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Die Amtszeit von Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) neigt sich dem Ende zu. Seit 2013 leitet Bach das IOC und wird 2025 nach den maximal zulässigen zwölf Jahren in dieser Funktion ausscheiden.
Die Bewerber um Bachs Nachfolge präsentierten sich vor der Wahl im Rahmen der 144. IOC-Vollversammlung (vom 18. bis 21. März) in Lausanne hinter verschlossenen Türen den etwas mehr als 100 IOC-Mitgliedern für den wichtigsten Posten im internationalen Sport. In einer 15-minütigen Präsentation brachten sie ihre Argumente und wichtigsten Visionen für die Zukunft vor und stellten sich anschließend ausgewählten Medienvertretern, darunter auch Dlf-Sportredakteur Matthias Friebe.
Bereits im September erinnerte Ban Ki Moon, der Vorsitzende der IOC-Ethikkommission, in einem Brief an alle IOC-Mitglieder daran, dass bei der Wahl Vorschriften der olympischen Charta und des Ethikkodexes strikt beachtet werden müssen. Welche Vorgaben macht die olympische Charta für die Wahl des IOC-Präsidenten oder der IOC-Präsidentin?
Inhalt
- Welche Voraussetzung gibt es für die IOC-Präsidentschafts-Kandidatur?
- Wer sind die Kandidaten?
- Wie verläuft der Wahlprozess?
- Wie lange dauert die Amtszeit des IOC-Präsidenten?
- Wie wird die Nachfolge vor Ablauf der Amtszeit geregelt?
- Welche Faktoren könnten die Wahl beeinflussen?
- Welche Herausforderungen kommen auf den neuen IOC-Präsidenten zu?
Welche Voraussetzungen gibt es für die IOC-Präsidentschafts-Kandidatur?
Um Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zu werden, muss der Kandidat bereits ein Mitglied des IOC sein. Die Bewerber müssen aus dem Kreis der eingeladenen IOC-Mitglieder stammen, zu dem auch Adelige aus dem Nahen Osten und Europa, ein amtierender Staatschef – der Emir von Katar –, ehemalige Diplomaten und Abgeordnete, Industrielle, Führungspersönlichkeiten von Sportverbänden sowie Athleten gehören.
Diese Wähler dürfen ihren bevorzugten Kandidaten nicht öffentlich unterstützen. Kandidaten dürfen keine Wahlvideos veröffentlichen, keine öffentlichen Versammlungen organisieren und nicht an öffentlichen Debatten teilnehmen.
Die Kandidatur muss mindestens drei Monate vor der Session, in der die Wahl stattfindet, eingereicht werden. In Ausnahmefällen kann die IOC-Exekutivkommission diese Frist anpassen. Die Kandidatenliste für die Nachfolge von Thomas Bach wurde am 16. September 2024 veröffentlicht.
Wer sind die Kandidaten?
Sieben IOC-Mitglieder haben ihre Kandidatur erklärt, sechs Männer und eine Frau.
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Kirsty Coventry: Sportjournalist und Verbandskenner Thomas Kistner bezeichnet sie als Thomas Bachs „Kronprinzessin“. Coventry ist 40 Jahre alt, aus Simbabwe und ehemalige Schwimmerin mit zahlreichen Olympischen Medaillen. Sie ist schon in jungen Jahren sehr schnell aufgestiegen im IOC – und auch in der Landespolitik. Sie ist als Sportministerin das einzige weiße Kabinettsmitglied. Im IOC hat Coventry bereits mehrere wichtige Zuständigkeiten: Sie ist Vorsitzende der Koordinierungskommission für die Sommerspiele 2032 in Brisbane, und sie war in den Kommissionen für den Olympic Channel und für Öffentlichkeitsarbeit. Aber Kistner betont auch, dass es bereits vor ihrem Amtsantritt als Sportministerin Korruptionsvorwürfe gegeben habe.
