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Gaspreisbremse
Habeck (Grüne): „Eine gewisse Last wird genommen, aber nicht die komplette“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) appelliert an die Bürgerinnen und Bürger, ihren Gasverbrauch trotz des geplanten Preisdeckels zu reduzieren. Die oberen Spitzen würden nicht subventioniert, auch weil sonst Knappheit im Winter drohe.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, stellt Pläne der Bundesregierung zur Energieversorgung und Preisbegrenzung für Gas vor.
Bundeswirtschaftsminister Habeck stellt die Pläne zu Gaspreisbremse vor. (Kay Nietfeld / dpa / Kay Nietfeld)
Mit bis zu 200 Milliarden Euro will die Bundesregierung die hohen Energiekosten in deutschen Haushalten abfedern. Gas und Strom sollen mit einer Gaspreisbremse billiger gehalten werden.
Der obere Anteil des Gasverbrauchs werde jedoch nicht subventioniert, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Deutschlandfunk. Gas und Energie werde die deutsche Volkswirtschaft zukünftig mehr kosten als in vergangenen günstigen Jahren. Insofern seien alle, die Geld sparen wollten, angehalten, den Verbrauch etwas zu reduzieren. Zudem drohe andernfalls noch immer, zu wenig Gas im Winter zu haben. Geldanreize für einen geringeren Verbrauch zu setzen, sei grundsätzlich ein denkbares Modell, aber als kurzfristige Maßnahme nicht umsetzbar.
Habeck betonte, das Geld müsse nun schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden. Dabei sei ein pauschaler Ansatz unumgänglich, da die Abrechnung über die Anschlüsse erfolge und nicht bekannt sei, welcher einzelne Mensch dahinter stehe. Dies nachzuvollziehen, um zielgenauer zu unterstützen, wäre zu kompliziert und würde zu lange dauern, so der Wirtschaftsminister.   
Die Gaspreisbremse ersetzt nun die ursprünglich geplante Gasumlage. Diese sei aber zunächst die richtige Antwort auf die Energiekrise gewesen, so Robert Habeck. Seine Aufgabe habe darin bestanden, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Gasversorger davor zu bewahren, wegen hoher Marktpreise zu kollabieren. Die Situation habe sich dann noch einmal dramatisch verändert nach dem Komplettstopp russischer Gaslieferungen. Eine Schuldenaufnahme, die vorher keine Option gewesen sei, werde nun die "bessere Alternative Gaspreisbremse" finanzieren.
Das Interview in voller Länge
Armbrüster: Herr Habeck, können wir unsere Gasheizung jetzt wieder beruhigt aufdrehen?
Habeck: Das wäre wirklich schlecht, wenn es so wäre. Wir müssen die Gasverbräuche nach wie vor runterbringen. Die 20 Prozent für Deutschland sind Zielmarke. Und es wird auch so sein, ohne der Kommission vorgreifen zu wollen, dass die oberen Spitzen im Gasverbrauch nicht gedeckelt werden. Das heißt, wenn man in dem Bereich von 20 Prozent liegt, das sind die oberen 20 Prozent des normalen Verbrauchs, wird man sicherlich die volle Rechnung bezahlen müssen. Alle Leute, die Geld sparen wollen, sind angehalten, den Verbrauch etwas zu reduzieren.

"Wir werden einen pauschalen Ansatz machen müssen"

