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Investigative Recherchen
Skandal aufgedeckt - und nun?

Panama Papers, CumEx oder Football Leaks – Recherchen fördern teilweise Sensationelles zu Tage. Im Anschluss gibt es manchmal große Aufregung, aber oft verpufft ein aufgedeckter Skandal danach schnell wieder. Was können Journalisten mit investigativen Recherchen überhaupt noch ausrichten?

Von Stefan Fries |
Der Schriftzug «Panama» ist am 04.04.2016 am Briefkasten eines Wohnhauses in Kaufbeuren (Bayern) befestigt.
Investigative Recherchen wie die Panama Papers haben nur selten weitreichende Konsequenzen (dpa/picture-alliance/Karl-Josef Hildenbrand)
Journalisten haben es nicht immer leicht, mit ihren investigativen Geschichten durchzukommen. Oft investieren sie Monate in eine Recherche - und dann verpufft sie. So ging es etwa anfangs der Tageszeitung "taz" mit ihrer Recherche über rechtsextreme Netzwerke von Polizisten und Soldaten - Stichwort: Hannibal. Ihre ersten Veröffentlichungen fanden keine große Beachtung. Erst als auch das ZDF-Magazin "Frontal 21" einstieg, bekamen sie eine größere mediale Öffentlichkeit.
"Frontal 21 und der taz liegen Vernehmungsprotokolle des Bundeskriminalamts vor. Daraus geht die politische Gesinnung mancher Mitglieder der Truppe um André S. hervor. Die Rede ist von: Hass auf die Linken."
"Hannibal"-Recherchen hatten kaum Konsequenzen
taz-Redakteurin Christina Schmidt erzählt, dass sich vor allem Politiker für die Berichte interessiert hätten. Abgeordnete im Bundestag und in Landtagen hätten Anfragen an die zuständigen Behörden gestellt. Und auch personell habe es Konsequenzen gegeben.
"Was wir aber sehen, sind eine Reihe von kleineren oder mittleren Veränderungen - beispielsweise gibt es einen Verfassungsschutzmitarbeiter in Baden-Württemberg, der hat in seiner Freizeit einen Verein ins Leben gerufen, der militärtaktische Trainings für Zivilisten anbietet. Als das Innenministerium das dann mitbekommen hat bzw. wir diese Personalie veröffentlicht haben, haben sie ihn dort abgezogen und versetzt."
Doch viel mehr passierte nicht. Auch öffentlich nicht. Und das, obwohl sich Journalisten nach dem Auffliegen der Terrorgruppe NSU geschworen hätten, in Sachen Rechtsextremismus genauer hinzuschauen, sagt Schmidt.

"Irgendwie funktioniert es nicht, diese Informationen dazu zu bringen, dass auf der anderen Seite damit weitergearbeitet wird. Und einerseits ist natürlich die Frage: Berichten wir Journalisten falsch? Also finden wir die falschen Formate, hat keiner Lust, uns zuzuhören? Aber die andere Frage ist natürlich auch an den Rest der Gesellschaft: Warum hören die so wenig zu? Und darauf habe ich keine Antwort."
Skandale gehen im digitalen Zeitalter schnell unter
Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beobachtet, dass es im digitalen Zeitalter immer schwieriger wird, öffentliche Empörung für die wirklich relevanten Dinge zu erzeugen.
"Die Desinformation wird mächtiger, das Spektakel wird intensiver, und unter diesen neuen Aufmerksamkeitsbedingungen muss man öffentliche Empörung für relevantes Geschehen, für relevante, für tatsächlich relevante Skandale, nicht für Pseudoskandale - die gibt es auch und zuhauf - herstellen. Und das wird zunehmend schwieriger."
Das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv geht deswegen bei seinen Veröffentlichungen auch neue Wege. Für sein jüngstes Projekt über Umsatzsteuerbetrug in Europa arbeitete es auch mit dem "Neo Magazin Royale" zusammen. Moderator Jan Böhmermann tritt dabei auf wie ein Motivationstrainer auf Youtube.
"Meine Name ist Jan, und ich will dich motivieren heute, ich will dich zum Millionär machen. Mein System, das dich reich machen wird, trägt den magischen Titel: Umsatzsteuerkarussell. Der Geldtopf ist riesengroß, es lohnt sich."
Kampf um Aufmerksamkeit für Recherchen
Dass nicht alle Recherchen große Aufmerksamkeit bekommen, führt Correctiv-Chefredakteur Oliver Schröm darauf zurück, dass es heute so viele davon gebe. Oft werden sie in Kooperationen von mehreren Medien erarbeitet.
"Das führt auch dazu, dass Sie fast jeden Monat eine große Enthüllung haben. Und der geneigte Leser, Zuschauer, Zuhörer ist da natürlich extrem gefordert. Sie haben gestern Football Leaks, heute CumEx, übermorgen Fake Science. Die unterschiedlichsten Geschichten, und alle sind wichtig, aber das muss ja auch alles verarbeitet und konsumiert werden."
Medienwissenschaftler Pörksen sieht noch einen anderen Grund, warum manche Skandalisierung verpufft. Er verweist auf Fälle wie den des Bundespräsidenten Christian Wulff, zu dem Journalisten auch recherchiert haben, ob er als Jugendlicher Mitschüler mit Süßigkeiten bestochen hat, um Schülersprecher zu werden.
"Es ist ein Symptom für eine Skandalisierung von Nichtigkeiten, und wenn Sie zu viele Pseudoskandale haben, zu viel Spektakel, dann geht der echte Skandal, der Skandal, der tatsächlich wichtig ist, weil er die Gemeinschaft schädigt, weil er die Umwelt schädigt, weil er von Korruption und Bestechlichkeit handelt, geht dieser Skandal womöglich unter."
Journalisten können Misstände nur aufzeigen
Das Recherchenetzwerk Correctiv hält auf seiner Webseite genau nach, welche Auswirkungen die einzelnen Enthüllungen gehabt haben gehabt haben - und verfolgt fortlaufend die weiteren Entwicklungen. Mehr könne man als Journalist nicht tun, meint Oliver Schröm.
"Unsere Aufgabe ist klar umrissen als Journalisten. Wir haben auf Missstände aufmerksam zu machen, und zwar auf systemische Missstände. Es muss aufgezeigt werden, dass es da im großen Ganzen hakt, aber das Abstellen kann ich nicht, ist auch nicht mein Job."