Ihre Bach-Nähe macht sie für Kistner dennoch zur Favoritin. Coventry betonte bei ihrer Bewerbung in Lausanne, dass sich das IOC "über die Politik im und um den Frauensport klar werden müsse". Der Frauensport werde immer benachteiligt. Zu ihrer Rolle als erste Bewerberin um das Amt sagte sie: "In erster Linie möchte ich die beste Kandidatin sein und nicht nur wegen meines Geschlechts oder meiner Herkunft gewinnen".
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David Lappartient: Der Präsident des Radsport-Weltverbands ist 51 Jahre alt. Der Franzose weiß, wie er Saudi-Arabiens Gelder nutzen kann, um den Radsport international voranzubringen. Seit 2022 ist er im IOC und half beim Aufbau von Olympischen E-Sport-Spielen in Saudi-Arabien. Er will die Jugend erreichen - mit E-Sport könnte das gelingen, hofft Lappartient, dem deshalb Außenseiterchancen zugesprochen werden.
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Sebastian Coe: Der Brite gilt als ewiger Kontrahent von Bach. In der Russlandfrage zum Beispiel: Während das IOC neutrale Athleten zulässt, hält es Coe in der Leichtathletik mit einem Startverbot. Und auch sein strikter Umgang mit der Geschlechtskategorie der Frauen unterscheidet sich deutlich davon, wie sich Bach inzwischen äußert.
Dass Coe unter anderem die Testosteron-Regel in der Leichtathletik mit dem Schutz der Frauenkategorie begründet, hat ihm schon viel Kritik eingebracht. Ein weiteres Problem: Der neue IOC-Präsident muss bei Amtsantritt noch mindestens für seine achtjährige Amtszeit Mitglied im IOC sein. Aber Coe ist nur so lange IOC-Mitglied, wie seine Präsidentschaft bei World Athletics dauert. Und die endet schon 2027.
Für Ärger sorgte auch die Ankündigung von World Athletics (WA), seine Athleten und Athletinnen für Olympia-Gold bei den Sommerspielen in Paris mit jeweils 50.000 US-Dollar (46.000 Euro) zu belohnen. Der Verband gab seine Entscheidung einseitig bekannt, ohne das IOC oder andere internationale Sportverbände zu konsultieren. Coe sagte dazu bei der kurzen Pressekonferenz in Lausanne: "Wir haben uns für Preisgelder entschieden, weil wir der Meinung waren, dass dies im besten Interesse unseres Sports ist. Im Nachhinein hätte ich es anders machen sollen, und ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen."
Mit Blick auf die Zukunft sagt er, es sei von entscheidender Bedeutung, die Generation von morgen zu begeistern und herauszufordern. "Denn sie ist es, die letztendlich die zukünftigen Sponsoren, die zukünftigen Vordenker, die zukünftigen Regierungen und die zukünftigen Politiker sein werden", so Coe, der durchaus auch kritische Worte fand. "Ich halte das für einen unproduktiven Vorgang", sagte Coe über das Prozedere. Wahlkampf lebe auch von der Interaktion, so der Brite.
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Juan Antonio Samaranch Junior: Er ist der Sohn des weltbekannten IOC-Herrschers, der 21 Jahre lang an der Macht war. Samaranch arbeitete vor allem im Finanzbereich, ehe er in den Sport einstieg - unter anderem als Vizepräsident des Real Automovil Club de Catalunya, der die Rallye Katalonien ausrichtet, sowie als Vize im weltweiten Dachverband der Modernen Fünfkampfer. Samaranch will den Aktiven mehr Selbstvermarktung gestatten und für das IOC neue Einnahmequellen erschließen. Er werde von der älteren Fraktion im IOC unterstützt, betont Sportjournalist Kistner. Allerdings ist der Spanier schon 65 Jahre alt. Eine IOC-Regel besagt, dass Mitglieder nur bis zu ihrem 70. Lebensjahr im IOC Mitglied sein dürfen. Wäre seine Präsidentschaft gewollt, würde das IOC aber möglicherweise auch hier eine entsprechende Regelung finden.