Armbrüster: Das heißt, die anderen 80 Prozent, die sollen billiger werden und vor allem billiger für alle, für jeden, für den Supermarktkassierer genauso wie für die Millionärin? Warum wieder dieses Gießkannenprinzip?
Habeck: Letzteres lässt sich technisch nicht anders machen, weil ja die Abrechnung über die Anschlüsse erfolgt und hinter den Anschlüssen leben Menschen, die wir nicht kennen, und das ist vielleicht auch ganz gut so in Deutschland. Würde man jetzt hinter den Anschlüssen, der Gasrechnung, entsprechend auch der Stromrechnung noch mal nachzählen, wie viele Leute leben da und was verdienen diese Leute, würde das eine ewige Operation bedeuten. Dann würden wir das Geld in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr sicherlich nicht mehr auszahlen können. Außerdem verändert sich das ja dauernd. Menschen heiraten, kriegen Kinder, sterben, gehen weg, ziehen auseinander oder gründen sich. Insofern: Wir werden da schon einen pauschalen Ansatz machen müssen.
Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe nicht gesagt, dass es 80 Prozent werden, aber es wird auf jeden Fall so sein müssen, dass die Spitzen, der obere Anteil des Gasverbrauchs, nicht subventioniert wird. Wie dann genau die Zahlen sich zusammensetzen, wird die Kommission in ihrer Weisheit vorschlagen.

Geldanreize für reduzierten Verbrauch zu kompliziert

Armbrüster: Herr Habeck, es hätte ja zu diesem Gießkannenprinzip eine Alternative gegeben. Die war ja auch in der Debatte. Sie hätten auch Prämien verteilen können an alle Verbraucher, ähnlich wie die Energiepauschale, und die müsste man dann zumindest versteuern.
Habeck: Das ist auch noch nicht ausgeschlossen, dass es so kommt. Sowohl das Modell, dass man noch Verbrauchsreduktion mit Geld anreizt, ist möglich. Ich habe dazu eine politische Meinung. Ich finde, wir sind in einer Situation in Deutschland, wo jeder seinen Beitrag tun müsste oder leisten müsste, einfach weil das Land in einer extrem angespannten Situation ist. Aber möglich ist das natürlich und wird nur komplizierter dadurch.
Noch einmal, und ich bin auch nach den Erfahrungen der Gasumlage - Sie haben es ja im Vorbericht angesprochen - der Meinung, wir sollten jetzt sehen, dass wir das Geld schnell pauschal und unbürokratisch auskehren und nicht ewig lange komplexe Prozesse ablaufen lassen. Aber denkbar ist das natürlich trotzdem. Ausgeschlossen ist das nicht.

Gasumlage sollte Energieversorgung sichern

Armbrüster: Mit der Gasumlage wollten Sie ja das Gas erst teurer machen. Jetzt machen Sie es billiger. Wann kam Ihnen denn der Gedanke für diesen Kurswechsel?
Habeck: Nein, das ist nicht richtig dargestellt. Mit der Gasumlage wollte ich, und ich würde sagen, musste ich eine Antwort darauf finden, dass die deutsche Energieversorgung sichergestellt ist. Ich will das noch einmal ganz kurz erläutern, was das Problem war. Die großen Gasversorger, Uniper, damals Gazprom, und VNG haben Verträge. In diesen Verträgen hängen sie fest, die müssen sie beliefern. Diese Verträge sind günstig. Sie wurden bedient mit günstigem russischem Gas. Das gibt es aber nicht mehr, also mussten sie zur Vertragserfüllung teures Gas auf dem Weltmarkt nachkaufen. Die Differenz konnten sie irgendwann nicht mehr tragen. Mit jedem Kubikmeter Gas, den sie innerhalb dieser Verträge ausgeliefert haben, haben sie ein Minus gemacht. Also hätten die Unternehmen irgendwann kein Geld mehr gehabt, wären kollabiert und hätten in der Folge kein Gas mehr kaufen können. Das war die Situation.
Es war nie eine erfreuliche Nachricht, dass wir das über eine Umlage heilen wollen, aber es war die unter den bestehenden Bedingungen einzige Möglichkeit oder die Möglichkeit, die am gerechtesten gewesen wäre. Nun haben sich die Bedingungen geändert. In der letzten Woche habe ich durchaus erfreut zur Kenntnis genommen, dass auf einmal Geld versprochen wurde, dass Geld da war, dass wir eine Alternative haben. Hätten wir das vorher gehabt, hätten wir auch sicherlich auf die Umlage verzichten können, aber nun hat es sich erst in der letzten Woche ergeben. Und wenn das eine Alternative ist, die besser ist, dann nehmen wir die doch!
Armbrüster: Wo wurde dieses Geld in der letzten Woche gefunden?
Habeck: In den Schulden. Das sind kreditfinanzierte 200 Milliarden Euro, die der Finanzminister aufnimmt, die über ein Sondervermögen ausgekehrt werden, und diese Gelder schließen mit ein, dass das, was die Gasumlage hätte bringen sollen, etwa 35 Milliarden Euro - eine gigantische Summe, die sonst die Verbraucher hätten bezahlen müssen -, jetzt schuldenfinanziert wird und, wenn Sie es hören wollen, dadurch dann im Laufe der nächsten Jahre von uns, den Steuerzahlern abbezahlt werden muss, denn das Geld muss natürlich auch wieder rein.

