauenskrise seit dem Zusammenbruch des Sozialismus. Das schreibt heute nicht etwa das "Neue Deutschland", sondern der "Reutlinger Generalanzeiger". Die Frage ist: Wie kann man das angeschlagene Vertrauen in die Marktwirtschaft wieder herstellen nach Ihrer Meinung?

    Meyer: Das ist ja eine der Erfahrungen, die wir gemacht haben, dass hier durch solche Vorgänge auch die Selbstheilungskräfte gerade in den Märkten immer angestoßen werden. Ganz offensichtlich ist es so - und das ist ja das, was ich vorhin am Anfang gesagt habe -, dass die Risiken für jeden halbwegs gebildeten Laien, was den amerikanischen Immobiliensektor mit seiner Blase anging, was die Verschuldung der amerikanischen Privathaushalte anging, und dass das nicht gut gehen konnte, zu übersehen waren. Ich habe überhaupt keinen Zugang dazu, warum Profis sich in einem solchen Maße in diese Risiken hineinbegeben haben, sich dort reingestürzt haben und sich anschließend jetzt darüber wundern, dass diese Blase platzt. Das war nur eine Frage der Zeit und nicht eine Frage ob.

    Klein: Die Frage war ja, wie kann das Vertrauen in die Marktwirtschaft wieder hergestellt werden. Josef Ackermann sagt dazu, der Staat muss dort eingreifen und das wieder auffangen, was die Banken selbst verspielt haben. Eine gute Idee nach Ihrer Meinung?

    Meyer: Nein. Auf alle Fälle sollte jetzt der Staat nicht mit öffentlichen Mitteln auf Kosten der Steuerzahler etwa die Verluste ausgleichen. Das kommt nun gar nicht in Frage. Allerdings machen wir uns nichts vor: Alleine über die Tatsache, dass die Banken weniger Gewinn machen werden, wird der Steuerzahler und wird der Staatshaushalt davon in erheblichem Maße betroffen sein, denn trotz gesenkter Körperschaftssteuersätze, wir werden bei jedem Verlust mit beteiligt sein.

    Klein: Laurenz Meyer war das, wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Meyer!