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Johan Eliasch: Der in Schweden geborene Geschäftsmann, milliardenschwerer Eigentümer des Ski-Herstellers Head, gehört zu den reichsten Briten. Als Sportfunktionär war der 63-jährige Eliasch unter anderem von 2003 bis 2012 bei der British Olympic Association tätig, seit Mai 2022 ist er Präsident des Internationalen Ski-Verbandes FIS. Seine Wahl sorgte für Proteste, weil es nur die Möglichkeit gab, für Eliasch zu stimmen oder sich zu enthalten - eine Abstimmung mit "Nein" war nicht möglich. Er gilt als chancenlos.
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Morinari Watanabe: Der 65-jährige Japaner ist seit Januar 2017 Präsident des Turn-Weltverbandes FIG, 2021 erfolgte seine Wiederwahl. 2024 begann die dritte Amtszeit (bis 2028) des ersten Asiaten an der Spitze der FIG. Der 65 Jahre alte Geschäftsmann ist seit Juli 2018 IOC-Mitglied, vor seiner Zeit bei der FIG war Watanabe Generalsekretär des japanischen Turnverbandes. Für die größte Sportveranstaltung der Welt hat er revolutionäre Gedanken: Die Olympischen Spiele auf fünf Kontinenten gleichzeitig auszutragen. Watanabe betonte in Lausanne: "Der Sport kann einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Der Sport kann einen Beitrag für die Menschen leisten. Das bedeutet also, dass wir mehr Aktivität brauchen." Auch er hat eher wenig Chancen auf das Amt.

Prinz Feisal al Hussein: Der Sohn des früheren jordanischen Königs Hussein ist seit 2010 IOC-Mitglied. Der einstige Ringer und Rallye-Sportler steht seit 2007 dem Nationalen Olympischen Komitee seines Landes vor. Seit 2020 ist er IOC-Mitglied. "Ich persönlich wäre flexibler bei den Regeln, als es heute der Fall ist. Die Welt sollte wissen, wer ihre Anführer sind", äußerte er sich ebenfalls kritisch zur Vorstellung der Kandidaten.
Wie verläuft der Wahlprozess?
Die Wahl des IOC-Präsidenten oder der IOC-Präsidentin erfolgt in geheimer Abstimmung während einer IOC-Session. Im aktuellen Fall wird die Nachfolge von Thomas Bach bei der 144. IOC-Session (18. bis 21. März 2025) in Athen entschieden. Gewählt wird am 20. März. Nach einer dreimonatigen Übergangsphase soll am 24. Juni 2025 das neue Mandat beginnen und die Zeit des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach zu Ende gehen.
Wie lange dauert die Amtszeit des IOC-Präsidenten?
Der gewählte Präsident - oder die Präsidentin - wird für eine Amtszeit von acht Jahren ernannt. Nach dieser ersten Amtszeit besteht die Möglichkeit, für eine einmalige Verlängerung um vier Jahre wiedergewählt zu werden.
Zudem muss der Präsident oder die Präsidentin während seiner gesamten Amtszeit Mitglied des IOC bleiben und die Vorschriften der olympischen Charta einhalten, einschließlich der Altersgrenze von 70 Jahren. Wird ein Mitglied 70 Jahre alt, endet seine Mitgliedschaft - es sei denn, die Exekutive schlägt eine einmalige Verlängerung um vier Jahre vor, die von der IOC-Session bestätigt werden muss.
Der 70-jährige Bach, der 2013 den Belgier Jacques Rogge ablöste und 2021 für eine weitere Amtszeit auf dem IOC-Chefposten bestätigt wurde, bleibt also der olympischen Charta treu.
