IOC-Session in Mumbai
Wer hat die Macht im Weltsport?

Europas Einfluss im Weltsport gilt mittlerweile als begrenzt. Kanu-Weltverbandspräsident Thomas Konietzko erklärt im Dlf-Gespräch einige Aspekte dieser Machtverschiebung. Und auch im Speziellen, wie Deutschland in der Sportwelt dasteht.

Thomas Konietzko im Gespräch mit Maximilian Rieger | 14.10.2023
Thomas Bach (l.), Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), schüttelt Indiens Premierminister Narendra Modi die Hand im Rahmen der Session in Mumbai.
Handshake mit Indiens Premierminister Narendra Modi: Thomas Bach, der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), verkehrt mit vielen mächtigen Staatsoberhäuptern. Das Sagen haben im Weltsport mittlerweile längst nicht mehr nur europäische Nationen. (picture alliance / dpa / Press Information Bureau - Gover)
Es ist das wichtigste Treffen für die olympische Bewegung: Die Session, praktisch die Mitgliederversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). In diesem Jahr findet sie in Mumbai (Indien) statt.
Einige wichtige Entscheidungen hat die IOC-Exekutive um Präsident Thomas Bach aber bereits gefällt: Das russische NOK ist suspendiert, weil es Sportorganisationen aus vier besetzten ukrainischen Gebieten aufgenommen hat. Und auch das Sportprogramm für die Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles (USA) steht jetzt praktisch schon fest.

Europas Einfluss im Weltsport schwindet

Daraus ergibt sich auch die Frage, wer im Weltsport derzeit den größten Einfluss hat. Sowohl in Bezug auf Verbände, aber auch dahingehend, welche Länder an Macht gewinnen. Klar ist: Der Fokus liegt mittlerweile auch auf Nationen abseits von Europa.
Die Handball-Weltmeisterschaft fand 2015 in Katar statt sowie die Fußball-WM 2022 – diese beiden Events würde auch Saudi-Arabien gerne in Zukunft ausrichten. Die Golfstaaten investieren außerdem Milliardenbeträge in europäische Fußballklubs.
Kanu-Weltverbandspräsident Thomas Konietzko sieht durchaus einen Machtverlust Europas. Nicht nur im Vergleich zu arabischen Ländern. Im Dlf-Interview sagte er:

China hat hervorragende Asienspiele organisiert. In Amerika mit den Spielen LA 2028 tut sich einiges, was Investment in den Sport betrifft und damit auch die Verschiebung von Machtverhältnissen. Gerade die Diskussion über die Zulassung der neutralen Athleten aus Russland hat gezeigt, welchen Einfluss Europa mittlerweile noch in der internationalen Sportpolitik hat. Lassen Sie es mich diplomatisch sagen: Zumindest geht der etwas zurück.

Kanu-Weltverbandspräsident Thomas Konietzko über den Einfluss Europas

Kompromisse nur noch schwierig zu vermitteln

Konietzko, der als Weltverbandspräsident für den Kanu-Sport in 173 unterschiedlichen Nationen verantwortlich ist, betonte dabei die zunehmende Schwierigkeit, im internationalen Sport Kompromisse zwischen Ländern zu vermitteln.
"Das macht mir jeden Tag mehr graue Haare, weil die Welt immer weiter auseinandertreibt und die unterschiedlichen Interessen sich immer weiter voneinander entfernen. Also die politischen Interessen. Und jetzt muss der Sport vorsichtig sein, nicht zwischen die Mühlsteine zu kommen", erklärte der 59-jährige Funktionär.

Kanu-Präsident will "vereinen und nicht trennen"

Konietzko bemühte die Olympische Charta, um zu unterstreichen: "Wir sollen vereinen und nicht trennen. Und das ist das, was wir versuchen müssen, trotz all der Herausforderungen, die es in der Welt gibt." So eine Herausforderung ist die Frage zur Zulassung neutraler Athletinnen und Athleten aus Russland. Dazu gibt es in den unterschiedlichen Ländern gegensätzliche Haltungen.
Eine tiefgehende Spaltung der Sportwelt befürchtet der Kanu-Präsident jedoch nicht: "Im Moment besteht die Gefahr. Aber sie ist kontrollierbar, wenn man die richtigen Entscheidungen trifft."
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) vertrat Mitte Juli jedenfalls weiterhin die Position, Russland und Belarus auszuschließen, aber man müsse sich auch der Realität stellen, sagte Präsident Thomas Weikert: "Wir haben dem IOC mitgeteilt, uns anzuschauen, wie sich die Welt entwickelt."

Mronz vor Wahl als neues IOC-Mitglied

Dabei ist der Einfluss speziell von Deutschland im Weltsport mittlerweile durchaus begrenzter. Konietzko deutete an: "Wir haben im Moment zwei IOC-Mitglieder, Britta Heidemann und Präsident Thomas Bach. Beide werden im nächsten Jahr ausscheiden." Es gibt neben Konietzko selbst auch noch Klaus Schormann als Präsident eines Internationalen Olympischen Verbands (Fünfkampf). Das sei "im Vergleich zu anderen Ländern auf so einer hohen sportpolitischen Ebene sehr überschaubar".
In den Startlöchern zum Aufstieg ins IOC als "unabhängige Einzelperson" steht allerdings der deutsche Sportfunktionär Michael Mronz. Die Wahl des Organisators des CHIO in Aachen gilt als Formsache.

Karriere als Funktionär: "Sie müssen Rentner oder reich sein"

Warum so wenige Deutsche im internationalen Sport Einfluss ausüben, erklärte Konietzko so: "Sie müssen viel Lobbyarbeit, viele Aktionen machen. Und man braucht Unterstützung. Da hat die Bundesregierung schon einiges getan. Ich wurde auch persönlich unterstützt, aber das reicht noch nicht aus. Also Sie müssen entweder Rentner oder reich sein, ansonsten keine Chance, im Weltsport eine führende Position einzunehmen."
Allerdings sah er auch Verbesserungen: "Wir haben jetzt gerade einen Kurs beendet in Deutschland, wo wir angehende internationale Sportfunktionäre geschult und vorbereitet haben. Das hat in den letzten Jahren ein bisschen gefehlt, eine Strategiediskussion, wie man hohe Ämter erreichen kann."