Dramatisch veränderte Situation durch Komplettstopp russischen Gases

Armbrüster: Können wir dann sagen, die Planung der Gasumlage war eine Zeitverschwendung? Dieses Geld, diese Schulden hätten Sie auch früher aufnehmen können, und dann hätten Sie auch früher schon mit diesen Schulden genau diese gefährdeten Gasversorger, diese Gasunternehmen, diese Gasimporteure stützen können. War das eine Zeitverschwendung, eine Verschwendung von Zeit, die Ihnen jetzt wieder fehlt bei der Ausarbeitung dieser Gaspreisbremse?
Habeck: Ich habe ja schon bei der Ankündigung der Gasumlage gesagt, dass ich jetzt hier keine frohe Botschaft verkünde, und manchmal ist man politisch in einem Amt, wo man auch die unangenehmen Botschaften verkünden muss. Aber einer muss es ja tun! Meine Aufgabe ist, ich habe es eben dargestellt, die Energieversorgung sicherzustellen, natürlich auch die Preise, so gut es geht, günstig zu halten, die Volkswirtschaft am Laufen zu halten. Aber wenn wir keine Energie haben, dann wird es auch irgendwann egal sein, wie hoch die Preise sind. Dann gibt es einfach nichts, das man bepreisen kann. Das war die erste Aufgabe.
Natürlich hätte man andere Optionen gehabt. Wären die da gewesen, dann hätte man sie auch nehmen können. Sie waren aber nicht da.
Armbrüster: Das heißt, hätten Sie sich früher mit Christian Lindner geeinigt, dann hätte man auch schon früher diese Gaspreisbremse zum Beispiel vor vier Wochen schon einführen können?
Habeck: Was heißt geeinigt? Das ist hätte, wenn und aber. Die Situation hat sich noch einmal dramatisch verändert nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen, Komplettstopp Anfang September. Das hat dann ein bisschen Diskussionen gebraucht und in der letzten Woche hat dann im Grunde die gesamte politische Führung gesehen, dass die Gasumlage erstens nicht mehr rechtlich sicher ist und zweitens auch kontrafaktisch wirkt, gegen das, was eigentlich ansteht, nämlich eine Entlastung. Das Ergebnis haben wir dann gestern verkündet.

"Eine gewisse Last wird genommen werden, aber nicht die komplette Last"

Armbrüster: Jetzt machen Sie das Gas billiger. Das heißt: Alle, die schon mal Geld zurückgelegt haben für drohende riesige, immense Gaspreisrechnungen, die können das Geld jetzt wieder ausgeben. Warum fachen Sie die Inflation so einfach an?
Habeck: Das sind zwei Fragen oder zwei Aspekte. Erst einmal: Man muss ehrlich sagen, wir werden natürlich nicht den Gaspreis so runtersubventionieren können, wie er 2021 war, und zwar sehr lange Zeit nicht. Gas und Energie insgesamt wird die deutsche Volkswirtschaft mehr kosten, als sie es in den ganz günstigen Jahren getan hat.
Es wird aber auch günstiger werden, weil das Problem in Deutschland ist, dass wir keine Infrastruktur haben, um das Gas alternativ über Nord Stream eins oder zwei ins Land zu bekommen. Trotzdem, jetzt auch mit der Gaspreisbremse: Nicht jede Preiserhöhung wird genommen werden. Wir haben darüber schon gesprochen am Anfang dieses Interviews. Das heißt, eine gewisse Last wird genommen werden, aber die komplette Last wird sicherlich nicht genommen werden können, auch nicht mit diesen gigantischen 200 Milliarden Euro.

