Jule Reimer: Wie viel Schutz brauchen ausländische Investoren und müssen sie das Recht haben, sich an private internationale Schiedsgerichte zu wenden, falls neue Gesetze zum Umweltschutz oder Enteignungen ihre Investitionspläne durchkreuzen, wie es die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, TTIP und CETA, vorsehen? Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers, Sigmar Gabriel, hat der Völkerrechtsexperte Markus Krajewski jetzt Reformvorschläge für das sogenannte Investor-Staat-Klageverfahren vorgelegt. Für einen Gerichtshof sollen feste Richter ernannt werden, nicht mehr Rechtsanwälte wie bisher, die ihre Unabhängigkeit und Unbefangenheit nachweisen müssen. Heute trifft sich in Brüssel der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Mit dabei der CDU-Europaabgeordnete Daniel Caspary, ein klarer Befürworter des EU-USA-Handelsabkommens TTIP. Ihn fragte ich kurz vor der Sendung, ob er den Reformvorschlägen aus Deutschland etwas abgewinnen kann.
Daniel Caspary: Grundsätzlich begrüße ich die Reformvorschläge, die da aus Deutschland kommen. Ich habe auch den Eindruck, die sind sehr ähnlich wie die Dinge, die wir im Europäischen Parlament schon seit vier Jahren diskutieren, denn dass es einen Reformbedarf bei den bestehenden Investitionsschutzabkommen gibt, ist eindeutig, und ich glaube, dass die Europäische Kommission hier schon auf einem sehr guten Weg ist.
Reimer: Die Kritik an den bisherigen Investitionsschutzabkommen bezog sich ja meist auf das Kleingedruckte. Es gibt ja diesen Begriff der fairen und gerechten Behandlung, der mitunter sehr weit ausgelegt werden kann. Der kommt auch im Handelsabkommen mit Kanada vor.
Caspary: Genau und wir haben im Kanada-Abkommen schon den Versuch, ich glaube, den erfolgreichen Versuch, diese Rechtsbegriffe deutlich besser zu definieren, als das in all den bestehenden deutschen Investitionsschutzabkommen geregelt ist. Wir wollen am Ende sicherstellen, dass wir selbstverständlich als Gesetzgeber tätig sein können, dass wir Sozialstandards, Umweltstandards, Verbraucherschutzstandards ändern können, ohne dass ein Kläger hier Aussicht auf Erfolg hat. Aber auf der anderen Seite wollen wir auch sicherstellen, dass ein ausländisches Unternehmen gegenüber einem Inländer nicht benachteiligt wird, und alle Vorschläge, die uns da helfen, das besser zu definieren, die helfen uns in der Debatte weiter.
"CETA ist deutlich besser als all die Abkommen, die wir heute haben"
Reimer: Wenn ich es recht in Erinnerung habe, ist es im CETA-Abkommen aber so formuliert, dass man eine ganze Reihe Tatbestände klarer definiert, und dann kommt hinterher die Formulierung, im Übrigen, alles was ungerecht und unfair ist, was nicht einer fairen und gerechten Behandlung entspricht, kann auch vor Gericht behandelt werden, vor diesen Schiedsgerichten behandelt werden.
Caspary: Ja. Noch mal: CETA ist deutlich besser als all die Abkommen, die wir heute haben. Wie immer gilt aber auch: Das noch bessere ist auch der Feind des besseren. Was wir aber in CETA zum Beispiel auch drin haben ist, dass Kanada und die Europäische Union jederzeit auch während einem möglichen Streitbeilegungsverfahren die Möglichkeit haben, dem Gericht verbindlich vorzuschreiben, wie bestimmte Dinge in dem Abkommen auszulegen sind, auch um missbräuchlichen Klagen noch während eines Verfahrens zu begegnen. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg. Herr Krajewski macht da weitere Vorschläge. Die sollten wir diskutieren. Ich wünsche mir auch, dass die Kommission das beachtet, weil im Grundsatz ist doch klar: Wir wollen Investitionsschutz nicht schwächen, aber wir wollen ihn modern machen für das 21. Jahrhundert, und ein Instrument, das schon seit 60 Jahren in Betrieb ist, braucht dringend eine Reform.
