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"Ipsagon" im Berliner Ballhaus Ost
Ibsen auf Augenhöhe

Wie aktuell sind die Dramen Hendrik Ibsens? Das Berliner Performance-Kollektiv "no fourth wall" - zu Deutsch: keine vierte Wand - glaubt fest an die Aktualität von Hedda Gabler, Nora und Baumeister Solneß und macht die Besucher ihres "Ipsagons" im Berliner Off-Theater Ballhaus Ost zu Komplizen und Laborratten.

Von Gerd Brendel |
    "Ich würde gerne Sagen, dass ich gegen Ibsen bin."
    Adela Bravo Sauras , vom Performance-Kollektiv "no fourth wall" - keine vierte Wand schüttelt den Kopf.
    "Man ist wütend. Natürlich man ist genervt von Nora, warum sie nicht weggeht , oder man kann für die Agressivität von Hedda Galbler sein oder dagegen."
    Ihre Wut auf die Szene um Szene mit sich und ihrer Umwelt hadernden Frauen in Ibsens Dramen stand am Anfang ihrer begehbaren Installation "Ipsagon".
    Ein Parcours aus sechseckigen Räumen.
    "Es ist ein Labyrinth, wo man die Entscheidung nehmen soll, ob man es als aktiver Zuschauer erfahren will oder außerhalb."
    Ob ich mit den Darstellern in den sechseckigen Kammern interagiere oder ihren Ibsen-Zitaten still zuhöre, bleibt mir überlassen. Dass ich egal, wie ich reagiere. Teil des Spiels bin wird mir im ersten Raum klar: An die Decke wird ein Videofilm projiziert. Von oben beobachten mich Frauen in weißen Kitteln zu, wie Wissenschaftlerinnen Laborratten: Willkommen in der Versuchsanordnung Ibsen. Welche Drehtür wähle ich?
    "Man kommt rein und man soll diesen Weg alleine machen, das ist etwas, was bei Ibsen als der Heldenweg man betrachten könnte. Es gibt immer diese Charaktere die versuchen etwas für die Allgemeinheit zu machen aber normalerweise kämpfen sie alleine."
    Ibsens Frauen als roter Faden
    Der "Volksfeind" ist so ein Held, oder "Peer Gynt" und seine treu ausharrende Solveig. Mit Gynts zwiespältigem Charakter konfrontiert mich eine Darstellerin im Troll-Kostüm im nächsten Raum. Sie steht auf einer Wippe und je nachdem auf welcher Seite sie steht, werde ich beschimpft oder als prächtige Gefährtin gelobt.
    Ibsens Frauen ziehen sich als roter Faden durch das ganze Labyrinth, auch wenn Männer ihren Part übernehmen. Die Szene zwischen der naiven Hilde und Baumeister Solneß, die Jahre nach deren leidenschaftlicher Begegnung – Solness hatte die minderjährige Hide verführt – das damals versprochene Luftschloss einfordert wird von zwei Schauspielern im Loop wiederholt.
    " Lets talk about what happened in here.. how can you just stand like that .. there were great going ons in here .. we were dressed in turtlenecks.. and than you walked in with a microphone."
    Gescheiterte Helden
    Wie die beiden in ihren 50er Jahren Rollkragenpullovern Katz und Maus spielen, erinnern sie an den Hitchcock Klassiker "Zum Cocktail eine Leiche". Ein schwules Paar hat darin einen angeblich perfekten Mord begangen. In "Ibsagon" werde ich zu ihrem Komplizen. Aber um welche Leichen im Keller geht es bei Ibsen, geht es hier bei diesem Parcours mit den gescheiterten Helden und Heldinnen aus seinen Dramen?
    "Ich lebte davon Dir Kunststückchen vorzumachen, aber das war ja genau was du wolltest. Ich muss hinaus in die Welt, und deshalb verlasse ich Dich, verlasse ich meine Kinder. Ich muss heraus finden, wer recht hat: Die Gesellschaft oder ich."
    Erzählt mir eine verführerische Nora am Ende des Parcours. Ohne die schützende vierte Wand bin ich ihr wie auch den anderen Figuren ausgeliefert. Auf dem Nachhauseweg mustere ich die Fahrgäste in der U-Bahn: Mit einem Mal kommen sie mir bekannt vor. Nora, Peer Gynt und Baumeister Solneß- Ich sitze mitten unter ihnen.