Die EU-Justizkommissarin Vera Jourova lag mit ihrer Einschätzung gar nicht so falsch: "My estimation on Tuesday it could be 2 am. My plan is not to leave the room before we have an agreement"
Am Ende wurde es dann doch ein bisschen früher. Gegen Mitternacht einigten sich Kommission, Parlament und Rat darauf, wie Hinweisgeber – sogennante Whistleblower - besser geschützt werden können.
Hinweisgeber vor möglichen Repressalien schützen
Über die Ausgestaltung der Richtlinie hatte es zuletzt Streit zwischen Parlament und dem Rat gegeben. Immerhin war man sich einig: Whistleblower seien unverzichtbar, um Missstände aufzuklären, das betonte auch Bundesjustizministerin Katarina Barley vergangenen Freitag in Brüssel:
"Deswegen ist es überfällig, dass die Europäische Union einen Whistleblower-Schutz einrichtet. Das wird mit dieser Richtlinie erfolgen."
Die Richtlinie soll Hinweisgeber vor möglichen Repressalien schützen, zum Beispiel, dass Ihnen gekündigt wird oder sie abgemahnt werden, weil sie Missstände wie Korruption oder Steuerbetrug in Unternehmen und Behörden gemeldet haben.
Länder können Schutz auf andere Bereiche ausweiten
Die Richtlinie umfasst unterschiedliche Personenprofile, unter anderem Arbeitnehmer, Beamte, Selbständige und Praktikanten, und erstreckt sich auch auf mehrere Bereiche.
Es geht unter anderem um Verstöße gegen EU-Recht im Bereich der Geldwäsche, der Unternehmensbesteuerung, Gesundheits- und Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit, in Umweltfragen, und im öffentlichen Auftragswesen – unter anderem. Wenn die Länder wollen, können sie selbst den Schutz auch noch auf andere Gebiete ausweiten.
Wem muss der Whistleblower Missstände melden?
Die Richtlinie lässt es Hinweisgebern offen, ob sie sich zunächst, an eine interne Anlaufstelle wenden – die soll für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern verpflichtend sein – oder aber, ob Hinweisgeber zu einer öffentliche Stelle gehen. In einem Zeitraum von drei Monaten bis sechs Monaten muss auf die Meldung reagiert werden.
Der Hinweisgeber kann seine Informationen unter bestimmten Umständen auch gleich der Öffentlichkeit preisgeben, zum Beispiel den Medien zuspielen. Etwa, wenn die Behörden nicht angemessen auf die Meldung des Whistleblowers reagieren oder wenn es keine Option ist, sich an die zu wenden, etwa wenn die betroffene Behörde in die Angelegenheit selbst verstrickt ist oder wenn Gefahr in Verzug ist, Beweismittel versteckt oder vernichtet werden könnten.
Kompromiss beim Meldeweg
Wie sehr Whistleblowern der Meldeweg vorgeschrieben werden sollte, darüber gab es in Rat und Parlament unterschiedliche Auffassungen.
Mehrere Länder hatten favorisiert, dass Hinweisgeber zunächst interne Stellen in ihrem eigenen Unternehmen aufsuchen sollen. Dass es so nicht gekommen ist, freut Sven Giegold, den Spitzenkandidaten der Grünen zur Europawahl:
"Das ist ein Kompromiss, aber er ist viel besser als was vorher Frau Barley und die französische Regierung wollten, die ja alles getan haben, um praktisch vorzuschreiben, dass nur Schutz bekommt, wer erst durch ein internes Meldeverfahren geht, obwohl wir wissen, dass realexistierende Hinweisgeber in aller Regel diese Nerven nicht mehr haben."
Dagegen argumentierten Befürworter eines dreistufigen Meldesystems, ohne einen internen Beschwerdeweg könnten Anreize für Unternehmen ausbleiben, Anlaufstellen aufzubauen und damit auch selbst etwas gegen Missstände zu unternehmen.
Die Richtlinie setzt den Schutz von Hinweisgebern auf europäischen Boden. Bislang hatten nur zehn EU-Staaten Whistleblowern umfassend Schutz gewährt.
Informanten besser geschützt
Die Nichtregierungsorganisation Transparency International sieht heute einen historischen Tag für jene, die Korruption und Fehlverhalten aufdecken. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält es für wahrscheinlicher, dass mit den neuen Regeln Wirtschaftsskandale ans Licht kommen, die Informanten dabei aber voll geschützt würden.
Mitgliedsstaaten und das Parlament müssen die Einigung formell noch bestätigen. Das Parlament dürfte sich schon im nächsten Monat damit befassen. Spätestens zwei Jahre, nachdem die Richtlinie bestätigt wurde, müssen die EU-Länder das Regelwerk in nationalen Gesetzen umgesetzt haben.