Wenn ein IOC-Mitglied seine Funktion als aktiver Athlet, als Präsident oder als leitender Funktionär eines Nationalen Olympischen Komitees (NOC) oder einer Internationalen Föderation (IF) allerdings verliert, endet auch seine Mitgliedschaft im IOC automatisch - und damit auch die Amtszeit als Präsident.
Der IOC-Präsident oder die IOC-Präsidentin darf zudem nicht gleichzeitig Präsident oder Präsident eines Nationalen Olympischen Komitees (NOC) oder einer internationalen Sportorganisation sein, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden. Im Falle einer Wahl müsste der gewählte Präsident oder die gewählte Präsidentin das Amt dann abgeben. Die Einhaltung dieser Richtlinien wird durch die IOC-Ethikkommission überwacht.
Sebastian Coe, einer der möglichen Kandidaten würde als 68-Jähriger schon vor dem Ablauf der ersten Amtsperiode an die aktuell geltende Altersgrenze für IOC-Mitglieder stoßen. Ein weiterer erwarteter Kandidat, IOC-Vizepräsident Juan Antonio Samaranch Jr., der im November 65 wurde, könnte ebenfalls rechtliche Hürden mit der Altersgrenze von 70 Jahren haben.
Wie wird die Nachfolge vor Ablauf der Amtszeit geregelt?
Sollte der IOC-Präsident oder die IOC-Präsidentin aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht in der Lage sein, seine Aufgaben zu erfüllen, übernimmt der dienstälteste Vizepräsident vorübergehend seine Aufgaben.
Welche Faktoren könnten die Wahl beeinflussen?
Neben Alter und IOC-Mitgliedschaft könnten für die anstehende Wahl auch noch andere Faktoren entscheidend werden, sagte Jürgen Mittag, Politikwissenschaftler von der Deutschen Sporthochschule Köln, im Deutschlandfunk: "Meines Erachtens spielt die Kategorie Geschlecht ein ganz zentrale, wichtige Rolle", sagte er.
Eine Frau an der IOC-Spitze gab es bislang noch nicht. "Das wird sicherlich ein starkes Argument sein, inwieweit der Modernisierungskurs auch über diesen Aspekt zu regulieren sei."
Ein weiterer Faktor sei die Herkunft des möglichen neuen IOC-Präsidenten oder Präsidentin. "Die Wahrscheinlichkeit, dass die Staaten jenseits von Europa sich Gehör verschaffen, nicht nur als Staaten, sondern auch als Mitgliedsverbände, wird auch nicht ganz gering zu betrachten sein", analysiert Mittag.
Welche Herausforderungen kommen auf den neuen IOC-Präsidenten zu?
"Das internationale Sportwesen steht nach wie vor vor einer Zerreißprobe, gerade was die Haltung zu Russland oder im russisch-ukrainischen-Krieg betrifft", sagte Mittag. Der neue IOC-Präsident - oder die neue Präsidentin - steht auch vor der Herausforderung, die Spaltung in der Sportwelt nicht größer werden zu lassen.
In der Russlandfrage standen in den vergangene Jahren häufig die westlichen Verbände gegen den Rest der Welt. "Da wird es Aufgabe eines künftigen IOC-Präsidenten sein, die Einheit zu wahren", sagte Mittag.
Darüber hinaus stünden noch Herausforderungen wie die Fragen über das europäische Sportmodell oder über das Monopol internationaler Sportverbände bei der Ausrichtung von Weltmeisterschaften im Raum. "Dann sieht man, welche Herausforderungen absehbar auf das IOC und auf den Weltsport insgesamt zukommen. Und die Frage der Einheit, die Wahrung der Einheit, ist sicherlich eine der zentralen, wenn nicht sogar die zentrale Herausforderung."
Zudem wird der oder die Präsidentin eine diplomatische Rolle bei der Zusammenarbeit mit der Regierung von US-Präsident Donald Trump im Vorfeld der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles spielen.
og/vic/sima