In der Debatte um die mögliche Wiederzulassung von Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus zu Sportveranstaltungen hat sich Andrew Parsons, Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), im Deutschlandfunk geäußert. Der 46-Jährige sagte aber, er sehe derzeit keine Mehrheit für eine Rückkehr von Russland und Belarus in den Parasport.
Keine klaren Boykott-Bewegungen abzusehen
Parsons führte aus: "In verschiedenen Ecken der Welt gibt es verschiedene Ansichten. An der Abstimmung von Ländern, den internationalen Verbänden und regionalen Organisationen in unserer letzten Generalversammlung ist das abzulesen."
Der IPC-Präsident sehe in beide Richtungen keine organisierten Bewegungen, "die sich zusammentun und sagen: 'Wenn Russland und Belarus dabei sind, werden wir boykottieren' - oder andersherum." Sollte sich in der im Frühjahr 2022 von Russland angegriffenen Ukraine an der Kriegssituation nichts ändern, gehe er aber eher davon aus, dass die Suspendierung bestätigt werde.
IPC verzichtet im Gegensatz zum IOC auf Empfehlung
Anders als der brasilianische IPC-Boss verfuhr das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter dem deutschen Präsidenten Thomas Bach. Der IOC-Vorstand gab seinen Mitgliedern die Empfehlung, Sportlerinnen und Sportler aus Russland sowie Belarus wieder zuzulassen, sofern sie keine Verbindungen zum Militär haben und den Angriffskrieg verurteilen.
"Das IOC ist unser wichtigster Partner. Aber es kommt vor, dass wir unterschiedliche Positionen haben", betonte Parsons, der seit 2018 selbst IOC-Mitglied ist. Dabei unterstrich der Brasilianer jedoch, auch im IOC werde demokratisch entschieden: "Es ist eine Empfehlung, nicht etwas, das sie diktieren."
Im Para-Sport wird also die nächste ordentliche IPC-Generalversammlung im September in Bahrain Aufschluss bringen. Dort könnte eine Entscheidung über die Aufhebung oder Beibehaltung der Suspendierung, auch speziell zu den Spielen in Paris 2024, getroffen werden.
Flickenteppich bei Qualifikationswettkämpfen für Paris
Mit Blick auf Paris gibt es allerdings einen Flickenteppich: In einigen der 22 Sportarten könnten sich russische und belarusische Para-Athletinnen und -Athleten sportlich qualifizieren, in anderen nicht.
Denn nicht alle Sportarten im paralympischen Programm werden durch das IPC kontrolliert – lediglich Leichtathletik, Schwimmen, Gewichtheben und Schießsport. Dort verhindert die Suspendierung vorerst die Teilnahme an Qualifikationswettkämpfen.
IPC-Präsident Parsons zum Status von Russland und Belarus (englisches Original)
Die übrigen 18 Sportarten verwalten die verschiedenen Fachverbände. So sind Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus im Pferdesport weiter suspendiert, bei Triathlon-Wettbewerben unter neutraler Flagge hingegen dabei. Letzteres sichere aber noch nicht die Teilnahme, erklärte Parsons: "Natürlich kann es sein, dass sie sportlich für die Spiele qualifiziert sind, aber das IPC dann entscheidet, dass sie nicht teilnehmen dürfen."
Parsons ermutigt Deutschland zur Paralympics-Bewerbung
Der IPC-Präsident äußerte sich im Dlf außerdem zu einer möglichen Bewerbung Deutschlands und der Hauptstadt Berlin für die Ausrichtung der Olympischen und damit auch der Paralympischen Spiele 2036: "Ich glaube, für Deutschland ergibt es in der Tat viel Sinn, die Spiele auszurichten. Wir reden darüber mit Personen aus dem deutschen Sport." Die Entscheidung liege aber natürlich bei der deutschen Bevölkerung, den Behörden und dem Nationalen Olympischen Komitee.
Parsons sei jedenfalls "absolut sicher", Deutschland habe die Expertise für eine Ausrichtung. Es gehe daneben aber auch um die "Vision des Ausrichters, was aus den Paralympischen Spielen herausgezogen werden soll". Der 46-Jährige gab ein Beispiel: "Wie könnte die Ausrichtung der Paralympischen Spiele die Leben von Menschen mit Behinderungen in Deutschland verbessern?" Auch in dieser Hinsicht könne Deutschland von Paralympics in Deutschland profitieren.