"Bundesländer: Macht eure Aufgabe!"

Armbrüster: Herr Habeck, wie viele Windräder könnte man denn von 200 Milliarden Euro bauen?
Habeck: Man sagt immer, pro Megawatt kostet es eine Million Investition, und Windkrafträder haben ungefähr drei, vier, manchmal fünf Megawatt. Also kostet ein Windrad über den Daumen gepeilt drei, vier, fünf Millionen Euro.
Armbrüster: Sie könnten wirklich weite Landstriche mit Windrädern ausstatten. Tut Ihnen das als grünem Politiker weh?
Habeck: Das Problem bei den Windrädern, das sind zwei verschiedene Probleme. Das Problem bei den Windrädern ist nicht, dass es kein Interesse für Investitionen gibt. Es soll darin investiert werden. Die Leute stehen bereit. Das Problem bei den Windrädern ist, dass die Flächen nicht ausgewiesen werden und nicht schnell genug genehmigt wird. Da hat der Bundesgesetzgeber, auch meine Person, jetzt die Vorleistung gebracht. Jetzt sind die Bundesländer dran. Die Bundesländer müssen die Flächen ausweisen und sie müssen genehmigen. Um es mal in Zahlen zu sagen: Wir haben zehn Gigawatt – das sind quasi in alter Rechnung zehn Atomkraftwerke – in der Genehmigung. Wenn die in diesem Jahr noch ihren Bescheid bekommen würden, wir hätten eine ganz andere Situation. Also Bundesländer, macht eure Aufgabe!

"Europa hat sich sehr geschlossen und sehr stark gezeigt"

Armbrüster: Herr Habeck, ich würde ganz kurz noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen. Wir erreichen Sie heute in Brüssel. Sie treffen sich heute Vormittag noch mit Ihren Ministerkollegen der Europäischen Union. Und wir hören schon, dass nicht alle damit einverstanden sind, wie Deutschland jetzt in dieser Krise vorprescht, auch mit so einer drastischen Schuldenaufnahme. Ist in dieser Krise wieder mal jeder sich selbst der nächste?
Habeck: Nein, im Gegenteil. Europa hat sich sehr geschlossen und sehr stark gezeigt. Auch andere Länder haben ja Entlastungsprogramme aufgelegt, Spanien und im Strombereich Frankreich. Auch andere Länder sind zu nennen. Das heißt, das ist überhaupt kein singulärer, einzelner, isolierter Schritt, den wir gestern gegangen sind.
Die Kollegen haben zwei Sorgen. Erstens, dass dadurch der Gaspreis so runtersubventioniert wird, dass es keine Einspareffekte mehr gibt. Das ist aber auszuschließen. Das darf auch nicht passieren. Wir sind noch immer in dieser Notlage. Wenn wir nicht sparen, wenn die Haushalte den Verbrauch nicht runterbringen, dann droht noch immer, dass wir zu wenig Gas im Winter haben. Insofern wird das, was die Kommission vorschlägt und was wir daraus machen, immer einen Anreizeffekt haben. Diese Sorge ist zu nehmen.
Die zweite Sorge ist, dass der Druck auf einen Gaspreisdeckel oder eine Bremse oder ein Capping, wie man in Brüssel immer sagt, genommen wird, weil Deutschland jetzt das quasi mit Geld heilt, die Verbraucherpreise mit Geld runterbringt. Auch das ist aber nicht richtig. Ich bin sehr der Meinung, dass wir die Ursache lösen müssen, und die Ursache sind die teuren Gaspreise, die die Importeure nach Europa nehmen. Da verdienen sich einige, teilweise auch Länder, auch befreundete Länder, dumm und dämlich und die Europäische Union muss darauf eine geschlossene Antwort geben. Ich werde sie dabei komplett unterstützen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.