Kommentar
Interviews mit AfD-Politikern – ein notwendiger Dialog

Wenn AfD-Politiker in Medien zu Wort kommen, empört sich häufig das Publikum: Man dürfe ihnen keine Bühne bieten. Doch Journalismus habe die Aufgabe, Politik zu beschreiben und einzuordnen, kommentiert Henry Bernhard.

Von Henry Bernhard |
Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Co-Bundessprecher Tino Chrupalla sitzt im Januar 2024 in einem Sessel im Studio einer TV-Talkshow und schaut in die Kamera.
Der AfD-Politiker Tino Chrupalla ist immer wieder zu Gast in Talksendungen und wird interviewt. (picture alliance / Geisler-Fotopress / Thomas Bartilla)
Immer wieder bekommen Reporter empörte Mails von Hörern: Man dürfe die Politiker der AfD in den Beiträgen nicht so lange zu Wort kommen lassen, oder am besten gar nicht, ihnen keine Bühne bieten. Immer wieder empören sich Hörer, wenn AfD-Politiker interviewt werden. Die seien Feinde der Demokratie, ihre Stimmen gehörten nicht in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Aber die Aufgabe von Journalisten ist nicht, eine Partei zu bevorzugen oder zu verhindern; die Aufgabe ist nicht die Gestaltung oder auch nur Beeinflussung von Politik, sondern deren Beschreibung und Einordnung in Berichten und Bewertung in Kommentaren. „Sagen, was ist“, nannte es der "Spiegel"-Gründer Rudolf Augstein. Und knapper kann man die Aufgabe von Journalismus nicht zusammenfassen: Nicht sagen, was sein soll, sagen, was sein könnte, sagen, was gefällt, sondern: „Sagen, was ist“. Und die AfD, Rechtspopulisten, Rechtsextreme sind nun mal eine Tatsache.

Journalisten müssen vorbereitet sein

Die Aufgabe ist es aber deshalb nicht, alle einfach reden zu lassen. Journalisten müssen schon vorbereitet sein, nicht nur die Fragen auf dem Zettel haben, sondern auch die Fakten, um gegebenenfalls Lügen, Verdrehungen, Behauptungen, Halbwahrheiten sofort widersprechen zu können. Denn sonst werden das Live-Gespräch oder der Talkshow-Auftritt wirklich zur Bühne. Faktenchecks noch während der Sendung können auch Behauptungen widerlegen, auf die man nicht vorbereitet war. All das ist aufwendig, all das kostet Vorbereitung, Zeit und Geld. Aber das gehört nun mal zum Geschäft.
Sicher gab und gibt es Beispiele, in denen Journalisten-Kollegen einem AfD-Politiker im Interview nicht gewachsen waren. Dann lag es aber nicht an den übermächtigen Fähigkeiten des Gesprächspartners, an seinen besonderen demagogischen Fähigkeiten, sondern am Journalisten selbst, der seinen Job schlecht gemacht hat.

"Zeigen, nicht behaupten", lautet eine Regel

Im Übrigen schadet es nie, wenn Journalisten rausgehen, zu Demonstrationen, Bürgerabenden, Kundgebungen der AfD. Und zum Beispiel Björn Höcke zuhören, dem hellblau-dunkelbraunen Posterboy der AfD in Thüringen. Dann kann man hören, wie er sich Putin anbiedert, wie er die Vision eines Europas ohne Muslime verbreitet, wie er Bürgerkriegsszenarien entwirft, wie er Weltgeschichte verdreht, dass es kracht, wie er rhetorisch und gestisch versucht, Joseph Goebbels Konkurrenz zu machen. Und das sollen Hörer auch zu hören bekommen. „Zeigen, nicht behaupten!“, heißt eine weitere journalistische Regel.
Hörer, Leser, Zuschauer sind mündig und haben es auch verdient, so behandelt zu werden. Und alle, auch AfD-Wähler, zahlen Rundfunkbeitrag – ob gern oder zähneknirschend. Sie, wie alle anderen, haben ein Recht darauf, das gesamte politische Spektrum zu hören. Hier, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wird Populisten und Demagogen von Rechtsaußen, widersprochen. Hier wird noch eingeordnet.
In Rechtsaußen-Medien, in Telegram-Kanälen und in den sozialen Medien dagegen können Leute wie Höcke, Weidel und Co. ihre giftigen Botschaften widerstandslos verbreiten. Dieser Bühne sollten Journalisten ihr Handwerk entgegensetzen. Unaufgeregt, handwerklich solide und ohne die Erwartung, dass einem dafür Lorbeerkränze geflochten werden.