Gianni Infantino hat sich Mitte März 2023 auf dem FIFA-Kongress in Kigali für weitere vier Jahre als Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA bestätigen lassen. Ohne Unterstützung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und einiger weiterer Verbände aus Europa.
Der Protest von DFB-Präsident Bernd Neuendorf blieb auf dem FIFA-Kongress zwar unsichtbar. Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger lobt aber die Haltung seines Nachfolgers Neuendorf. Der DFB-Präsident, so Zwanziger, habe gezeigt:
"Wir haben Charakter. Es gibt für uns Dinge, die nicht in Ordnung sind. Man muss diese Sache aus der jetzigen Sicht betrachten, und die ist ganz klar: Die Entscheidung des DFB-Präsidenten, des gesamten DFBs, verdient Respekt."
Zwanziger über Neuendorf: "Ein klares Signal"
Gerade weil Neuendorf seine Haltung offen habe zeigen müssen, in einer kleinen Minderheit, habe er Mut bewiesen, meint Zwanziger. "Das ist wichtig. Ich bin sehr einverstanden mit dieser Haltung von Bernd Neuendorf. Mir reicht dieses klare Signal des DFB-Präsidenten völlig aus, indem er sagt: Das ist nicht die FIFA, so wie wir sie uns wünschen. Das ist ein Zeichen. Sehr viel mehr, glaube ich, konnte man in dieser Situation von niemandem erwarten."
Für ein deutlicheres Signal gegen Infantino und dessen Amtsführung fehlte dem DFB die Unterstützung im Weltverband, sagt Zwanziger. "Man hätte zumindest innerhalb der UEFA den Mut haben müssen, frühzeitig einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin zu präsentieren, die auch die Chance gehabt hätten, sich in anderen Konföderationen vorzustellen. Das ist nicht gelungen."
Angesichts der Machtkonstellation innerhalb des Weltverbandes dürfe der DFB nicht den Fehler machen, künftig vor einer kritischen Positionierung innerhalb der FIFA zurückzuschrecken – auch, wenn sich der DFB gerade für die WM der Frauen 2027 bewirbt.
Mit den Machtstrukturen in der FIFA zusammenarbeiten zu müssen, damit seien zwar sehr viele Risiken verbunden, so Zwanziger. Bernd Neuendorf sei jedoch selbstbewusst genug, die Position des DFB auch im FIFA-Council zu vertreten und Verbesserungen anzustreben.
Zwanziger: Kluft zwischen Basis und DFB-Führung muss kleiner werden
Wichtiger für den DFB seien aus Zwanzigers Sicht ohnehin die Herausforderugen auf nationaler Ebene. "Der DFB ist im Moment noch nicht in einer Verfassung, dass die Kluft zwischen Fans, zwischen Basis und Führung wieder kleiner wird. Da ist in den letzten Jahren viel Porzellan kaputtgegangen", so Zwanziger.
Bernd Neuendorf sei auf dem Weg, das Ganze wieder zusammenzuführen. Wenn er sich nun taktisch verhalten und etwa für Infantino gestimmt hätte, um die Chance auf die Frauen-WM zu erhöhen, wäre er von der deutschen Basis kritisiert worden, schätzt Zwanziger:
"Ich glaube, viele Fußballfans sehen die FIFA als das, was sie ist. Das ist ein scheinheiliger, selbstverliebter Apparat, in dem es nur um Macht und Geld geht. Und wenn sich der deutsche Präsident dort einfach eintüten lässt, dann wird das im Ergebnis auf das Verhältnis der deutschen Fans zur deutschen Fußballführung zurückstrahlen."
Zwanzigers düstere Prognose: Infantino Präsident auf Lebenszeit?
Für die erneute Amtszeit Infantinos gibt Zwangziger eine düstere Prognose ab. Infantino habe alle Kontrollmechanismen völlig beseitigt, die in der Amtszeit seines Vorgängers Sepp Blatter geschaffen wurden. Insbesondere eine unabhängige Ethikkommission, indem er die Personen ausgewechselt habe. "Dieser Mann macht sich auf den Weg, zum ewigen Präsidenten zu werden", prophezeiht Zwanziger.
Infantino werde in den kommenden Jahren auch die unter Blatter installierte Amtszeitbegrenzung für den FIFA-Präsidenten hinterfragen, um dann "ähnlich wie in China oder Nordkorea auf Lebenszeit" seinen Platz an der FIFA-Spitze festigen.
Der Schweizer habe viele Verbündete und keine wirklichen Kritiker in den Ländern, die auf das Geld der FIFA angewiesen sind. "Das ist die Methode Infantino", so Zwanziger. "Man kann sie Korruption nennen, aber sie wird halt dort praktiziert."
Deshalb sei es umso wichtiger, so Zwanziger an die Adresse des DFB, zu diesen Vorgängen nicht zu schweigen: "Auch eine Minderheit hat die Pflicht, den Mund aufzumachen und sich nicht ängstlich vor irgendwelchen Risiken wegzuducken. Nur so kann man etwas besser machen. Wer schweigt, er macht sich zum Verbündeten des Unguten."