Noch ist nichts beschlossen - aber es wird immer wahrscheinlicher, dass auch Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus bei Olympia in Paris teilnehmen dürfen. Das jedenfalls wollen die internationalen Sommersportverbände und die Kontinentalvereinigungen der Nationalen Olympischen Komitees. Beim Olympischen Gipfel in Lausanne forderten die Dachverbände von IOC-Präsident Thomas Bach eine schnelle Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees.
Die Vertreter der geladenen Spitzenverbände drückten aufs Tempo, um "Klarheit in die olympischen Qualifikationsverfahren und für alle betroffenen Athleten" zu schaffen, wie es in der IOC-Mitteilung hieß.
Sportlerinnen und Sportler, die sich unter neutraler Flagge für Olympia qualifiziert haben, sollten in Paris dabei sein dürfen, meinen die Verbände. Die "überwiegende Mehrheit der Athleten weltweit" sei "der Ansicht, dass Athleten nicht für die Handlungen ihrer Regierungen bestraft werden sollten", sagte laut IOC-Mitteilung die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission Emma Terho.
IOC betont große Einigkeit in der Sportwelt zur Russland-Frage
Überhaupt ist der Tenor der IOC-Mitteilung nach dem Treffen in Lausanne: große Einigkeit in der Sportwelt - knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Die IOC-Spitze um Präsident Bach betonte in Lausanne zwar, dass eine Entscheidung noch nicht gefallen sei und die Zulassung von Aktiven aus Russland und Belarus "nur unter den bestehenden strengen Bedingungen" denkbar sei: Sie dürften nur unter neutraler Flagge als Einzelsportler in Paris dabei sein und keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben. Mannschaften wären nicht zugelassen.
Und doch scheint es, als sei durch das Hinterzimmertreffen in Lausanne der Weg endgültig bereitet für das "Ja" von Thomas Bach und der Ringe-Organisation, die Ende März 2023 selbst eine "Empfehlung" an die Spitzenverbände ausgesprochen hatte, die Beschränkungen gegen Russland und Belarus zu lockern.
DOSB inzwischen auch auf IOC-Linie
Zuletzt hatte auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der beim "Olympic Summit" in Lausannne allerdings nicht vertreten war, seinen Kurs geändert und sich auf die Linie der meisten NOKs und Welt-Fachverbände begeben. Zu Beginn des Krieges war der Deutsche Olympische Sportbund sehr klar für einen kompletten Ausschluss von Russland.
Doch international hat sich die Stimmung gedreht: In Asien, in Afrika in den Sportverbänden sieht man nicht die Notwendigkeit, Russland auszuschließen. Und da Deutschland sich auf Olympische Spiele bewerben will, ist es für den DOSB keine Option, zum Außenseiter zu werden.
Das Internationale Paralympische Komitee (IPC) hatte bereits Ende September vorgelegt und sogenannte neutrale Athleten aus Russland nach Paris eingeladen. Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes, stellte sich weiterhin gegen eine Rückkehr Russlands und Belarus und kritisierte die Entscheidung.
Leichtathletik-Weltverband bleibt hart gegenüber Russland
Auch der Leichtathletik-Weltverband "World Athletics" bleibt bei seiner Anti-Russland-Linie. "Der Standpunkt von World Athletics zur Teilnahme Russlands bleibt unverändert und war von Anfang an sehr klar", teilte der Verband mit und verwies auf den bestehenden Ausschluss russischer Athleten. Man werde die Situation weiter beobachten, aber wenn sich die Umstände bis zu den Olympischen Spielen nicht grundlegend änderten, werde der Ausschluss auch für Paris 2024 gelten.
Der Verein "Athleten Deutschland" kritisierte die mögliche Zulassung und verwies auf weiterhin bestehende Zweifel an der Wirksamkeit des Dopingkontrollregimes für russische Athletinnen und Athleten. Zudem fehlten "vollständige Angaben, wie den Schutzbedürfnissen von ukrainischen Athletinnen und Athleten bei den Olympischen Spielen im Detail Rechnung getragen werden soll".
Quellen: ARD, Kathrin Hondl, dpa, SID, Maximilian Rieger