Reimer: Die Krajewski-Vorschläge beziehen sich auf TTIP vor allen Dingen. Das CETA-Abkommen ist ja, Sie sagten es, bereits weitgehend ausformuliert. Werden Sie es denn noch mal aufschnüren müssen, denn es bleibt ja dabei, diese Gerichtsbarkeit, wie sie für TTIP jetzt überlegt wird oder angeregt wurde, die existiert bei CETA noch nicht, diese unabhängigen Richter?
Caspary: Genau. Bei CETA haben wir erst mal einen Text vorliegen. Hier sind wir in der Situation, dass wir als Parlament der Europäischen Kommission schon mit auf den Weg gegeben haben, wir wünschen uns, dass mit Kanada das eine oder andere noch verbessert wird. Wo Dinge vielleicht nicht ganz so rechtssicher und wasserfest ausformuliert sind im Vertragstext, wie das die Europäische Union - und ich bin überzeugt auch Kanada - gern möchte, da kann man doch noch mal nachbessern. Ich glaube, den richtig großen Wurf mit einem Gerichtshof, das werden wir in Kanada nicht hinbekommen. Aber auch da: Sollten wir das mit Amerika hinbekommen, dann bin ich optimistisch, dass in einem zweiten Schritt sich andere Länder wie Kanada anschließen, dass dann vielleicht auch Singapur mitmacht. Deswegen ist aus meiner Sicht gerade auch das TTIP-Abkommen eine Chance, einen, wir nennen es, Goldstandard für Investitionsschutz im 21. Jahrhundert zu setzen, und ich bin davon überzeugt, wenn wir zum Beispiel einen Großteil der vom Parlament oder jetzt auch von der Bundesregierung geforderten Reformen in dem TTIP-Abkommen am Ende tatsächlich drin haben sollten, dann kann das wirklich ein Anreiz sein für viele, viele andere Staaten auf der Welt, einem guten Modell zu folgen. Denn die Probleme, die wir heute sehen, die haben ja andere auch.
"Es gibt wenige Fälle, in denen Missbrauch getrieben wurde"
Reimer: Noch einen Blick aufs Kleingedruckte. Es gab in früheren Abkommen, zum Beispiel im Abkommen der Nordamerikanischen Freihandelszone, den Begriff der legitimen Erwartung. Das heißt, Investoren haben dann nicht nur auf Entschädigung geklagt für meinetwegen Bauten, Maschinen, Fabriken, die sie gebaut haben, sondern sie haben einfach mal in die Zukunft geguckt und haben gesagt, eigentlich hätten wir diesen Gewinn erwartet. Ist der gestrichen? Wird der gestrichen in CETA? Wird der auch in TTIP gestrichen sein?
Caspary: Auch da geht es, glaube ich, um die Frage, wie definiert man die Sachen richtig. Nehmen Sie doch Unternehmen in Deutschland; die hatten auch eine Gewinnerwartung im letzten Jahr, bis wir in Deutschland zum 1. Januar den Mindestlohn eingeführt haben, der selbstverständlich auch bei vielen ausländischen Unternehmen, weil er ja für alle gilt, die Gewinnerwartung reduziert hat, und es gibt deswegen gegen Deutschland keine einzige Klage. Ich denke, es gilt: Wir müssen die Dinge noch rechtssicherer definieren. Auch dieses Thema möglicher entgangener Gewinne ist ein Kritikpunkt, der berechtigt ist. Da müssen wir noch besser werden. Aber ich denke, wir sollten bei der Kritik am Investitionsschutz nicht übertreiben. Das ist ein sehr bewährtes System. Es gibt wenige Fälle, in denen Missbrauch getrieben wurde. Es gibt auch Fälle, für die ich keinerlei Verständnis habe, wie zum Beispiel Vattenfall gegen Deutschland wegen dem Kernenergieausstieg. Deswegen: Jede Verbesserung, jede rechtliche Klärung, jedes wasserdichter machen dieser Investitionsschutzabkommen ist zu begrüßen, und deswegen freue ich mich auch, dass die Debatte mittlerweile nicht mehr geführt wird, brauchen wir Investitionsschutz in TTIP oder nicht, sondern dass die Debatte darüber geführt wird, wie muss Investitionsschutz aussehen, damit er dann auch gut ist und für uns händelbar, rechtssicher händelbar ist, und da kann man doch auf die jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen.
Reimer: Der Europaabgeordnete Daniel Caspary über Reformen beim Investorenschutz in CETA und TTIP.
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